Die Wurzeln der Poli­ti­schen Korrektheit

Dies ist das Tran­skript einer Rede von Bill Lind bei einer Ver­an­staltung von Accuracy in Aca­demia aus dem Jahr 2000. Auszüge von zahl­reichen Varia­tionen dieser auf­schluss­reichen Rede wurden unter anderem bei Wiki­mannia ver­öf­fent­licht. Ähn­lich­keiten mit den derzeit auch hier herr­schenden gesell­schafts­po­li­ti­schen Miss­ständen sind ver­mutlich alles andere als reiner Zufall.

  1. Februar 2000, Accuracy in Academia

Woher kommt das ganze Zeug, von dem Sie heute morgen gehört haben – der Opfer­fe­mi­nismus, die Schwu­len­be­wegung, die erfun­denen Sta­tis­tiken, die umge­schriebene Geschichte, die Lügen, die For­de­rungen und der ganze Rest – woher kommt das alles? Zum ersten Mal in unserer Geschichte müssen Ame­ri­kaner darauf achten, was sie sagen, worüber sie schreiben und was sie denken. Sie müssen sich davor hüten, das falsche Wort zu ver­wenden, ein Wort, das als belei­digend oder gefühllos oder ras­sis­tisch oder homophob gebrand­markt worden ist.

(von Bill Lind, Über­setzung©: Andreas Ungerer) 

Wir haben, besonders in diesem Jahr­hundert, andere Länder gesehen, in denen das der Fall gewesen ist. Und wir haben diese immer mit einer Mischung aus Mitleid und, um ehrlich zu sein, auch einiger Belus­tigung betrachtet, weil es uns merk­würdig vorkam, dass Men­schen es zulassen würden, in eine Situation zu geraten, in der sie auf die Ver­wendung von Worten achten müssten. Nun jedoch haben wir diese Situation im eigenen Land. Wir sehen sie vor­wiegend auf dem College Campus, aber sie breitet sich in der gesamten Gesell­schaft aus. Woher kommt das? Was ist das?

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Wir nennen es „Poli­tische Kor­rektheit“. Der Begriff schien aus einem Witz, gewis­ser­maßen aus einem Comic Strip zu stammen, und wir neigen immer noch dazu, ihn nicht ganz ernst zu nehmen. Tat­sächlich ist er tod­ernst. Es ist das größte Leiden unseres Jahr­hun­derts, das Leiden, das tat­sächlich zig Mil­lionen Tote in Europa, Russland, China und in der ganzen Welt gefordert hat. Es ist das Leiden der Ideo­logie. Poli­tische Kor­rektheit ist nicht lustig. Poli­tische Kor­rektheit todernst.

Bei einer ana­ly­ti­schen, his­to­ri­schen Betrachtung finden wir schnell heraus, um was genau es sich handelt. Poli­tische Kor­rektheit ist Kul­tur­mar­xismus. Es ist der von der Öko­nomie auf die Kultur über­tragene Mar­xismus – eine Bemühung, die nicht nur bis in die 1960er Jahre in die Hippie- und Frie­dens­be­wegung, sondern bis in den Ersten Welt­krieg zurück­reicht. Wenn wir die grund­le­genden Dogmen der Poli­ti­schen Kor­rektheit mit denen des klas­si­schen Mar­xismus ver­gleichen, werden die Par­al­lelen besonders auffällig.

Zunächst sind beides tota­litäre Ideo­logien. Die tota­litäre Natur der Poli­ti­schen Kor­rektheit offenbart sich nir­gends deut­licher als auf dem College Campus, von denen derzeit viele mit Efeu bedeckten Nord­koreas gleichen, wo die Stu­denten oder Fakul­täts­mit­glieder, die sich wagen, eine der von Gender-Femi­nisten, Akti­visten der Schwu­len­be­wegung, den ört­lichen schwarzen oder his­pano­ame­ri­ka­ni­schen Gruppen oder sonst irgend­einer gehei­ligten Gruppe von „Opfern“ gezo­genen Linien zu über­treten, um die die PK sich dreht, sich schon bald recht­lichen Pro­blemen aus­ge­setzt sehen. Innerhalb des engen Rechts­systems eines Col­leges sehen sie sich for­mellen Beschul­di­gungen und Strafen – einer gewissen Form von Will­kür­justitz – gegenüber. Dies ist ein kleiner Aus­blick auf die Zukunft, welche die Poli­tische Kor­rektheit für die ganze Nation anstrebt.

