Zur Kontroverse um Tabak- und Kokainrückstände in ägyptischen Mumien.
Zu den nach wie vor brisantesten Evidenzen, welche für die Annahme von weit präkolumbischen Kontakten zwischen Menschen der Alten Welt – speziell aus dem Mittelmeer-Raum – mit Bewohnern Amerikas.
In Form direkter oder auch indirekter Handelsbeziehungen, sprechen, gehören die Funde von Kokain- und Nikotin- bzw. Tabakspuren in altägyptischen Mumien, die spätestens seit Beginn der 1990er Jahre sowohl das isolationistische Paradigma der Altamerikanistik als auch das Weltbild konservativer Ägyptologen in Frage stellen.
Die vermutlich bedeutsamste dieser Entdeckungen machten 1992 die Toxikologin und Gerichtsmedizinerin Dr. Svetlana Balabanova (1929–2015) und ihre Kollegen vom Institut für Anthropologie und Humangenetik der Universität München, die in den sterblichen Überresten der altägyptischen Priesterin Henut Taui (ca. 1000 v.d.Z.) Rückstände von Nikotin, THC und Kokain entdeckten.
Obwohl diese Befunde von Balabanova et al. mehrfach gründlich überprüft wurden und durch externe Untersuchungen von zwei anderen Laboratorien bestätigt werden konnten, wurden die Ergebnisse des Teams von der ‚Fachwelt‘ umgehend angefochten und zum Teil hämisch kommentiert.
Dr. Balabanova erhielt sogar Schmähbriefe, in denen – moderat formuliert – ihre fachliche Kompetenz massiv in Zweifel gezogen wurde.
Um die höchst lästigen Analyse-Ergebnisse der Münchener Wissenschaftler/innen ‚vom Tisch‘ zu bekommen, wurde eine ganze Reihe von Hypothesen entwickelt, welche die zentrale Schlussfolgerung erschüttern sollten, die sich aus den naturwissenschaftlichen Befunden ergab – nämlich die Notwendigkeit direkter oder auch indirekter protohistorischer bzw. frühgeschichtlicher Kontakte zwischen den alten Ägyptern und zeitgenössischen Bewohnern Südamerikas zur Erklärung dieses ‚Mumien-Phänomens‘.
(Eine alte Abbildung der ägyptischen Priesterin Henut-Taui, in deren Mumie Dr. Svetlana Balabanova 1992 Kokainspuren nachwies)
So wurde z.B. gerne und intensiv über eine neuzeitliche ‚Kontaminierung‘ der Mumien durch Pfeife rauchende und Kokain schnupfende Archäologen des 19. Jahrhunderts spekuliert. Das war jedoch eine, in Hinblick auf die verwendeten Analyse-Techniken, geradezu absurde Vorstellung.
Selbst die Echtheit der untersuchten Mumien wurde in Frage gestellt – eine Behauptung, der Dr. Alfred Grimm, Kurator des Ägyptischen Museums in München, energisch entgegentrat. Außerdem wurde die Frage aufgeworfen, ob die analysierten Substanzen womöglich das Produkt „nekrochemischer“ oder „nekrobiochemischer“ Prozesse seien; eine Vermutung, die inzwischen allerdings kaum noch zur Debatte stehen dürfte.
Durchaus berechtigt war dagegen die Frage, ob nicht womöglich andere altweltliche Pflanzen als Produzenten der in den Münchener Mumien entdeckten Substanzen in Frage kommen. Immerhin sind – zumindest, was das Nikotin betrifft – im Grundsatz auch andere Gewächse als Quelle dieser Substanz denkbar und wenigstens zwei davon, Withania somnifera (Schlafbeere) sowie Apium graveolens (Echter Sellerie), waren den Ägyptern damals durchaus bekannt und wurden von ihnen verwendet.
Hierzu prallen Argumente und Gegenargumente von Befürwortern und Gegnern der These früher transozeanischer Kontakte aufeinander und es bedarf einiger Anstrengungen, sich als Laie in Sachen Biogeographie ein Bild von der Qualität der jeweiligen Argumentationen zu machen; ein Unterfangen, dass wir mit einer Reihe diesbezüglicher Beiträge in dieser Sektion von Atlantisforschung.de unterstützen möchten.
Das Vorkommen von Tabakresten in den konservierten Leichen alter Ägypter ist durch bio- oder vegetations-geographische Argumente jedenfalls nicht wegzuerklären.
Es ist immerhin zu betonen, dass Balabanova et al. ja keineswegs die einzigen waren, die Tabakreste und Nikotin-Rückstände in Mumien aus dem pharaonischen Ägypten entdeckten.
