Mit »2075 – Wenn Schönheit zum Verbrechen wird« legt Rainer Zitelmann seinen Debütroman vor. (Von Peter Backfisch)
Mit »2075 – Wenn Schönheit zum Verbrechen wird« legt Rainer Zitelmann seinen Debütroman vor. Bekannt war der Historiker bisher mit dutzenden Sachbüchern zur Geschichte, erfolgreichem Unternehmertum, Reichtum und Armut und Gesellschaftspolitik. Die Handlung seines fesselnden Romans legt er ins Jahr 2075; abgesehen von mehrmaligen Ausflügen in den erdnahen Weltraum und Beschreibungen von menschlichen Ansiedlungen auf dem Mars könnte die Handlung des Romans auch im Jahre 2026 spielen. Verbreiteten tyrannischen Gleichheitswahn haben wir alle aktuell und in der Vergangenheit bereits erlebt.
Im Roman wendet sich eine radikale Gleichheitsbewegung »MOJ«, die die Anhänger »Movement für optical Justice – MOVE« nennen, gegen die ungleiche Verteilung von Schönheit, wobei der Fokus dabei in erster Linie auf Frauen gelegt ist. Diese genießen unverdiente Privilegien im Berufs- und Privatleben, was nicht nur für ungerecht gehalten wird, sondern auch die Spaltung der Gesellschaft befördert. Dies gilt es zu ändern. Ganz im Stile der uns heute bekannten linksgrünen Kampfgruppen versucht MOVE zu Anfang, ihr ideologisches Gleichheitsideal im Gemeinwesen, am Arbeitsplatz und an der Universität durch Eingrenzen der Diskussionsräume zu beherrschen, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Die Triebkraft ist dabei ein von Neid geprägtes Gesellschafts- und Menschenbild – Neid nicht nur auf bessere Chancen der Schönen im Leben, sondern gleich auf alle, die im Leben erfolgreich sind. An der Losung »Schieß die Reichen auf den Mond – und da sollen sie auch bleiben« oder »Die optische Ungleichheit kann nur mit der Beseitigung des Kapitalismus überwunden werden« zeigen sich linke Wesensverwandtschaften zu heute.
Die Studentin Alexa, die Angst um ihre 15-jährige Schwester Alivia hat, und der Journalist Riven, Zitelmanns Helden, leisten Widerstand gegen die fortschreitende Etablierung einer Diktatur. Alexa gibt vor, mit MOVE zu sympathisieren, um mehr über deren Aktionen zu erfahren, und Riven arbeitet an einem Buch über den fortschreitenden Gleichheitswahn. Nachdem die Bewegung ihnen auf die Schliche kommt, schreckt man – ganz im Stil der früheren Antifa – nicht vor einem Anschlag auf Gesundheit und Leben der beiden zurück.
Nachdem die Einschränkung der Meinungsäußerung nicht mehr ausreicht, versucht man mit politischer Einflussnahme über die neugegründete »Justice-Partei«, die gleich bei ihrem ersten Wahlauftritt, in dessen Mittelpunkt sie eine Neiddiskussion stellte, tatsächlich auf Anhieb den Wahlsieg erringt. Danach traten Veränderungen mit einem frappierenden Tempo ein: Das Programm von MOVE geht sofort in die Umsetzung. Höhere Steuern und Beförderungsverbote für schöne Frauen, genannt »Privileged Beauty«, sind der Beginn. Doch dabei bleibt es nicht. Schon ab dem Alter von 15 Jahren müssen Mädchen und Frauen, die zu 90 % dem vergangenen Schönheitsideal entsprechen, sich einem operativen Eingriff, der »Optical Optimization Therapy«, unterziehen. Ziel ist die Angleichung aller an einen akzeptablen Durchschnittswert. Für Alicia, die Schwester von Alexa, besteht nun allergrößte Gefahr, und Alexa muss sie bei Freunden in Sicherheit bringen.
Ausgenommen sind natürlich die Gleichheitsfanatiker selbst, die sich alle Freiheiten herausnehmen – wie es schon zu Beginn des Jahrhunderts die vorherrschende Haltung war. Überhaupt kehrt im gesellschaftlichen Treiben vieles wieder, was bereits 50 Jahre zuvor die Medien beherrschte: So werden in der Werbung demonstrativ stark übergewichtige Frauen und Models mit übergroßen Nasen und anderen Hässlichkeiten präsentiert, ganz so, wie wir es schon einmal hatten. Die Werbeagenturen sprechen dabei von einem neuen Trend: »Hässlich ist nicht, ich bin OK wie alle.«
Wenn auch die Radikalen der MOVE-Bewegung bis zum Äußersten gehen, bleibt der Widerstand von Alexa und Riven nicht ohne Erfolg. Mit Raffinesse gelingt es, die Verantwortlichen für den Anschlag auf sie zu enttarnen und zur Strecke zu bringen. In der Gesellschaft nimmt der Widerstand mehr und mehr zu – was ebenso beispielhaft für den heute herrschenden Wahnsinn zu sehen ist. Neben ihrem engagierten politischen Agieren dürfen die eingebauten Liebeswirren Alexas keineswegs fehlen.
Der Roman steht in der Tradition von »1984« und »Brave New World«, dennoch kann der Roman, abgesehen von den Beschreibungen menschlicher Aktivität auf dem Mond und dem Mars, nicht als Zukunftsroman gesehen werden – eher ist er eine Beschreibung von Milieus und Bewegungen unserer Zeit. Dafür gehört Zitelmann großer Respekt, und man kann ihm wünschen, dass er die Geschichte auf Leinwand bringt. Hat er ja auch schon gemacht.
2075 – Wenn Schönheit zum Verbrechen wird
Rainer Zitelmann
2025 Langen Müller Verlag GmbH
288 Seiten; € 22,00
Der Artikel erschien zuerst hier: freiewelt.net
