Tat­sächlich sind sämt­liche Ideo­logien tota­litär, weil die Essenz einer jeden Ideo­logie (ich möchte anmerken, dass richtig ver­stan­dener Kon­ser­va­tismus keine Ideo­logie ist) daraus besteht, gewisse, auf einer bestimmten Phi­lo­sophie beru­henden Thesen für wahr zu erklären – wie etwa, dass unsere gesamte Kul­tur­ge­schichte auf der Unter­drü­ckung der Frauen beruht. Weil die Rea­lität dem wider­spricht, muss die Rea­lität ver­boten werden. Es muss ver­boten werden, unsere geschicht­liche Rea­lität anzu­er­kennen. Die Men­schen müssen gezwungen werden, eine Lüge zu leben und da sich die Men­schen selbst­ver­ständlich weigern eine Lüge zu leben, natürlich ihre Ohren und Augen benutzen und sagen: „Moment mal. Das stimmt nicht. Ich sehe, dass das nicht wahr ist.“, muss die die Macht des Staates hinter der For­derung stehen, eine Lüge zu leben. Aus diesem Grund ent­steht aus jeder Ideo­logie aus­nahmslos ein tota­li­tärer Staat.

Zweitens benutzt der Kul­tur­mar­xismus der Poli­ti­schen Kor­rektheit, gleich dem wirt­schaft­lichen Mar­xismus, einen ein­zigen Faktor bei der geschicht­lichen Deutung. Der wirt­schaft­liche Mar­xismus sagt, dass die gesamte Geschichte vom Eigentum als Mittel zur Pro­duktion bestimmt ist. Der Kul­tur­mar­xismus oder die Poli­tische Kor­rektheit sagt, dass die gesamte Geschichte von Macht bestimmt ist, wobei Gruppen, die durch Begriffe wie Rasse, Geschlecht etc. defi­niert werden, Macht über andere Gruppen haben. Nichts anderes zählt. Alle Lite­ratur handelt, selbst­ver­ständlich nur hiervon. Alles in der Ver­gan­genheit hat sich aus­schließlich darum gedreht.

Drittens sind bestimmte Gruppen, wie im klas­si­schen öko­no­mi­schen Mar­xismus bspw. die Arbeiter und Bauern, a priori gut und andere Gruppen, wie bspw. das Bür­gertum und die Kapi­tal­eigner, böse. Im Kul­tur­mar­xismus sind bestimmte Gruppen die Guten: femi­nis­tische Frauen (nur femi­nis­tische Frauen, da nicht femi­nis­tische Frauen als nicht existent gelten), Schwarze, His­pano­ame­ri­kaner und Homo­se­xuelle. Diese Gruppen sind dazu bestimmt, „Opfer“ zu sein und sind des­wegen auto­ma­tisch die Guten, unab­hängig davon, was deren ein­zelne Mit­glieder tun. Ähnlich werden weiße Männer auto­ma­tisch als böse betrachtet, wobei sie zum Gegen­stück des Bür­gertums im öko­no­mi­schen Mar­xismus werden.

Viertens stützen sich sowohl der öko­no­mische als auch der Kul­tur­mar­xismus auf Ent­eignung. Als die klas­si­schen Mar­xisten, die Kom­mu­nisten, Länder wie Russland über­nahmen, haben sie das Bür­gertum ent­eignet und ihm seinen Besitz genommen. Ebenso finden bei der Über­nahme eines Uni­ver­si­täts­campus durch die Kul­tur­mar­xisten, bei­spiels­weise durch Quo­ten­re­ge­lungen, auch Ent­eig­nungen statt. Wenn einem gut qua­li­fi­zierten weißen Stu­denten der Zugang zu einem College zugunsten eines weniger qua­li­fi­zierten Schwarzen oder His­pano­ame­ri­kaners ver­weigert wird, wird der weiße Student quasi ent­eignet. Und tat­sächlich besteht die positive Dis­kri­mi­nierung in unserer gesamten heu­tigen Gesell­schaft aus einem Ent­eig­nungs­system. Unter­nehmen weißer Eigen­tümer erhalten einen Vertrag deshalb nicht, weil dieser Vertrag für ein Unter­nehmen reser­viert ist, dessen Eigen­tümer, sagen wir, His­pano­ame­ri­kaner oder Frauen sind. So wird die Ent­eignung für beide Formen des Mar­xismus zum Hauptinstrument.

