Die Lehren aus der Geschichte sind eindeutig: David Stockman bezeichnet Präsident Trump regelmäßig als den „großen Störfaktor“. Das aber, so meinte er, sei keine schlechte Qualität.
Viel eher ist es eine notwendige: Stockman meint, dass Trump jene Kraft von außen repräsentiert, die Externalität, die das „Weltsystem“ über die Klippe gehen lässt: Es muss über die Klippe gehen, weil es zu sehr verknöchert ist und zu „überbordend“, um sich selbst reformieren zu können.
Es ist relativ egal, ob der Träger dieses Prozesses (also etwa Präsident Trump) seine Rolle in Gänze versteht, oder ob er dabei intelligent und subtil vorgeht, oder doch eher hemdsärmelig und rücksichtslos. Beides dient dem Zweck. Und der Zweck besteht im Stören.
Wie aber kann das Stören eine „Qualität“ sein? Das liegt daran, dass während der Periode des Zerfalls „eines Systems“ (das lehrt uns die Geschichte) ein Punkt erreicht werden kann, in dem es nicht mehr möglich ist, innerhalb des alten aber sich noch immer haltenden Systems eine Neuerung hervorzubringen.
Eine Externalität – das könnte ein Krieg sein, oder eine andere Engpässlichkeit oder eben Trump – ist dann notwendig, um das festgefahrene System über die Klippe zu stoßen: Der eindringende Externalität wirkt in diesem Fall also als Katalysator für eine (oftmals traumatische) transformative Veränderung. Stockman beschreibt dies mit drastischen Worten:
„Das allerwichtigste, das man über die aktuelle Risikoumwelt wissen muss [er verweist hier sowohl auf politische als auch finanzielle Risiken] besteht darin, dass alles extrem ist und es dies noch nie in dieser Form gegeben hat. Im Kern entschieden sich die herrschenden Eliten und ihre Megaphone der Mainstream Medien arroganterweise dazu, dass die [US Präsidentschaftswahl] von 2016 ein korrigierbarer Fehler sei.“ (USA: Nachwahl in Georgia – Erfolg für Donald Trump – illegale Wählerstimmen für Clinton und Obama in 2016, 2012 und 2008)
Genau diese Gleichgültigkeit ist überall zu finden. Stockman sagt:
„Es gibt nichts besseres, um dies darzulegen, als die absolute Fragilität der aktuellen und größten aller FED Blasen. Kurz gesagt, während der letzten 5.000 Handelstage (20 Jahre) schloss der VIX (ein Maß für Marktvolatilität) in nur 11 Fällen unter zehn. Und sieben dieser Fälle ereigneten sich im letzten Monat! [..] Es herrscht eine Gleichgültigkeit wie unter Affen.“
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Pat Buchanan schlussfolgerte:
„Präsident Trump mag der Staatschef sein, der Leiter der Regierung und der oberste Befehlshaber, allerdings ist seine Regierung durchsetzt von Illoyalen, die nur darauf aus sind, ihn zu stürzen.
Wir nähern uns etwas, das einem Bürgerkrieg gleichkommt, in dem die Hauptstadt versucht, den Souverän [das Volk] zu stürzen, um seine eigene Restauration [zu erreichen]. Bislang war es ein gewaltfreier Kampf, auch wenn die Zusammenstöße auf den Straßen zwischen Trump-Unterstützern und Gegnern immer mehr mit Faustkämpfen und Schlägereien enden. Die Polizei hat Probleme, die Fraktionen auseinander zu halten. Bislang wurden nur wenige verhaftet, die eine verdeckte Waffe bei sich trugen.
Dass die Hauptstadt versucht, Trump mit Hilfe eines Putsches durch den Tiefen Staat und die Medien zu stürzen ist kein Geheimnis. Wenige verneinen es.“
Der außergewöhnlich erfolgreiche „Aufbau“ und das „Einfliegen“ von Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen durch die französische Elite gab dem globalisierten Tiefen Staat (inklusive dessen US Teilen) erneut die Zuversicht, dass es sich bei den Verschiebungen in Europa und Amerika hin zum „Populismus“ um einen „korrigierbaren Fehler“ handelt. Die europäischen Eliten können ihre Schadenfreude gegenüber den Brexit Unterstützern und den sich vermutet in Unruhe befindlichen Populisten kaum zurückhalten.
