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»SPI­RI­TUELLE NAHRUNG« – Pädo­kri­mi­na­lität in der »Hei­lig­keits­kirche der Christian Alliance«


Sexu­eller Miss­brauch im Namen Gottes – der Fall Wilbert Thomas Sr. zeigt, wie reli­giöser Fana­tismus in Per­version umschlagen kann. Der selbst­er­nannte Pre­diger und Gründer der „Hei­lig­keits­kirche der Christian Alliance“ miss­brauchte über Jahre Frauen und Mädchen, während ihm gläubige Anhän­ge­rinnen dabei halfen. Iso­lation, Indok­tri­nation und patri­ar­chale Macht­struk­turen schufen ein System, in dem Miss­brauch zum „Glau­bensakt“ wurde. Ein erschüt­terndes Bei­spiel, wie Religion zur Waffe werden kann – gegen die Schwächsten.


Ein wei­teres Bei­spiel für Kin­des­miss­brauch in Sekten ist laut Stephen A. Kent (Doktor der Phi­lo­sophie, Pro­fessor für Sozio­logie an der Uni­versity of Alberta, lehrt Bachelor- und Mas­ter­kurse in Reli­gi­ons­so­zio­logie und Sozio­logie sek­tie­re­ri­scher Gruppen), Wilbert Thomas Sr. und die Hei­lig­keits­kirche der Christian Alliance.

»Der afro­ame­ri­ka­ni­schen Pre­diger nutzte religiös ver­hüllten Patri­ar­cha­lismus und seine pas­torale Position, um seine weib­lichen Gemein­de­mit­glieder, dar­unter auch Mädchen im Teen­ager­alter, sexuell aus­zu­beuten. 1983 klagte die Staats­an­walt­schaft von Mercer County in New Jersey Reverend (manchmal auch Bischof genannt) Wilbert Thomas Sr. unter anderem wegen erschwerter und grau­samer Kör­per­ver­letzung an (Ankla­ge­schrift, in Pas­ternack & Torok, 1983). Neben dem Pre­digen von Ras­senhass, das die Mit­glieder auf­for­derte, sich gegen Weiße zu bewaffnen, ent­hielten Thomas‘ Got­tes­dienste viele Kom­mentare zu sexu­ellen Themen (dar­unter laut einem ehe­ma­ligen Mit­glied, wie‚ ‘die Frauen der Ver­sammlung [sollen] ihre Hüften wiegen, wenn sie gehen, damit sie ver­füh­re­ri­scher sind‘ [Hoffman, 1983, S. 4B]).«

Nach­folgend Stephen A. Kents (gekürzte) äußerst bri­santen Zusam­men­fas­sungen, die ich an dieser Stelle nicht nur für das All­ge­mein­wissen des inter­es­sierten Lesers, sondern auch zu »wis­sen­schaft­lichen Zwecken« sowie einer »jour­na­lis­ti­schen Analyse« wie­der­geben möchte:

Mitte der 1970er Jahre drängte Thomas offenbar Frauen, ihm »spi­ri­tuelle Nahrung« zu geben, was (in der Sprache der Gruppe) Sex bedeutete. Darüber hinaus behan­delte er einige Mit­glieder »wie Sklaven«, arbeitete täglich bis zu 18 Stunden in kirch­lichen Betrieben mit Gemein­de­mit­gliedern und setzte Männer und Frauen schweren Schlägen aus (manchmal von einer internen Gruppe von Frauen, die als »Schwes­tern­schaft« bekannt ist. {Hoffman, 1983; Meyer, 1985; Pas­ternack & Torok, 1983]). Während des Pro­zesses von 1985 sagte eine Frau aus, dass die Ehefrau des Ministers, Bertha, sie eben­falls sexuell miss­braucht habe (Meyer, 1985; Phil­adelphia Daily News, 1985). Für seine Rolle bei den Ver­brechen erhielt Reverend Thomas eine 20-jährige Haft­strafe und seine Frau ein Jahr auf Bewährung wegen Unzucht (Siegel, 1986). Als er jedoch im Gefängnis war, begannen die doku­men­tierten Fälle von Thomas’ sexu­ellem Miss­brauch von Mädchen im Teen­ager­alter, als er das Gefäng­nis­te­lefon benutzte, um sexuelle Begeg­nungen mit Min­der­jäh­rigen zu insze­nieren. Auch nachdem Thomas hinter Gittern saß, blieb sein ein­zig­ar­tiges, aber geheimes Pro­gramm der Sexu­al­auf­klärung bestehen, das von einigen seiner Anhänger wei­ter­ge­führt wurde.

Weiter: In einem Fall orches­trierte Thomas eine les­bische Begegnung mit einer Zehnt­kläss­lerin (die er tele­fo­nisch leitete [Haferd & Outlaw, 1993, S. 8–9]); und eine andere junge Frau berichtete, dass, als sie ungefähr dreizehn war, eine Frau in der Kirche mit einem aggres­siven Angebot an sie her­antrat, ihr bei­zu­bringen, »wie man eine Dame ist« (in Haferd & Outlaw, 1993, S. 9). Das Mädchen wusste von anderen, dass die Lehren sexu­eller Natur waren und Berüh­rungen beinhal­teten, also lehnte sie das Angebot ab, nur um im nächsten Jahr von der­selben Frau »unter­richtet« und ange­griffen zu werden (Haferd & Outlaw, 1993, S. 9). 

