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Die neue Fusion: Der Mensch unter der Herr­schaft des Trans­hu­ma­nismus — Es ist das neue säkulare Credo: Erlösung durch Technik

Während Poli­tiker über Alli­anzen und Grenzen dis­ku­tieren, planen Inge­nieure und Tech­no­kraten die Ver­schmelzung von Mensch und Maschine – eine Ver­än­derung, die das Wesen der Macht neu definiert.

Der neue Horizont der Zivilisation

Das 21. Jahr­hundert läutet mehr als nur eine tech­no­lo­gische Revo­lution ein: Es ver­ändert das Konzept des Mensch­seins. Der Trans­hu­ma­nismus, einst eine aka­de­mische Kurio­sität, ist zum domi­nie­renden Zivi­li­sa­ti­ons­projekt geworden.

Während Poli­tiker über Alli­anzen und Grenzen dis­ku­tieren, planen Inge­nieure und Tech­no­kraten die Ver­schmelzung von Mensch und Maschine – eine Ver­än­derung, die das Wesen der Macht neu definiert.

Ray Kurzweil, Tech­ni­scher Direktor bei Google, pro­gnos­ti­ziert für 2045 das Ein­treten der “tech­no­lo­gi­schen Sin­gu­la­rität”, den Punkt, an dem künst­liche Intel­ligenz den mensch­lichen Intellekt über­treffen und beide zu einem ein­zigen System ver­schmelzen werden.

Larry Page und Mo Gawdat, Gründer und Vor­denker von Google, betrachten die Bio­logie als einen ver­al­teten Mecha­nismus, der durch KI opti­miert werden muss.

Mark Zuckerberg hin­gegen setzt auf das Meta­versum – einen Raum, in dem die Sin­nes­er­fahrung die reale Welt ersetzt und der Körper nur noch ein Hin­dernis zwi­schen dem Men­schen und seinem digi­talen Avatar ist.

Es ist das neue säkulare Credo: Erlösung durch Technik.

Die Stimmen der Kritik

Nicht alle akzep­tieren diese Ver­schmelzung als Fortschritt.

Joe Allen, Redakteur für Trans­hu­ma­nismus im War Room von Steve Bannon, prangert den Trans­hu­ma­nismus als “die spi­ri­tuelle Phase des tech­no­lo­gi­schen Tota­li­ta­rismus” an, eine erzwungene Ver­schmelzung von Mensch und Maschine, die von digi­talen Eliten auf­ge­zwungen wird.

Der Phi­losoph Ardian Tola warnt, dass „die Seele die letzte Bastion der Freiheit ist – und von Algo­rithmen kolo­ni­siert wird”. Diese Stimmen der Min­derheit reprä­sen­tieren das noch lebendige Bewusstsein, das sich dem Traum einer künst­lichen Menschheit widersetzt.

Die Genea­logie des Projekts

Der Trans­hu­ma­nismus ist ein direkter Erbe des Posi­ti­vismus und des mate­ria­lis­ti­schen Evo­lu­tio­nismus des 19. Jahr­hun­derts. Thomas Henry Huxley, Darwins “Bull­dogge”, und Herbert Spencer, Vater des “Sozi­al­dar­wi­nismus”, sahen den Men­schen als form­bares Produkt der Evo­lution und pre­digten seine wis­sen­schaft­liche Perfektionierung.

Julian Huxley prägte 1957 den Begriff Trans­hu­ma­nismus und beschrieb damit den Men­schen, der “sich selbst über­steigt”. Sein Bruder Aldous Huxley schil­derte in seinem Roman “Schöne neue Welt” die per­fekte, bio­lo­gisch kon­trol­lierte Gesell­schaft, die heute unter dem Deck­mantel der Inno­vation ver­wirk­licht wird.

Klaus Schwab, Gründer des Welt­wirt­schafts­forums, schreibt in Die vierte indus­trielle Revo­lution, dass “wir die Ver­schmelzung der phy­si­schen, digi­talen und bio­lo­gi­schen Welt erleben”.

Yuval Noah Harari ver­kündet in Homo Deus, dass “der Homo Sapiens seine his­to­rische Mission erfüllt hat” – und dass der nächste Schritt darin besteht, “den Homo Deus zu erschaffen”.

Beide stellen die tech­no­lo­gische Ver­schmelzung als unver­meidlich dar, behandeln sie jedoch als säkulare Erlösung: der Mensch, der sich nach seinem eigenen Bild neu erschafft.

Die unsichtbare Revolution

Die neue Revo­lution ist weder poli­ti­scher noch wirt­schaft­licher Natur. Sie ist onto­lo­gi­scher Natur.

Der Körper wird zur Plattform, der Geist zur Software, das Leben zu repli­zier­barem Code. Die Grenze zwi­schen natürlich und künstlich löst sich auf, und der Mensch wird im Labor neu programmiert.

Die Geo­po­litik – einst Zentrum der Zivi­li­sa­tionen – wird zweit­rangig, denn die Macht liegt nun in der Bio­tech­no­logie und der Digitaltechnik.