Und schließlich wenden beide eine Methode der Analyse an, welche auto­ma­tisch die von ihnen gewünschten Ant­worten liefert. Für den klas­si­schen Mar­xisten ist es die mar­xis­tische Öko­nomie. Für den Kul­tur­mar­xisten ist es die Dekon­struktion. Die Dekon­struktion bemächtigt sich im Wesent­lichen aller Texte, ent­fernt sämt­liche Bedeutung aus ihnen und fügt die gewünschte Bedeutung ein. So finden wir bspw., dass sich bei Shake­speare alles um die Unter­drü­ckung von Frauen dreht oder die Bibel in Wirk­lichkeit von Rassen und sozialen Geschlechtern handelt. All diese Texte werden zu Wasser auf den Mühlen, was beweist, dass „sich die gesamte Geschichte um die Macht von Gruppen über andere dreht“. Die Par­al­lelen zwi­schen dem uns aus der ehe­ma­ligen Sowjet­union bekannten klas­si­schen Mar­xismus und dem heu­tigen als Poli­tische Kor­rektheit erschei­nenden Kul­tur­mar­xismus sind also offensichtlich.

Jedoch handelt es sich bei diesen Par­al­lelen nicht um Zufälle. Diese Par­al­lelen kommen nicht aus dem Nichts. Tat­sächlich ist die Geschichte der Poli­ti­schen Kor­rektheit viel älter, als viele, außerhalb einer kleinen Gruppe stu­dierter Aka­de­miker, sich bewusst sind. Und die Geschichte reicht, wie schon gesagt und wie so viele der Patho­logien, die unsere Gesell­schaft und tat­sächlich unsere Kultur zu Fall bringen, bis zum Ersten Welt­krieg zurück.

Die mar­xis­tische Theorie sagte, dass, wenn sich Europa all­gemein im Krieg befände (wie es im Jahr 1914 der Fall war), sich die Arbei­ter­klasse überall in Europa gegen ihre Regie­rungen – die bür­ger­lichen Regie­rungen – auf­lehnen würden, weil die Arbeiter über Grenzen hinweg unter­ein­ander mehr gemeinsam hatten als mit dem Bür­gertum und der herr­schenden Klasse ihres eigenen Landes. Nun, 1914 kam und es hat sich nicht ereignet. In ganz Europa eilten die Arbeiter zu ihren Fahnen und mar­schierten fröhlich gegen­ein­ander in den Krieg. Der Kaiser schüt­telte die Hände der Führer der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Partei in Deutschland und sagte, dass es nun keine Par­teien, sondern nur Deutsche gebe. Und das geschah in jedem euro­päi­schen Land. Also stimmte irgend­etwas nicht.

Die Mar­xisten wussten von vorn herein, dass es sich nicht um ihre Theorie handeln konnte. Im Jahr 1917 ereignete sich ein mar­xis­ti­scher Putsch in Russland, und es sah so aus, als ob die Theorie funk­tio­nierte, jedoch ver­sagte sie erneut. Sie ver­breitete sich nicht, und als unmit­telbar nach dem Krieg ver­sucht wurde sie mit dem Spar­ta­kus­auf­stand in Berlin, der Regierung von Béla Kun (eigentlich Béla Kohn / Anm. d. Übers.) in Ungarn und mit der Münchner Räte­re­publik zu ver­breiten, erhielt sie keine Unter­stützung durch die Arbeiter.

Also hatten die Mar­xisten ein Problem. Und zwei mar­xis­tische Theo­re­tiker machten sich daran es zu lösen: Antonio Gramsci in Italien und Georg Lukács in Ungarn. Gramsci sagte, dass die Arbeiter ihre wahren Klas­sen­in­ter­essen, wie sie vom Mar­xismus defi­niert waren, erst erkennen würden, wenn sie von der west­lichen Kultur und besonders von der christ­lichen Religion befreit würden – dass ihre Kultur sowie ihre Religion sie für die Inter­essen ihrer Klasse blind machten. Lukács, der als bril­lan­tester mar­xis­ti­scher Theo­re­tiker seit Marx selbst gegolten hat, sagte im Jahr 1919: „Wer rettet uns vor der west­lichen Zivi­li­sation?“ Auch sagte er, dass das größte Hin­dernis für die Erschaffung eines mar­xis­ti­schen Para­dieses die Kultur war: die west­liche Zivi­li­sation an sich.

