(Auszug aus dem gleichnamigen Kapitel des esoterischen Science-Fiktion-Romans: BLUTBANN, von Bernd Huber, erschienen im Allstern-Verlag)
Andreas war nach München aufgebrochen. Seine Großmutter hatte sich verabschiedet, um im Dorf auf dem Tauschmarkt Besorgungen zu machen. ‚Giulia allein zu Haus‘, dachte sie sich. Und so ganz ohne die gewohnten Ablenkungen durch Handy, PC und ihre Arbeit im Institut war Giulia plötzlich auch alleine mit ihren Gedanken. Es wurde ihr bewusst, dass es erst drei Tage her ist, seitdem Andreas sie im Wald aufgelesen hat. Trotzdem war ihr hier alles so vertraut, als wären es dreißig Jahre gewesen.
(…)
Da die Großmutter sagte, dass sie erst am späten Nachmittag wiederkommen würde, beschloss Giulia, das Fressen für ‚Streuner‘ und Milch für die Katzen vor die Tür zu stellen. Dabei fiel ihr Blick auf das Scheunentor. Teils aus Neugier, teils einem unerklärlichen Zwang folgend, überquerte sie den Hof und schob einen Flügel beiseite. Mit klopfendem Herzen nahm sie auf dem Fahrersitz ihres Minis Platz. Und da lag es noch immer auf dem Fahrzeugboden:
das ‚fliegende Auge‘.
Sie bräuchte nur seinen Namen auszusprechen, hatte er (‚Kyrion‘) gesagt. Gut eine Minute mochte sie nur unbeweglich dagesessen und mit sich gerungen haben. Sich widersprechende Gedanken ratterten in ihrem Gehirn hin und her, wie das Echo in einem Höhlenlabyrinth. Und als sie sich fast schon wieder zum Gehen wandte, hörte sie sich plötzlich mit fast unhörbarer Stimme sagen:
„Kyrion!“
Augenblicklich kam Leben in das Wunderwerk. Fast lautlos begann es wieder in der Luft zu schweben. Abermals öffnete sich der schmale Lichtspalt, dieses Mal allerdings in senkrechter Richtung und dem Beifahrersitz zugewandt. Eine magische und geheimnisvolle Stimmung erfüllte die skurrile Szenerie. Giulias ursprünglich fast unerträgliche Anspannung wich plötzlich einer unerklärlichen Gelassenheit. Und dann geschah es: Wie aus dem Nichts verdichtete sich anfangs, einem durchsichtigen Nebelhauch gleich, eine Gestalt auf dem Sitz neben ihr. Im Schein des Lichtstrahls aus dem ‚fliegenden Auge‘ materialisierte sich vor Giulias Angesicht ‚Kyrion‘. Wie bei ihrer ersten Begegnung im UFO war er in diesen silbergrauen, nahtlosen Body mit dem markanten, stahlblauen Kragen gekleidet. Mit seinen ebenfalls blauen Augen, dem edlen und von längerem goldenen Haar umrahmten Gesicht, strahlte er Giulia gütig an.
Seine Erscheinung war so plastisch, so wirklichkeitsnah, dass sie sich zurückhalten musste, um ihn nicht anzufassen. Er machte eine Bewegung mit der Hand, worauf sich das Autoradio einschaltete. Nach einem kurzen ‚Wellensalat‘ schnell wechselnder UKW-Frequenzen war ‚Kyrions‘ Stimme aus dem Bose-Lautsprecher-System zu hören: „Du hast meinen Namen gerufen!“ Seine Sprache war vollkommen akzentfrei, nur das Frequenzband seiner Stimme klang etwas unnatürlich, so wie aus einem Trichter.
„Ja, du hast gesagt, ich könne eine Schlüsselrolle spielen.“
„Allerdings! Du hast alle Beweise an der Hand, um diese Verschwörung aufzudecken.“
„Bist du ein Hologramm?“ Giulia konnte ihre Neugier nicht zügeln.
