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„Etwas Uner­war­tetes ist pas­siert“ – UNO senkt still­schweigend Bevölkerungsprognosen

Seit Jahr­zehnten wird uns gesagt, dass das größte Problem der Welt die Über­be­völ­kerung ist. Von Malthus im 18. Jahr­hundert bis hin zu „The Popu­lation Bomb“ in den 1960er Jahren waren die War­nungen düster:

Mehr Men­schen würden mehr Hun­gersnöte, mehr Armut und mehr Umwelt­zer­störung bedeuten. Aber dann geschah etwas Unerwartetes.

Die demo­gra­fi­schen Zahlen haben sich geändert. Und die Ver­einten Nationen (UNO), die weltweit meist­zi­tierte Auto­rität für Bevöl­ke­rungs­pro­gnosen, haben dies zur Kenntnis genommen.

Bis vor kurzem sagten ihre Modelle voraus, dass die Welt­be­völ­kerung im Laufe des 21. Jahr­hun­derts weiter wachsen und bis zum Jahr 2100 einen Höchst­stand von fast 11 Mil­li­arden erreichen würde.

In ihren Revi­sionen für 2022 und 2024 hat die UNO jedoch still­schweigend ihre Pro­gnosen für die Welt­be­völ­kerung gesenkt. Die jüngste Schätzung geht von einem Höchst­stand von nur 10,3 Mil­li­arden Men­schen aus, der fast zwei Jahr­zehnte früher, nämlich um 2084, erreicht werden soll. (Vgl. UN Popu­lation Division)

Das mag immer noch nach einer großen Zahl klingen. Aber es ist eine deut­liche Abkehr von den Annahmen des „end­losen Wachstums“, an denen sich viele Poli­tiker, Inves­toren und Insti­tu­tionen bei ihren Ent­schei­dungen noch immer orientieren.

Die eigent­liche Nach­richt ist nicht nur, dass die UNO weniger Men­schen pro­gnos­ti­ziert. Viele Demo­grafen glauben sogar, dass selbst diese Zahlen noch zu hoch sind. („Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, es gibt einen Plan zur Redu­zierung der Welt­be­völ­kerung“ (Video))

Ein­bruch der Geburtenrate

Die Ver­schiebung der Pro­gnosen ist nicht darauf zurück­zu­führen, dass die Men­schen schneller sterben. Tat­sächlich steigt die Lebens­er­wartung in den meisten Teilen der Welt weiter an, wenn auch nur moderat.

Die große Ver­än­derung besteht darin, dass die Men­schen weniger Kinder bekommen – viel weniger.

Um 1970 lag die welt­weite Fer­ti­li­tätsrate (die durch­schnitt­liche Anzahl der Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommt) bei etwa fünf Kindern pro Frau.

Heute ist sie auf 2,25 gesunken und weiter rück­läufig. In fast 70 % der Länder weltweit liegt die Gebur­tenrate bereits unter der soge­nannten „Ersatzrate“ – dem Niveau, das für eine stabile Bevöl­ke­rungszahl erfor­derlich ist.

In den Indus­trie­ländern liegt diese in der Regel bei etwa 2,1 Kindern pro Frau. In Ländern mit höherer Sterb­lichkeit ist sie etwas höher.

Dieser welt­weite Rückgang der Gebur­tenrate ist schneller ein­ge­treten, als die meisten Experten erwartet hatten. Aus diesem Grund hat die UNO ihre Modelle in den letzten fünf Jahren zweimal überarbeitet.

Aber nicht alle sind der Meinung, dass die UNO weit genug gegangen ist.

In den letzten zehn Jahren haben mehrere unab­hängige For­scher­teams alter­native Bevöl­ke­rungs­pro­gnosen ent­wi­ckelt. Die meisten davon zeigen, dass die Gebur­tenrate schneller sinken wird als von den Ver­einten Nationen prognostiziert.

Ein Team des Institute for Health Metrics and Eva­luation (IHME) der Uni­versity of Washington erregte bei­spiels­weise 2020 große Auf­merk­samkeit, als es pro­gnos­ti­zierte, dass die Welt­be­völ­kerung um das Jahr 2064 mit etwas mehr als 9 Mil­li­arden Men­schen ihren Höchst­stand erreichen und bis 2100 auf etwa 8,8 Mil­li­arden zurück­gehen werde.

Wolfgang Lutz, einer der weltweit renom­mier­testen Demo­grafen, hat eben­falls Pro­gnosen ver­öf­fent­licht, die einen nied­ri­geren und frü­heren Bevöl­ke­rungs­höchst­stand zeigen.

Die Gruppe um Lutz am Witt­gen­stein Centre for Demo­graphy and Global Human Capital stützt ihre Modelle auf Bil­dungs- und Urba­ni­sie­rungs­trends, die eng mit dem Fer­ti­li­täts­ver­halten ver­bunden sind.

In einer Analyse von Umfragen unter mehr als einer Million Frauen in Sub­sahara-Afrika aus dem Jahr 2024 kamen Lutz und seine Co-Autoren zu dem Schluss, dass die Gebur­ten­raten dort schneller als erwartet sinken, ins­be­sondere auf­grund der Ver­bes­serung der Bildung von Frauen.