Lukács erhält eine Gele­genheit, seine Ideen in die Tat umzu­setzen, weil er, als die im Innern gewachsene bol­sche­wis­tische Regierung von Béla Kun im Jahr 1919 ins Amt kommt, zum stell­ver­tre­tenden Kul­tur­kom­missar wird, und seine erste Amts­handlung darin bestand den Sexu­al­kun­de­un­ter­richt an unga­ri­schen Schulen ein­zu­führen. Das stellte sicher, dass die Arbeiter die Regierung Béla Kun nicht unter­stützen würden, weil die unga­rische Bevöl­kerung, sowohl Arbeiter als auch alle anderen, dies mit Ent­setzen zur Kenntnis nahm. Jedoch hat er schon damals eine Ver­bindung her­ge­stellt, die viele von uns heute immer noch erstaunt und als „Letztes“ in Betracht ziehen würden.

Im Jahr 1923 ent­stand in Deutschland eine Denk­fabrik, welche die Rolle übernahm, den öko­no­mi­schen Mar­xismus auf kul­tu­relle Zusam­men­hänge zu über­tragen, was die uns heute bekannte Poli­tische Kor­rektheit und besonders am Ende der 1930er Jahre die Basis hierfür erschaffen hat. Das geschah, weil Felix Weil, der sehr wohl­ha­bende Sohn eines deut­schen Mul­ti­mil­lionärs, Marxist geworden war und viel Geld zu ver­geben hatte. Weil er durch Armeen von Mar­xisten belästigt wird, finan­zierte er etwas, das sich die „Erste Mar­xis­tische Arbeits­woche“ nennt, und zu der er Lukács und viele der deut­schen Spit­zen­denker zusam­men­brachte, um die Unter­schiede im Mar­xismus auszuarbeiten.

Und er sagte: „Was wir benö­tigen, ist eine Denk­fabrik.“ Washington war damals voll von Denk­fa­briken, tat­sächlich hatten sie eine lange Tra­dition. Im Jahr 1923 stiftete er ein der „Frank­furter Uni­ver­sität“ ange­schlos­senes Institut, das ursprünglich unter dem Namen „Institut für Mar­xismus“ bekannt werden sollte. Aber die Men­schen hinter ihm hatten ent­schieden, dass es zu Beginn nicht vor­teilhaft sei, sich der­maßen offen mit Marx zu iden­ti­fi­zieren. Das Letzte, was sich die Poli­tische Kor­rektheit wünschte, war, von den Men­schen als eine Form des Mar­xismus erkannt zu werden.

Felix Weil war sich über seine Ziele völlig im Klaren. Im Jahr 1917 schrieb er an Martin Jay, den Autor eines grund­sätz­lichen Buches über die „Frank­furter Schule“, wie das Institut für Sozi­al­for­schung bald genannt wurde, in dem er schrieb: „Ich will, dass das Institut für seine Bei­träge zum Mar­xismus bekannt und mög­li­cher­weise berühmt wird.“ Nun, er hatte Erfolg. Der erste Direktor des Instituts, Carl Grunberg, ein öster­rei­chi­scher Ökonom, schloss seine Antrittsrede laut Martin Jay „mit der deut­lichen Erklärung seiner per­sön­lichen Loya­lität zum Mar­xismus als wis­sen­schaft­liche Methode.“ Der Mar­xismus, sagte er, sei das herr­schende und unver­än­der­liche Prinzip des Instituts.