Die Mächte streiten nicht um Ter­ri­torien, sondern um das Eigentum am Bewusstsein. Die Kriege der Zukunft werden in neu­ro­nalen Netz­werken aus­ge­tragen, nicht auf Schlacht­feldern. Macht ist nicht mehr ter­ri­torial, sondern cyber­ne­tisch und kon­trol­liert Körper und Ver­halten durch die Sym­biose von Bio­logie und Algorithmus.

Das neue Dogma: der Mensch als Projekt

Der Trans­hu­ma­nismus nimmt die Form einer zivilen Religion an.

Es gibt keine Sünde mehr, nur noch Pro­gram­mier­fehler; es gibt keine Gnade mehr, nur noch Sys­tem­ak­tua­li­sie­rungen. Der Glaube wurde durch das Ver­trauen in die Maschine ersetzt, die Erlösung durch Effizienz.

Die alte Gnosis – die Befreiung des Geistes vom Fleisch – taucht unter dem Deck­mantel der Wis­sen­schaft wieder auf. Die Theo­logie wurde in Inge­nieurs­kunst umgewandelt.

Klaus Schwab schreibt: “Die vierte indus­trielle Revo­lution ver­ändert nicht nur, was wir tun, sondern auch, wer wir sind.” Für Trans­hu­ma­nisten ist das Fort­schritt. Für die­je­nigen, die an die Schöpfung glauben, ist es meta­phy­sische Rebellion.

Phi­lo­so­phische und theo­lo­gische Konsequenzen

Die christ­liche Phi­lo­sophie hat immer behauptet: “Die Gnade zer­stört die Natur nicht, sondern ver­voll­kommnet sie.” Der Trans­hu­ma­nismus kehrt diese Formel um: Er zer­stört die Natur, um sie zu ersetzen. Der nach dem Bild Gottes geschaffene Mensch wird als Labor­projekt neu defi­niert. Das Wesen ist nicht mehr ein Geschenk, sondern wird zu einem Produkt.

Die tho­mis­tische Tra­dition sieht darin den ulti­ma­tiven Bruch – die Leugnung der natür­lichen Ordnung als Aus­druck der gött­lichen Ver­nunft. Die Onto­logie des Seins wird durch die Logik der Simu­lation ersetzt. Die Seele, die das Lebens­prinzip ist, wird zu einer weg­werf­baren Metapher. Der Mensch, der ein Selbst­zweck ist, wird zum Instrument eines tota­li­tären tech­ni­schen Systems.

Wider­stand gegen die Verschmelzung

Der Trans­hu­ma­nismus ist der Höhe­punkt von fünf Jahr­hun­derten Ratio­na­lismus: Von Bacon und Des­cartes, die davon träumten, die Natur zu beherr­schen, bis hin zu Kurzweil und Musk, die davon träumen, die Schöpfung zu beherr­schen. Es ist der alte Mythos von Pro­me­theus – dem Mann, der den Göttern das Feuer stiehlt – getarnt als digi­taler Fortschritt.

Der einzig mög­liche Wider­stand ist spi­ri­tu­eller und meta­phy­si­scher Natur. Den Men­schen als Geschöpf und nicht als Produkt bekräf­tigen; die Technik wieder in den Dienst der Wahrheit und des Guten stellen und nicht in den Dienst der Sym­biose zwi­schen Macht und Maschine. Wenn der Mensch aufhört, eine Person zu sein, und zu einer Gege­benheit wird, wird es keine Revo­lu­tionen mehr geben – nur noch Aktualisierungen.

“Nicht der Mensch kon­trol­liert die Maschine, sondern die Maschine defi­niert den Men­schen neu.”

Anmer­kungen:

1. Ray Kurzweil, The Sin­gu­larity is Near, Viking, 2005.
2. Mo Gawdat, Scary Smart: The Future of Arti­ficial Intel­li­gence, Bluebird, 2021.
3. Mark Zuckerberg, Meta Connect Con­fe­rence Speech, 2021.
4. Joe Allen, Dark Aeon: Trans­hu­manism and the War Against Humanity, Sky­horse Publi­shing, 2023.
5. Ardian Tola, Tech­no­lo­gical Nihilism and the Human Question, Oxford Papers, 2022.
6. Herbert Spencer, The Prin­ciples of Biology, 1864; Thomas H. Huxley, Evo­lution and Ethics, 1893.
7. Julian Huxley, Neue Fla­schen für neuen Wein, 1957.
8. Klaus Schwab, Die vierte indus­trielle Revo­lution, Welt­wirt­schafts­forum, 2016.
9. Yuval Noah Harari, Homo Deus: Eine kurze Geschichte von morgen, Harvill Secker, 2016.
10. Klaus Schwab, Shaping the Future of the Fourth Indus­trial Revo­lution, 2018.

Ergän­zende Bibliografie:

Hans Jonas, Das Prinzip Ver­ant­wortung, Vozes, 2006.
Benedikt XVI., Spe Salvi, Libreria Editrice Vaticana, 2007.
Thomas von Aquin, Summa Theo­logica, I–II, q.109–q.113.
Eric Voe­gelin, Die poli­ti­schen Reli­gionen, É Rea­li­zações, 2012.
Joe Allen, Dark Aeon, Sky­horse Publi­shing, 2023.

Der Artikel erschien zuerst bei freiewelt.net.

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