In ihrem 2019 erschie­nenen Buch „Empty Planet“ haben die kana­di­schen Jour­na­listen Darrell Bricker und John Ibbitson die Argu­mente für die Wahr­schein­lichkeit der nied­ri­geren Pro­gnosen zusammengefasst.

Obwohl sie keine aka­de­mi­schen Demo­grafen sind, führten sie in etwa einem Dutzend Ländern umfang­reiche Inter­views und Fokus­gruppen durch und befragten Frauen zu ihren Gedanken über Familie und Kinderwunsch.

Sie kamen zu dem Schluss, dass der Gebur­ten­rückgang ebenso kul­tu­relle wie wirt­schaft­liche Ursachen hat und dass die kul­tu­rellen Fak­toren die Gebur­ten­raten stärker und schneller als in der Ver­gan­genheit sinken lassen werden.

„Vor­her­sagen sind schwierig – ins­be­sondere über die Zukunft.“

So sagte der berühmte ame­ri­ka­nische Phi­losoph Yogi Beara. Daher ver­wenden alle Modelle pro­ba­bi­lis­tische Varia­tionen, die eine Vielzahl mög­licher Zukunfts­sze­narien berücksichtigen.

Während bei­spiels­weise die mittlere Pro­gnose der Ver­einten Nationen einen Höchst­stand von 10,3 Mil­li­arden im Jahr 2084 vor­sieht, beinhaltet ihr Modell auch ein Sze­nario mit nied­riger Fer­ti­lität, bei dem die Bevöl­kerung um 2060 mit 9,5 Mil­li­arden ihren Höchst­stand erreicht und danach wieder zurückgeht. Dieser nied­rigere Verlauf ent­spricht eher den aka­de­mi­schen Prognosen.

Alles dreht sich um Afrika

In Ländern, in denen fast drei Viertel der Welt­be­völ­kerung leben, ist die Gebur­tenrate bereits auf oder unter das Repro­duk­ti­ons­niveau gesunken. In wei­teren 15 % liegt die Rate nur knapp über dem Repro­duk­ti­ons­niveau und sinkt rapide.

Aller­dings gibt es etwa zwei Dutzend Länder in Sub­sahara-Afrika und Teilen Süd­west­asiens, in denen die Rate immer noch sehr hoch ist. Obwohl diese Länder nur etwa 11 % der Welt­be­völ­kerung aus­machen, werden sie fast das gesamte Bevöl­ke­rungs­wachstum zwi­schen heute und dem Zeit­punkt des Bevöl­ke­rungs­höchst­standes ausmachen.

Die gemein­samen Nenner der Länder, in denen die Gebur­ten­raten hoch geblieben sind, sind eine Mischung aus reli­giösem Fun­da­men­ta­lismus (ins­be­sondere fun­da­men­ta­lis­ti­schem Islam), begrenzter inter­na­tio­naler Ein­bindung und schwacher staat­licher Kapazitäten.

Dennoch sinkt die Gebur­tenrate in diesen Ländern, wenn auch in unter­schied­lichem Ausmaß. Die Debatte über die Ent­wicklung der Welt­be­völ­kerung dreht sich haupt­sächlich darum, wie schnell und in welchem Umfang diese Länder dem gleichen Gebur­ten­rückgang folgen werden, den der Rest der Welt in den letzten 50 Jahren erlebt hat.

Warum das wichtig ist

Die Bevöl­ke­rungs­pro­gnosen, auf die wir uns stützen, beein­flussen alles, von der Stadt­planung bis zur Finan­zierung der Renten. Sie fließen in die Ein­wan­de­rungs­po­litik, den Schulbau, die Rekru­tierung von Sol­daten und die Annahmen zum lang­fris­tigen Wirt­schafts­wachstum ein.

Wenn diese Pro­gnosen um eine Mil­liarde Men­schen oder um zwei Jahr­zehnte daneben liegen, ist das nicht nur ein Run­dungs­fehler. Es ist eine grund­le­gende Ver­än­derung der mathe­ma­ti­schen Berech­nungen für die Zukunft.

Die meisten Insti­tu­tionen arbeiten jedoch wei­terhin im Auto­pilot-Modus und gehen davon aus, dass eine wach­sende Bevöl­kerung – mit mehr Arbeit­nehmern, Ver­brau­chern und Steu­er­zahlern – eine natür­liche Ordnung ist, die auf unbe­stimmte Zeit Bestand haben wird.

Die Daten zeigen jedoch ein­deutig, dass diese Ära sich rasch dem Ende zuneigt und das Zeit­alter des Bevöl­ke­rungs­wachstums zu Ende geht. In einigen Regionen ist dies sogar bereits der Fall.

In den letzten drei Jahren hat China einen Rückgang seiner Bevöl­kerung gemeldet. Was nun folgt und wie wir darauf reagieren, ist eine der wich­tigsten und am wenigsten ver­stan­denen Geschichten unserer Zeit.

Quellen: PublicDomain/legitim.ch am 30.06.2025

Der Artikel erschien zuerst bei Pravda-tv.com.
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