Allerdings merkt Stockman trotz der fühlbaren Gefahr für die Integrität des politischen Systems an:
„Es ist keine unbegründete Untertreibung, dass der S&P500 bei 2.440 Punkten in etwa so fragil ist, wie der ‚Markt‘ als solches.“
Jeder unbedachte Nadelstich könnte das ganze Ding ins Schlingern bringen.[..] Doug Kass drückte es in einem kürzlichen Kommentar am besten aus:
„Von der Geschichte können wir lernen, dass sich ein Minsky Moment entwickelt, wenn die Stimmung der Investoren nach einer langen Zeit steigender Kurse gleichgültig wird und die Fundamentalzahlen ignoriert werden, weil sie scheinbar keine Rolle mehr spielen, was ich in der Vergangenheit bereits beschrieben habe [..]. Kurz gesagt, die Märkte haben sich in Zombies verwandelt (in dem Sinn, dass ihre Bewertung nur noch auf einer psychologischen Verteidigungsreaktion beruht – was heißt, dass die denkbaren Alternativen ganz einfach zu bedrohlich sind für die Psyche, um auch nur gedacht werden zu können).“
Daniel Henninger schrieb in einem Meinungsartikel für das Wall Street Journal:
„Donald Trumps Wahl hat in einem großen Teil der Bevölkerung zu einer psychologischen Entkoppelung geführt. Das Trump Phänomen aber hat nur jene Kräfte beschleunigt, die sich bereits vor der Wahl 2016 in diese Richtung wälzten.
Es ist unmöglich zu ignorieren, wie emotional erhitzt die amerikanische Politik wurde. Sowohl der Wahlkampf von Herrn Trump als auch der von Bernie Sanders fand oftmals am Rande der Gewalt statt. Journalisten beschreiben die politischen Versammlungen als voller ‚wütender‘ Wähler. Das Niederbrüllen der Opposition bei diesen Veranstaltungen oder an den Universitäten wurde fast schon internalisiert und zum standardisierten Verhalten. Die Weigerung sich Argumenten zu stellen ist das neue Normal. Und dann wird diese Vernunftlosigkeit als das Recht auf freie Rede euphemisiert.
Diese Impulse können nicht mehr wegerklärt werden als übliche Begleiterscheinung im Wandel des populistischen politischen Zyklus. Da entsteht etwas Dauerhaftes.“
Selbstverständlich sind es nicht nur die Märkte, die von dieser Art nicht quantifizierbarem Risiko betroffen sind. Trump darf nicht vergeben werden, dass er das sarkosante Mem angetastet hat, nach dem es eine Welt gibt, die aufgeteilt ist in (gute) ‚liberale‘ Demokratien (angeführt von den USA und den europäischen Verbündeten) und (bösen) illiberalen Autokratien (heute angeführt von Präsident Putins Russland): Über das vor den Kopf stoßen der NATO und zum Rückzug aus dem Klimaabkommen von Paris schreibt Professor Michael Klare:
„Uns wurde gesagt, dass Präsident Trump die von Franklin D. Roosevelt nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene liberale Weltordnung schleifen will.“
Ein Vergehen, das wie es scheint, etwas Heiliges angreift: Kürzlich veröffentlichte die US Komikerin Kathy Griffin ein Video von sich, auf dem sie den blutenden abgetrennten Kopf von Donald Trump hält. Henniger meint dazu:
„Das war aber nicht alles.
Wir können davon ausgehen, dass Frau Griffin beim Filmen des Videos Unterstützung von den Künstlern des öffentlichen Theaters in New York bekam, die gerade ihre Produktion von Julius Caesar einübten, bei der das Publikum im Central Park ‚Caesar‘ als blonden Donald Trump erleben können, der von Männern in Anzügen vom Podium gezerrt und mit gezückten Messern ermordet wird [..]. Was auch immer einmal die Psyche der Menschen fest am Boden gehalten hat und damit Sicherheit und Stabilität bot schwebt nun haltlos herum.“ (Putin deutet an, dass Kennedy vom „Tiefen Staat“ ermordet wurde, welcher es nun auf Trump und Russland abgesehen habe (Video))
Mike Vlahos (Professor am US Marine College und an der John Hopkins) teilt uns mit, dass er als Militärhistoriker und globaler Stratege immer neugieriger wurde herauszufinden, wie „Weltsysteme“ „auseinanderfallen“. Sein erster intuitiver Gedanke dabei war, dass der Zusammenbruch in der Regel durch eine massive externe Kraft wie Krieg, eine Pest oder Hungersnot verursacht wird, in deren Folge es zu einer Massenmigration von Völkern kommt.