Die ursprüng­liche Arbeit am Institut war eher kon­ven­tionell, jedoch erhielt es 1931 einen neuen Direktor namens Max Hork­heimer, und Hork­heimers Ansichten waren sehr unter­schiedlich. Vor allem war er ein abtrün­niger Marxist. Die Men­schen, welche die Frank­furter Schule auf­bauten und gestal­teten, waren abtrünnige Mar­xisten. Im Denken blieben sie sehr mar­xis­tisch, aber prak­tisch ver­ließen sie die Partei. Moskau sah, was sie taten und sagte: „Hey, das sind nicht wir, und wir heißen das nicht gut.“

Hork­heimers ursprüng­liche Häresie ent­stammte seinem Interesse an Freud, und der Schlüssel für die Über­setzung wirt­schaft­licher Aspekte des Mar­xismus in kul­tu­relle bestand in ihrer Kom­bi­nation mit dem Freu­dia­nismus. Wieder schrieb Martin Jay: „Wenn man so will, hat sich das Institut in seinen frühen Jahren haupt­sächlich der Analyse der sozio­öko­no­mi­schen Grund­struktur der bür­ger­lichen Gesell­schaft gewidmet“, – und ich hebe hervor, dass Jay der Frank­furter Schule sehr ver­bunden war, und lese hier nichts von Kritik – „während in den Jahren nach 1930 sein Interesse in erster Linie ihrem kul­tu­rellen Überbau gegolten hat.“

Tat­sächlich wurde die tra­di­tio­nelle mar­xis­tische Formel bezüglich der Beziehung dieser beiden Aspekte erst durch die „Kri­tische Theorie“ ins Spiel gebracht. Das ganze Zeug, von dem wir gehört haben – der radikale Femi­nismus, die Fach­be­reiche für Frau­en­studien, die Fach­be­reiche für Schwule, die Fach­be­reiche für Schwarze – all das sind Zweige der Kri­ti­schen Theorie. Der Begriff ist genial, denn er ver­leitet zu der Frage: „Wie lautet Theorie?“ Die Theorie besteht daraus, Kritik zu üben. Diese Theorie ist der Weg, die west­liche Kultur und die kapi­ta­lis­tische Ordnung zu Fall zu bringen, ohne Alter­na­tiven auf­zu­zeigen. Sie weigern sich aus­drücklich, das zu tun. Sie sagen, dass dies unmöglich sei, weil wir uns nicht vor­stellen können, wie eine freie Gesell­schaft aus­sehen würde (ihre Defi­nition einer freien Gesell­schaft). Solange wir in Unter­drü­ckung leben – die Unter­drü­ckung einer kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­ordnung, die (laut ihrer Theorie) die freud­schen Bedin­gungen ver­ur­sacht, jene Bedin­gungen, die Freud an unter­drückten Indi­viduen beschreibt – können wir uns nicht einmal vor­stellen. Worum es bei der Kri­ti­schen Theorie geht, ist schlicht, Kritik zu üben. Sie fordert die destruk­tivst mög­liche Kritik auf allen erdenk­lichen Wegen, um die derzeit bestehende Ordnung zu Fall zu bringen. Und tat­sächlich, wenn wir von den Femi­nis­tinnen hören, dass die ganze Gesell­schaft es auf die Frauen abge­sehen hat usw., handelt es sich bei dieser Art von Kritik um ein Derivat der Kri­ti­schen Theorie. Das alles stammt aus den 1930er und nicht aus den 1960er Jahren.

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Andere Schlüs­sel­fi­guren, die sich (der Frank­furter Schule / Anm. d. Übers.) zu jener Zeit ange­schlossen haben, sind Theodor Adorno sowie, am wich­tigsten, Erich Fromm und Herbert Marcuse. Fromm und Marcuse führten ein Element ein, das für die Poli­tische Kor­rektheit von zen­traler Bedeutung ist, und das ist das sexuelle Element. Und besonders Herbert Macuse for­derte in seinen Schriften eine Gesell­schaft der „poly­morphen Per­ver­sität“, was seine Defi­nition der von ihnen gewünschten künf­tigen Welt ist. Marcuse schreibt besonders während der 1930er Jahre ver­schie­dentlich sehr extremen Kram über die Not­wen­digkeit der sexu­ellen Befreiung, der sich jedoch durch das gesamte Institut zieht – so, wie es die meisten der Themen der Poli­ti­schen Kor­rektheit und wie­derum in den frühen 1930er Jahren tun. In Fromms Augen waren Männ­lichkeit und Weib­lichkeit kein Aus­druck „wesent­licher“ sexu­eller Unter­schiede, wie es die Roman­tiker sahen. Statt­dessen ent­stammten sie unter­schied­lichen Lebens­funk­tionen, die teil­weise gesell­schaftlich fest­gelegt waren. Sex ist ein Kon­strukt; sexuelle Unter­schiede sind ein Konstrukt.

