Seit jeher spielt Blut eine mystisch-magische Rolle im menschlichen Denken, denn es gilt als Träger des Lebens und Sitz der Seele. Ihm werden erlösende Kräfte zugesprochen.
Das Blut aller Wirbeltiere ist rot, jedoch nur bei Säugetieren und Vögeln zusätzlich noch »warm«, denn Reptilien, Fische und wirbellose Tiere sind bekanntlich Kaltblütler. Deshalb kommen für die magisch-rituelle Arbeit nur rotes, warmes, flüssiges (also nicht geronnenes, das »magisch tot« ist) und homogenes Blut als »wirksamer Köder für herbeigerufene Astralkräfte« in Betracht, wie es heißt. (106)
Mit Blut werden magische Manipulationen angestrebt und durchgeführt. »Auch ohne ritualisierten Gewaltakt ist der Anblick fließenden Blutes erregend«, meint Barbara Ehrenreich in Blutrituale. Und weiter: »Allein die Farbe erinnert an gewalttätige Handlungen wie Schneiden oder Durchbohren und lässt den Zuschauer gewahr werden, dass sich unter der Haut alle Lebewesen erschreckend ähnlich sind.« (107)
Über die damit verbundenen Tier- und Menschenopfer schreibt Rudolf Passian in seinem Buch Licht und Schatten der Esoterik: »Das sogenannte Tieropfer diente und dient noch immer als nekromantisches Mittel zur Toten- und Dämonenbeschwörung sowie zur Erlangung magischer Kräfte und Wirkungen. Die Verbrennung bestimmter Teile des Opfertieres, die Verdampfung des Blutes und der Genuss des Fleisches unter Einhaltung spezieller Zeremonien bezweckt die Bannung der Tierseele und ihre Dienstbarmachung.«
Und: »Das bei der Fleisch– und Blutverbrennung entstehende Öd als Kraftfeldverstärkung diente (und dient noch) niederen jenseitigen Wesenheiten zu ihrer Manifestion. Mit derart üblen Mitteln können nach dem Anziehungsgesetz des Ähnlichen freilich nur Verstorbene aus den untersten und erdnächsten Astralbereichen sowie Dämonen erreicht werden, eventuell auch Naturgeister einer gewissen Sorte.« (108)
Zur Blutmagie gehören zudem die Teufelsverschreibungen, bei denen Menschen sich mit ihrem eigenen Blut dem Satan verschreiben. Die teilweise in satanistischen Logen, Orden und Kulten durchgeführten »Blutsbruderschaften« sollen künstlich eine seelische, eine energetisch-astrale Verwandtschaft schaffen, die eine magische Verkuppelung der Astralleiber bewirken soll. Diese Verkettung dient auch als Fessel, die geistig bestehen bleibt.
Richard Cavendish beschreibt die Vorgehensweise eines Magiers, der beispielsweise dem Planeten Mars zugeordnete destruktive Energien auf einen Feind richten will: »Alles, was der Intensivierung dieses Bildes dienen könnte, wird dabei verwendet: Gesten und Tänze, berauschende Getränke, Drogen und Sex (…) Er gaukelt sich phantastische Bilder von Blut und Peinigung, von Wut, Verderben und Qual vor. Wenn er sehr gründlich ist, bleibt es nicht bei solchen Bildern, sondern das Ritual erweitert sich zu tatsächlichem Blutvergießen, zum Quälen eines Tiers oder zur Folterung eines Menschen.«
Und: »Er setzt alle in ihm schlummernden Hassgefühle und gewalttätigen Impulse frei, und die Zeremonie steigert sich zu solcher Wildheit, dass die zerstörerische Kraft vom ganzen Wesen des Magiers Besitz ergreift. Er selbst wird zu dieser Kraft, beherrscht sie durch seinen Willen und schleudert sie gegen das Opfer. Der Magier glaubt, dass diese Zeremonie, wenn sie richtig ausgeführt wird, schreckliche Wirkungen auf das Opfer haben muss.« (109)
Der Verwendung von Blut für schwarzmagische Zwecke, auch dem magischen Gebrauch des Menstruationsblutes, werden reale Wirkungen zugeschrieben.
In den »Einweihungsritualen« (III. Grad-Ritual) eines neo-satanistischen Ordens (Name bekannt/GG) soll es ein »Bluttrinken« geben, ähnlich wie in einem bestimmten freimaurerischen Hochgrad, das dort, zumindest bis 1932 ausgeübt wurde. Dazu ritzten sich die Freimaurer in den Daumen und spendeten ein paar Tropfen Blut, das wiederum in einen Kelch kam. In einer Kristallflasche wurde das »Bruderblut« mit Wein vermischt. Auch in dem erwähnten neosatanistischen Orden soll der Aufzunehmende aus einem Kelch mit Blut und Laudanum trinken. In einem anderen Ritual (zwischen dem IV. und V. Grad) lässt der Kandidat ein paar Blutstropfen auf ein Tuch träufeln. Im VI. Grad sticht man ihm ein Andreaskreuz in den Arm, um das Blut in einem Kelche aufzufangen. (109/1)
Die »Blutrituale« der Thelemiten nach Aleister Crowley sehen folgendermaßen aus: In der sogenannten »Messe des Phönix« schneidet man sich mit einem Ritualdolch ein magisches Zeichen in die Brust. Danach presst man sich den »Lichtkuchen« (eine Hostie, bestehend aus Sperma, Vaginalsekreten und Menstruationsblut, hergestellt nach einem sexualmagischen Rezept (109/2)), um das Blut aufzusaugen, und isst diesen. (109/3)
An dieser Stelle sei erwähnt, das französische Satanisten zudem zwischen Schwarzer und »Roter Magie« unterscheiden sowie zwischen Schwarzer und »Roter Messe«, »wobei das Besondere der ‚roten Magie‘ das Blutopfer ist«, schreibt Frater Cornelis in Blutmessen und Satanismus. Und weiter: »Die Rote Messe ist ein Ritual, das mit Hilfe von Blutopfern eine direkte Verbindung zu den Herren des Todes herstellen soll. Sexualmagische Aspekte fehlen bei dieser Zeremonie völlig. Die Rote Messe entstammt der Praxis der ‚Zeugen Lucifers‘ und ist ein Gemeinschaftsritual par excellence.« (110)
Der »magische Blutglaube« besitzt nach wie vor eine unfassbare Dimension in verschiedenen Teilen der Welt.
In einem Bericht des UN-Menschenrechtskommissars im August 2017, in dem beispielsweise die Gräueltaten von Kindersoldaten (Jungen und Mädchen von sieben bis 13 Jahren) der Rebellengruppe Kamuina Nsapu in der Republik Kongo aufgeführt werden, steht weiter zu lesen:
»Zeugen berichteten, dass die Mädchen das Blut der Opfer trinken als Teil eines magischen Rituals, das die Gruppe unbesiegbar machen soll.«
Dieser Aberglaube trage dazu bei, dass eine nur schwach ausgerüstete Miliz mehr als ein Jahr lang der Offensive der Armee habe widerstehen können. (110/1)
Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de
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