Als er und seine Studenten die Sache dann aber genauer studierten kam er zum Schluss, dass diese Faktoren zwar oftmals eine große Rolle spielten, sie aber nicht der Hauptgrund für das Auseinanderfallen von Systemen sind. Als Schlüsselfaktoren identifizierte er andere Aspekte:
Die Eliten wurden zu einer eigenen Schicht und die Politik fror ein.
Die Zustimmung des Volkes wurde als selbstverständlich erachtet, während die Eliten gleichzeitig die Bedrohungen für die Lebensweise des Volkes ignorierten.
Die soziale Mobilität verringerte sich und gegen Veränderungen wurde heftig opponiert.
Die Eliten beschränkten sich auf die Maximierung von Wohlstand und Status.
Die Autorität der Eliten drückte sich zunehmend militärisch aus – und wurde gerechtfertigt mit der „Rettung der Zivilisation“.
Er schlussfolgert aus seiner Studie:
„Die heutige Situation [..] hier in der Hauptstadt des Reiches Washington D.C. besteht darin, dass sie allumfassend ausgehöhlt ist… sie ist nicht mehr in der Lage, ihrem eigenen Volk, den Amerikanern, etwas zu bieten [..] Ich denke, wir haben einen Punkt erreicht, in der die Möglichkeit einer Erneuerung innerhalb des gegebenen Systems nicht mehr möglich ist. Das aktuelle System ist darauf eingestellt [..] sich in einer Art Bürgerkrieg der kommen wird selbst zu fressen und am Ende all dessen wird es platt sein, es wird weg sein.
Die Methoni(?), eine der großen Nationen am Ende der Bronzezeit hatte dasselbe Problem mit ihren Eliten und den 1%, wie wir sie auch heute haben und sie wurden am Ende weggefegt. Das war vor 3.300 Jahren und dieses Muster wiederholt sich immer wieder. Es ist die Struktur der auf Dekadenz beruhenden Beziehungen in den späten Perioden, in denen die Eliten nicht mehr länger anpassungsfähig sind, sich weigern, den Bedürfnissen der gesamten Gesellschaft zu dienen, und das bedeutet, es wird passieren müssen. Es wird einen Sturz geben müssen [..] damit die Dinge irgendwann wieder besser und erneuert werden können. Mit anderen Worten, eine Reform von innen führt nicht zur Erneuerung.“
Ist das die heutige Situation? Die Vorbedingungen, auf die Professor Vlahos sich bezieht, also die Hybris der Eliten, die Selbstbezogenheit und die Abgehobenheit gegenüber den wirklichen Problemen des Volkes sind eindeutig vorhanden (die Polarisierung der US Gesellschaft bei den Präsidentschaftwahlen sind ein guter empirischer Beweis dafür). Wenn Stockman Trump als den „großen Störfaktor“ bezeichnet, dann impliziert er offen, das er genau jene „Externalität“ ist (die von außerhalb der Eliten kommt) – die alles zum Umsturz bringen könnte. Das ist sicherlich das, was Stockman meint, wenn er vor der der „aktuellen Risikoumwelt“ als extrem warnt.
Die übliche Erwiderung besteht natürlich immer darin, dass Trump kein wirklich kohärentes alternatives Konzept für die Zukunft bietet, sondern sich nur auf eine Reihe von erfolgreichen Erkenntnissen beruft: Die Macht des kulturellen Nationalismus, die Schmerzen für die Allgemeinheit aufgrund der Globalisierung, der Einfluss der ausgehöhlten US Wirtschaft und die Notwendigkeit, dass Amerika wieder Priorität haben muss. Das ist alles wahr. Diese Erkenntnisse aber sind als Ganzes gesehen noch keine Vision für die Zukunft, nur, warum sollte man das auch vom „Störfaktor“ erwarten? Seine „Aufgabe“ besteht darin, als Katalysator zu wirken und nicht als finaler „Erbauer“. Das wird später kommen.
Nur, aus welcher Richtung wird die soziale Erneuerung am Ende kommen? Die klassische Antwort besteht darin, dass nach einer solchen „Störung“ meist nicht mehr viel da ist von den (metaphorischen) Ruinen dessen, was einmal als die „Moderne“ herrschte. Historisch betrachtet kam die Erneuerung immer aus einem „Rückgriff“ auf die Gemeindeebene – also auf das, was da war, bevor die aktuelle Krisenentwicklung begann – und in einer Vertiefung der tiefen archetypischen kulturellen Geschichte eines Volkes. Das Erforschen der gemeinsamen Erinnerung erlaubt, dass sich ein großer Erzählbogen bilden kann, um zu bestimmen, wann das Volk vom aktuellen „Schmerz“ befallen wurde, was dann zu einer „Lösung“ im heutigen Sinne führen kann: Ein neues metahistorisches Verständnis der Vorgänge.