Ein wei­teres Bei­spiel ist die Betonung des Umwelt­schutzes, die wir derzeit erleben. „Der Mate­ria­lismus hat seit Hobbes zu einer mani­pu­lativ domi­nie­renden Haltung gegenüber der Natur geführt.“ Das hat Hork­heimer 1933 in „Mate­ria­lismus und Moral“ geschrieben. „Das Thema der Beherr­schung der Natur durch den Men­schen wurde“, laut Jay, „in den fol­genden Jahren zu einem zen­tralen Anliegen der Frank­furter Schule.“ „Hork­heimers Unver­söhn­lichkeit mit der Feti­schi­sierung der Arbeit (an diesem Punkt weicht er offen­sichtlich von der mar­xis­ti­schen Doktrin ab) brachte eine andere Dimension seines Mate­ria­lismus zum Aus­druck, die For­derung nach mensch­lichen Sinnesfreuden.“

In einem seiner prä­gnan­testen Essays aus dem Jahr 1936, „Ego­ismus und die Frei­heits­be­wegung“, „erörtert er die Feind­schaft zu der, der bur­geoisen Kultur inne­woh­nenden, per­sön­lichen Genug­tuung“. Und er verwies besonders wohl­wollend auf den Mar­quise de Sade und dessen „Protest… gegen Askese im Namen einer höher ste­henden Moral“.

Wie kommt dieses ganze Zeug hier her? Wie strömt es in unsere Uni­ver­si­täten und tat­sächlich in unser heu­tiges Leben? Die Mit­glieder der Frank­furter Schule sind Mar­xisten, und sie sind auch Juden, aus­nahmslos. Im Jahr 1933 kamen die Nazis in Deutschland an die Macht und haben, wenig erstaunlich, das Institut für Sozi­al­for­schung geschlossen. Und seine Mit­glieder sind geflohen. Sie flohen nach New York City, und das Institut wurde dort mir Hilfe der Columbia Uni­versity wieder auf­gebaut. Und die Mit­glieder des Instituts haben während der 1930er Jahre, obwohl viele von ihnen ihre Texte wei­terhin auf deutsch ver­fassten, ihren Fokus von der Kri­ti­schen Theorie an der deut­schen Gesell­schaft, der destruk­tiven Theorie an allen Aspekten dieser Gesell­schaft, auf die Kri­tische Theorie an der ame­ri­ka­ni­schen Gesell­schaft gerichtet.

Es gab einen wei­teren sehr wich­tigen Wandel, als der Krieg begann. Einige von ihnen arbei­teten für die Regierung, ein­schließlich Herbert Marcuse, der eine Schlüs­sel­figur im OSS (dem Vor­gänger der CIA) geworden ist, und einige, ein­schließlich Hork­heimer und Adorno, zogen nach Hollywood.

Diese Ursprünge der Poli­ti­schen Kor­rektheit würden uns heute wahr­scheinlich kaum tan­gieren, bis auf zwei ihnen fol­gende Ereig­nisse: Das erste war die Stu­den­ten­re­volte in den 1960er Jahren, die weit­gehend vom Wider­stand gegen den Wehr­dienst und den Viet­nam­krieg ange­trieben war. Jedoch benö­tigten die stu­den­ti­schen Rebellen irgendeine Theorie. Sie konnten nicht einfach auf die Straße gehen und sagen: „Zur Hölle, nein, wir wollen nicht kämpfen!“, sondern sie brauchten eine theo­re­tische Erklärung hierfür. Nur sehr wenige unter ihnen hatten Interesse daran, sich durch „Das Kapital“ zu schleppen. Der klas­sische öko­no­mische Mar­xismus ist kein leichter Stoff, und die meisten der Radi­kalen in den 1960ern gingen nicht in die Tiefe. Zu ihrem Glück und zum Unglück für unser heu­tiges Land, nicht nur für seine Uni­ver­si­täten, ist Herbert Marcuse in Amerika geblieben, als die Frank­furter Schule nach dem Krieg wieder zurück nach Frankfurt ging. Und während Herr Adorno über die Stu­den­ten­re­volte in Deutschland ent­setzt gewesen ist, als sie dort aus­brach – als die rebel­lie­renden Stu­denten Adornos Lehrsaal betraten, rief er die Polizei, um sie fest­zu­nehmen – betrachtete Herbert Marcuse, der hier geblieben war, die Stu­den­ten­re­volte der 1960er als die große Chance. Er sah die Gele­genheit, die Arbeit der Frank­furter Schule zur theo­re­ti­schen Grundlage der Neuen Linken in den Ver­ei­nigten Staaten zu machen.