„Nein, ich bin persönlich anwesend. Das ‚fliegende Auge‘ dient nur dazu, mich für dein Sehorgan sichtbar zu machen.“
„Du meinst, ich könnte dich ohne es nicht sehen?“ „So ist es. Du musst wissen, wir von ‚Terces‘ existieren in einer höheren Dimension. Wir können uns zwar für kurze Zeit in eure 3‑D-Welt verdichten, das erfordert allerdings eine hohe energetische Anstrengung von uns.“
„Warum kommt deine Stimme aus dem Lautsprecher, und wieso sprichst du unsere Sprache?“
„Wenn ich mit meiner Stimme zu dir sprechen würde, das wäre in deinen Ohren in etwa so, wie die Laute von Walen oder Delfinen auf eurer Erde. Du würdest nichts verstehen. Ich habe mich direkt in das Sprachzentrum deines Gehirns eingeloggt. Mithilfe des UKW-Empfängers lassen sich meine Gedanken für deine Ohren hörbar machen.“
„Du hast gesagt, ihr kommt nach unseren Maßstäben aus einer Entfernung von 450 Lichtjahren. Das ist alles so unvorstellbar für mich.“
„Es ist so, wie mit unseren Gedanken. Sie fliegen mit unendlicher Geschwindigkeit. Entfernungen existieren nur nach den Gesetzen der unteren Dimensionen.“
„Dann hat Einstein sich geirrt?“ „Nein, Giulia. Seine Theorien haben in eurer physischen Welt absolute Gültigkeit. Aber wir, in den höheren Dimensionen, existieren in einer subatomaren Wirklichkeit.“
„Mir hat man in der Schule noch erzählt, die Bedeutung des Wortes ‚Atom‘ ist ‚Unteilbares‘. Doch jetzt forschen unsere Wissenschaftler an Quarks, Neutrinos und Bosonen, und man sagt, sie hätten bereits das ‚Gottesteilchen‘ gefunden.“
„Ja, das stimmt alles. Aber ihr Menschen auf der Erde, ihr habt die besondere Gabe, Dinge zu erfinden, für die ihr spirituell noch nicht reif genug seid. Die Atomenergie zum Beispiel nutzt ihr schon jahrzehntelang, obwohl ihr kein Konzept für einen sicheren Kreislauf strahlender Abfälle habt.
Der ganze Wahnsinn wurde nur gemacht, weil er die Basis für eure atomare Rüstung darstellte. Bereits das Reich der ‚Atlanter‘ ist vor vielen Tausend Jahren infolge dieser unethischen Diskrepanz in einem Höllenfeuer explodiert und dann im Meer versunken. Die gleichen Entitäten, die das damals forciert haben, sind zurzeit mit Eifer daran, dies zu wiederholen.“
„Aber schaden sie sich damit nicht selbst?“, wollte Giulia wissen.
„Nein, auch sie haben eine nicht physische Existenz. Sie beziehen ihre Energie aus der Angst und dem Leid der manipulierten Massen. Und es ist heute nicht anders als damals.“
„Ja, das ist sicher wahr“, gab Giulia kleinlaut zu, „aber die ‚Matrix‘ ist so perfekt, die Manipulation so weit fortgeschritten. Die Wissenden, sie könnten jeden Tag auf allen Marktplätzen der Welt die Wahrheit hinausschreien. Sie würden unter dem Applaus der ignoranten Masse abgeführt werden und im Irrenhaus landen.“
„Das wissen wir natürlich alles, und ich sage nicht, dass es für euch einfach ist, aber es waren noch nie so viele aufgewachte Seelen zur gleichen Zeit auf eurem Planeten inkarniert. Und jeden Tag kommen mehr dazu. Auch braucht es keine Mehrheit, um das Ruder herumzureißen. Genauso wie diese verhältnismäßig wenigen ‚Puppenspieler‘ ihre menschenverachtende Herrschaft aufrechterhalten können, ist die Anzahl der Wissenden längst ausreichend, gegenzuhalten. Die große, unbewusste Mehrheit wird ihr Fähnchen immer in den Wind drehen, ganz gleich, woher er weht.
Es ist allerdings nötig, die Informations- und Medienhoheit dieser seelenlosen Kreaturen aufzubrechen. Und dabei können wir euch unterstützen. Aber wir brauchen deine Informationen dazu. Und ihr müsst wissen: Sollten diese ‚Gottspieler‘ nicht in ihre Schranken gewiesen werden, dann fällt dieser wunderbare Planet Erde für Jahrtausende in Sklaventum und Barbarei.“
Giulia hatte wie gebannt zugehört. Alles, was ‚Kyrion‘ gesagt hatte, war zutiefst einleuchtend. Schließlich sagte sie: „Ich will gerne mitspielen, aber ich komme im Moment noch nicht an meine Unterlagen. Aber Andreas und ich, wir werden einen Weg finden.“
„OK, du weißt ja jetzt, wie du mich erreichen kannst.“ Das waren ‚Kyrions‘ letzte Worte. Nach einer weiteren Handbewegung schaltete sich das Radio aus, und ‚Kyrions‘ Erscheinung verblasste vor Giulias Augen. Als sie aus dem Wagen stieg und das Tor schließen wollte, bemerkte sie ‚Streuner‘, der schwanzwedelnd an der Beifahrertüre schnupperte und aufgeregt daran hochsprang.
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