Das (also eine Art geistige Erneuerung) ist nicht Präsident Trumps „Paket“. (Eher das von Steve Bannon vielleicht?)
Was bedeutet all das auf praktischer Ebene? Zunächst einmal ignorieren die meisten von uns noch immer lieber die Realität des Ziels „dieser Stadt (Washington D.C.), das darin besteht, Trump mit Hilfe eines Putsches durch den Tiefen Staat und die Medien zu stürzen“, sowie den damit einhergehenden bitteren politischen Grabenkampf. Wir üben uns lieber in Gleichgültigkeit (in der Form von Zombies), bis die Krise uns irgendwann ins Gesicht schlägt – also persönlich wird.
Zweitens ist es die Vorstellung eines leichten Weges zurück zum Status quo ante (etwa in der Form, dass Vizepräsident Pence übernimmt) problematisch (trotz Macrons Wahl in Frankreich), da die Eliten (und zwar alle) in ihrem „Krieg“ gegen „Populisten“ und den Pöbel in einem Gutteil der Bevölkerung ihre Legitimität und Autorität völlig verloren haben. Und sie werden sich nicht anpassen – und sie können es auch nicht. Das liegt in ihrer Natur. Professor Vlahos merkt an, dass an genau dem Punkt ein System – etwa der US Staatsapparat – „auseinanderfällt“. Einzelne, Grüppchen innerhalb der Staatsverwaltung, ganze Regierungsabteilungen klammern sich an ihre staatliche „Autorität“ und kümmern sich nicht mehr darum, dass die Regierung eigentlich von den Wählern bestimmt wird.
Dazu kommt, dass der Senat gerade erst letzte Woche mit 97–2 für weitere Sanktionen gegen Russland gestimmt hat. Das wäre dann noch ein Stock im Räderwerk von Trumps Außenpolitik – und war auch explizit dazu gedacht, den Präsidenten zu lähmen und zu behindern.
Drittens besteht die Absicht – ganz in der Art des Gifts einer Schlange vom Amazonas – darin, ihn mit so vielen Gerüchten, Andeutungen, grundlosen Ermittlungen und weiteren Vorwürfen zu „beißen“, dass Trump gleich dem Opfer einer Schlange zwar wach bleibt – sich allerdings nicht mehr bewegen kann: Wie ein echter Zombie muss die Schlange den noch lebenden Körper dann nur noch verschlingen.
Viertens wird dieser zombifizierte US Präsident bald schon mit dem Kongress verhandeln müssen, um die immer blasenartigere Finanzentwicklung inmitten einer sich bereits mumifizierenden Realwirtschaft abzubrechen – und das alles mit der am Horizont bereits erkennbaren Schuldenobergrenze. Der Schlag ins Gesicht für Trump durch den Senat mit dessen Russlandsanktionen lässt auch vermuten, dass noch ein weiteres Fass aufgemacht werden soll. Diesmal soll es gegen den Kern von Trumps „Konjunkturprogramm“ gehen.
Welche weiteren Einsichten könnte die Geschichte noch bieten? Zwei vielleicht: Bei einer Diskussionsveranstaltung mit Professor Vlahos wies John Batchelor darauf hin, dass selbst in dem Moment, als das Zentrum des Römischen Reiches bereits gefallen war, das Reich an der Peripherie gefeiert wurde wie nie, da das Reich an dessen Rändern bedroht wurde, etwa von den Völkern Galliens und Germaniens. Und sehen wir heute nicht dasselbe in Europa wo Merkel wie Macron schwören, die liberalen und globalisierten Werte des Amerikanischen Reiches am Leben zu erhalten – und das an der Peripherie des Amerikanischen Reiches – in Europa?
Und abschließend noch die Frage, wer historisch betrachtet die Erneuerung anleitete? Professor Vlahos gibt die Antwort:
„Die römischen Legionen, die zaristischen Armeen, das deutsche Reichsheer und die osmanischen Truppen.“
Die Eliten des Pentagon sollten gut aufpassen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich hier:
https://www.pravda-tv.com/2017/06/usa-die-hauptstadt-des-roemischen-reiches-befindet-sich-am-rande-des-zusammenbruchs/