Eines von Mar­cuses Büchern war das Schlüs­selbuch. Es wurde quasi zur Bibel des SDS und der Stu­den­ten­re­bellen der 1960er Jahre. Dieses Buch trug den Titel „Eros and Civi­lization“ („Trieb­struktur und Gesell­schaft“). Marcuse behauptet, dass Repression die Essenz einer kapi­ta­lis­ti­schen Ordnung sei, welche uns zu einer Person führt, die Freud beschreibt – die auf­grund der Unter­drü­ckung ihrer sexu­ellen Instinkte mit all ihren Kom­plexen, den Neu­rosen, behaftete Person. Wir können uns eine Zukunft aus­malen, in der wir den Eros, die Libido, befreien, in der eine Welt „poly­morpher Per­ver­sität“ herrscht, in der Du „Dein eigenes Ding tun kannst“. Übrigens wird es in dieser Welt keine Arbeit mehr geben, sondern nur noch Spiel. Welch wun­der­volle Bot­schaft für die Radi­kalen in der Mitte der 1960er Jahre! Sie sind Stu­denten, sie sind Baby-Boomer, und sie sind auf­ge­wachsen, ohne sich jemals über irgend­etwas zu sorgen, außer schließlich, einer Arbeit nach­zu­gehen zu müssen. Und hier ist ein Typ, dessen Schreibstil sie mühelos folgen können. Er fordert sie nicht auf, viel über schwie­rigen Mar­xismus zu lesen und sagt ihnen alles, was sie hören wollen: „Mach Dein eigenes Ding“, „Wenn es sich gut anfühlt“ und „Du wirst niemals arbeiten müssen“. Übrigens hat Marcuse auch die Phrase „Make love, not war“ erfunden.

Zurück zur Situation, der sich Men­schen auf dem Campus gegen­über­sehen und die Marcuse mit dem Begriff der „befrei­enden Toleranz“ als Into­leranz gegenüber allem Rechten und Toleranz gegenüber allem Linken, defi­niert hat. Marcuse ist der Frank­furter Schule im Jahre 1932 bei­getreten. Das alles geht also auf die 1930er Jahre zurück.

Zusam­men­fassend befindet sich Amerika derzeit inmitten der größten und ver­häng­nis­vollsten Trans­for­mation seiner Geschichte. Wir werden zu einem ideo­lo­gi­schen Staat, zu einem Land, in dem eine offi­zielle Staats­doktrin durch die Staats­macht erzwungen wird. Es gibt nun Men­schen, die für poli­tische Ideen Frei­heits­strafen wegen „Hass-Ver­brechen“ absitzen. Und der Kon­gress ist dabei, diese Kate­gorie noch aus­zu­weiten. Positive Dis­kri­mi­nierung ist ein Teil davon. Der Terror gegen alle, die auf dem Campus von der Poli­ti­schen Kor­rektheit abweichen, ist Teil davon. Es ent­spricht genau dem, was wir in Russland, in Deutschland und in China gesehen haben, und nun kommt es hier her. Wir erkennen es nicht, weil wir es Poli­tische Kor­rektheit nennen und darüber lachen. Meine heutige Bot­schaft ist nicht lustig. Es ist hier und es wächst und es wird letztlich zer­stören, weil es danach trachtet, alles zu zer­stören, was wir jemals als unsere Freiheit und Kultur defi­niert haben.

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William S. Lind ist His­to­riker mit Master-Graden des Dart­mouth College sowie der Princeton Uni­versity. Er hat ver­schiedene Bücher ver­öf­fent­licht und ist einer der ersten Ver­treter der Theorie der Kriegs­führung der 4. Gene­ration. Er gilt, unge­achtet seiner zutref­fenden Vor­her­sagen über die zuneh­mende Indok­tri­nation der öffent­lichen Meinung sowie massive Ein­schrän­kungen der Mei­nungs­freiheit, und „poli­tisch korrekt“, als paleo­kon­ser­vativ

Quelle: https://www.academia.org/the-origins-of-political-correctness/