Was, wenn eine Umfrage zur Sicherheit in die Hose geht?

Man holt einen Kri­mi­no­logen um zu sagen, dass sich das Volk geirrt hat — Umfragen und Wahlen lassen sich wie­der­holen bis sie „passen“

(von Albrecht Künstle) 

Die Unsi­cherheit nimmt zu in Baden-Würt­temberg, war das Ergebnis einer Umfrage der Tages­zei­tungen im Süd­westen. Nur zehn Prozent haben das Gefühl, die Sicherheit im Ländle habe in den letzten fünf Jahren zuge­nommen. Doppelt so viele ant­wor­teten, die Unsi­cherheit sei in den Dörfern gestiegen, in den Groß­städten waren es 32 Prozent. Auf die Frage, „gibt es in Ihrer Nähe ein Gebiet, durch das sie nachts nicht alleine gehen wollen?“ ant­wor­teten je nach Größe der Dörfer oder Städte 21 bis 46 Prozent mit JA, Frauen noch mehr, aber sogar 28 Prozent der Männer. Nur Hasenfüße? Nein, denn …

46 Prozent haben Angst vor Angriffen und Kör­per­ver­letzung. Woher diese Angst wohl kommt? Bei Dieb­stahl und Sachbeschädigung/Vandalismus sind es 32/30 Prozent. Sexu­eller Beläs­tigung sehen sich 18 Prozent aus­ge­setzt; nach Ver­ge­wal­tigung wurde nicht gefragt. Nur 13 Prozent der Befragten sorgen sich vor nichts der­gleichen – ein gutes Gefühl. Ein solches hatte ich auch, bis mir die Auto­scheibe ein­ge­schlagen wurde und wert­volle Sachen erbeutet wurden.

Doch 86 Prozent der Befragten „fühlen sich sicher bis sehr sicher“. Was aber im Wid­der­spruch steht zur Frage nach der gewünschten Poli­zei­präsenz. Je nach Größe der Städte und Dörfer wird im Ländle über­wiegend bemängelt, dass nicht genügend Poli­zisten zur Ver­fügung stünden. Die Polizei hat ein gutes Image, nur 18 Prozent meinen, sie habe ein Problem mit Ras­sismus. Eine Grö­ßen­ordnung, die etwa der Hälfte der Grün-Wähler entspricht.

„Nur“ 23 Prozent emp­finden kri­mi­nelle Clan­fa­milien als Problem. Also halb so schlimm? Nicht ganz, weil Baden-Würt­temberg nicht typisch ist für diese Fehl­ent­wicklung. Berlin, Duisburg, Köln, um einige zu nennen, haben da ein grö­ßeres Problem. Außerdem scheint man sich an die Clan­kri­mi­na­lität zu gewöhnen. Und Clans gibt in jeder Lan­des­haupt­stadt – es darf geraten werden, wo diese sitzen (ich meine nicht einsitzen).

Die Ein­schätzung des poli­ti­schen Extre­mismus ist durch­wachsen. Obwohl in den Medien nur die Gefahr des Rechts­extre­mismus berichtet und kom­men­tiert wird, sehen immerhin 18 Prozent im Links­extre­mismus das große Problem. Für 22 Prozent ist es der Rechts­extre­mismus. Die Medien haben es nicht geschafft, den Focus alleine auf den Rechts­extre­mismus zu legen.

Die Umfra­ge­er­geb­nisse behagten den Auf­trag­gebern offen­sichtlich wenig. Nicht anders ist zu erklären, dass z.B. die Badische Zeitung anschließend einen Kri­mi­no­logen inter­viewte und dessen Aus­sagen über­schrieben wurden mit „Kri­mi­na­li­täts­furcht ist diffus“. Dieser zeigte sich „perplex, dass die Unsi­cherheit laut dieser Umfrage zunehmen soll“. Das Volk habe ein fal­sches Gefühl, „das Sicher­heits­gefühl hat sich in den letzten Jahren ver­bessert.“ – basta. Und die Politik wollte ja immer nur das „Sicher­heits­gefühl stärken“, nicht die Sicherheit an sich zu verbessern.

Merkel würde sagen, „das geht gar nicht, diese Umfrage muss wie­derholt werden“. Eine andere Mög­lichkeit wäre, die Bevöl­kerung gar nicht mehr zu fragen, weil man nicht alle Fragen so geschickt stellen kann, dass das Gewünschte raus­kommt. Das lässt sich doch aber auch auf Wahlen über­tragen, wenn man schon weiß, dass die Wähler unbe­re­chenbar sind. Auto­ritäre Staaten gehen zur Pro­blem­lösung hin und fäl­schen die Wahlen. Ist es dann nicht viel geschickter, die Wähler so zu bear­beiten, dass Umfragen und Wahl­er­geb­nisse keine Über­ra­schung mehr bieten?

Auch wenn die Rea­lität immer skur­riler wird: Der letzte Absatz ist nicht ernstgemeint.