In einem wei­teren Fall leitete Thomas eine sexuelle Begegnung zwi­schen Schwestern, von denen eine in der elften Klasse war (Haferd & Outlaw, 1993, S. 9–10). Als ein Jugend­ar­beiter der Kirche Thomas im Gefängnis besuchte, gab er ihr Anwei­sungen, »einige der jüngsten Mädchen [der Orga­ni­sation] – unter 11 Jahrenauf die sexuelle Initiation vor­zu­be­reiten« (Haferd & Outlaw, 1993, S. 14). (Thomas und die besu­chenden Frauen fanden auch einen Weg, wie sie ihm »spi­ri­tuelle Nahrung« geben konnten, während sie mit ihm »in einem großen Gefäng­nis­auf­nah­meraum mit Dut­zenden anderer Gefan­ge­nen­fa­milien und Wärtern her­um­standen.«. Frauen »saßen sich in gewisser Weise gegenüber und hielten Aus­schau nach den sich bewe­genden Kameras«, während Thomas eine von ihnen strei­chelte [Tikiba Kwalume, in Haferd & Outlaw, 1993, S. 14]).

Und: Der Fall Wilbert Thomas gehört zu den dra­ma­ti­scheren Fällen von erwach­senen weib­lichen Anhängern, die die sexu­ellen Abwei­chungen eines männ­lichen Pre­digers gegenüber jungen Mädchen erleichtern. (Das all­ge­meine Sze­nario jedoch, dass ältere Frauen [sogar Mütter] sexu­ellen Miss­brauch gegen jüngere Frauen erleichtern, ist aus der Lite­ratur über sexu­ellen Miss­brauch von Kindern bekannt [siehe Matthews, 1993, S. 70–71].)

Bei­spiele für diese »männ­lichen Zwangs-Straf­täter« (Matthews, 1993, S. 71) weisen auf die enorme Macht hin, die die patri­ar­cha­lische Religion über manche Men­schen ausübt, und sie zeigen, wie miss­bräuch­liche Systeme des reli­giösen Patri­ar­chats Frauen dazu bringen können, aktive Teil­nehmer zu werden. 

Im Fall der Anhänger von Thomas, die ihm sexuelle Begeg­nungen ermög­lichten, wurden sie jah­relang »von der Außenwelt iso­liert und mit dem Glauben indok­tri­niert, dass ihre einzige Hoffnung auf Rettung in der totalen Unter­werfung unter die Kon­trolle liege« vom Pre­diger selbst (Haferd & Outlaw, 1993, S. 6). Unter diesen Umständen ist es bemer­kens­werter als die Tat­sache, dass viele Frauen seine Abwei­chung ermög­lichten, dass jedes seiner Opfer seiner mani­pu­la­tiven Kon­trolle ent­kommen und sich dagegen aus­sprechen konnte.

Iso­lation von der Außenwelt, Indok­tri­nation mit der ent­spre­chenden »Glau­bens­lehre«, totale Unter­werfung unter die Kon­trolle des »Meisters«  – all das finden wir auch in sata­nis­ti­schen Kulten, Logen und Orden.

Kent: Die patri­ar­cha­lische Fami­li­en­struktur sichert den Vätern immense Macht über ihre Frauen und Kinder. Tra­di­tionell umfassen diese Befug­nisse ein unein­ge­schränktes Recht auf kör­per­liche Kon­trolle, unein­ge­schränkte sexuelle Rechte gegenüber Ehe­frauen (daher hat Ver­ge­wal­tigung keine recht­liche Bedeutung in der Ehe) und umfas­sende sexuelle Rechte an Kindern (…)

Das einzige sexuelle Recht an ihren Kindern, das Väter nicht haben, in jeder Gesell­schaft, ist die des per­sön­lichen Gebrauchs. Aber ange­sichts all seiner anderen Befug­nisse kann sich ein Vater leicht dafür ent­scheiden, seine Vor­rechte auf die sexuelle Initiation seiner Kinder aus­zu­dehnen. (Herman mit Hirschman, 1981, S. 54) (…) 

Tat­sächlich gibt es viele Fälle, in denen Frauen genau den Patri­ar­cha­lismus fördern, der sie in vie­lerlei Hin­sicht belastet. Hier waren zum Bei­spiel Frauen, die an zahl­reichen Fällen von Kin­des­miss­brauch beteiligt waren, dies aber taten, weil sie »mit jemandem zusammen waren, der ihnen ein sehr mäch­tiger männ­licher Täter zu sein schien« (Wolfers, 1993, S. 94). ). Dieser »Jemand« war jedoch eher der Gemein­de­vor­steher als ein Ehemann oder Partner. 

Inmitten der sehr realen Androhung kör­per­licher Bestrafung als Reaktion auf Unei­nigkeit oder Unge­horsam »kann die Betei­ligung an sexu­ellem Miss­brauch von Kindern ein Versuch gewesen sein, von einigen Frauen in macht­losen Situa­tionen die Kon­trolle zu erlangen« (Wolfers, 1993, S. 94).

Quelle:  Vgl. Stephen A. Kent, Uni­versity of Alberta, Edmonton: »Reli­gious Jus­ti­fi­ca­tions for Child Sexual Abuse in Cults and Alter­native Reli­gions« in: Inter­na­tional Journal of Cultic Studies Vol.3, 2012, 49–74 (https://www.icsahome.com/articles/religious-justifications-for-child-sexual-abuse-in-cults-kent-ijcs-2012)/Zugriff: 03.01.22

Der Artikel erschien zuerst bei GuidoGrandt.de.

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