Bereits im September 1976 wurde bei der Restaurierung der Mumie Ramses II. von Dr. Michelle Lescot vom Naturhistorischen Museum in Paris ein solcher Fund gemacht:
„Sie erhielt Fragmente der Bandagen und fand ein Pflanzen-Fragment, das zwischen den Fasern steckte. Als sie es unter dem Mikroskop betrachtete, war sie verblüfft festzustellen, dass es sich bei der Pflanze um Tabak handelte. Befürchtend, sie habe irgendeinen Fehler gemacht, wiederholte sie die Tests mehrfach mit dem immer gleichen Ergebnis: eine Pflanze aus der Neuen Welt fand sich in einer altweltlichen Mumie. Diese in Nordamerika wenig bekannt gewordenen Resultate bewirkten in Europa eine Sensation.“
(Die Mumie von Pharao Ramses II. In ihr wurden nicht nur Spuren von Tabak gefunden, sondern auch Reste von Tabakkäfern)
Noch bemerkenswerter ist vermutlich auch der vormalige Befall der Ramses-Mumie durch sogenannte Tabakkäfer (Lasioderma serricorne). Diese heute pantropisch verbreiteten Tiere, die im Verlauf ihrer Entwicklung eine hochgradige Resistenz gegen Nikotin entwickelt haben, gelten unter Zoologen, wie es bei Dominique Görlitz heißt, allgemein als Neozoen, die „erst nach 1492 durch europäische Handelskontakte aus der Neuen in die Alte Welt eingeschleppt wurde[n] und sich dort etablierte[n] […]
Sowohl Insektenkundler als auch Zoogeographen sind sich über die Ausbreitungsbiologie des Tabakkäfers einig. Er ist ein Kulturfolger (hemerophil), der mit der weltweiten Ausbreitung des Tabakanbaus alle Länder außerhalb Amerikas erfolgreich kolonisierte.“
Überreste von Tabakkäfern wurden übrigens auch im Grab des Pharaos Tutanchamun aufgefunden – mehr oder weniger ignorieren, oder nach wie vor auf der Hypothese moderner Kontamination beharren, darf man wohl schon als Symptom einer massiven Erkenntnis-Resistenz interpretieren.
Erwähnt werden sollte hier auch noch die Funde von Dr. Rosalie David, seinerzeit leitende Ägyptologin am archäologischen, anthropologischen und naturhistorischen Museum der Universität Manchester. Nach Bekanntwerden der Entdeckungen von Balabanova et al. war die britische Mumien-Expertin zunächst äußerst skeptisch, denn die Ergebnisse der deutschen Wissenschaftler/innen erschienen ihr „ziemlich ausgeschlossen“.
Jedenfalls veranlasste sie Untersuchungen von Proben aus ägyptischen Mumien ihres eigenen Museums. Außerdem flog sie nach München, um dort die Authentizität der untersuchten Specimen und die Dokumentation ihrer KollegInnen zu überprüfen, an denen sie nichts auszusetzen fand.
(Die britische Ägyptologin und Mumien-Experin Dr. Rosalie David vom Universitäts-Museum in Manchester war zunächst äußerst skeptisch, was die Befunde von Dr. Balabanovaet al. betraf. Dann aber musste sie feststellen, dass sich auch in ihrem Museum mindestens zwei ägyptische Mumien befinden, in denen sich Tabak-Reste feststellen lassen.)
Nach Manchester zurückgekehrt, stellte sie dann mit größtem Erstaunen fest, dass auch in zwei der Mumien, deren Untersuchung sie in Auftrag gegeben hatte, Spuren von Tabak entdeckt wurden.
Was das ‚Kokain-Problem‘ betrifft, so gerieten die entsprechenden Forschungen nach dem plötzlichen Ableben von F. Parsche, der sich auf die Kokain-Analysen von Mumien spezialisiert hatte, und nach der Pensionierung von S. Balabanova ins Stocken.
Da sich weder bei den von Dr. David in Auftrag gegebenen noch bei anderen stichprobenartigen Analysen Kokainspuren nachweisen ließen, wurden die diesbezüglichen Ergebnisse als ’nicht reproduzierbar‘ abgetan und quasi zu den Akten gelegt.
An einer wirklich flächendeckenden, repräsentativen Studie zur Untersuchung ägyptischer Mumien auf Kokainrückstände – die weitere unbequeme Ergebnisse ergeben könnte – hat offenbar niemand im Bereich der zuständigen Fachwissenschaften Interesse.
Zudem geht der Verfasser mit einiger Sicherheit davon aus, dass derzeit wohl kaum ein namhaftes Museum Proben für derartige Analysen zur Verfügung stellen wird. Von unvoreingenommener, ergebnisoffener Forschung ist man in diesen Kreisen leider noch weit entfernt.
Den sprichwörtlichen ‚Staffelstab‘ übergab Dr. Balabanova, nachdem sie ihre Berufslaufbahn beendet hatte, an den Chemnitzer Experimental-Archäologen und Biogeographen Dominique Görlitz, der in enger Zusammenarbeit mit ihr wichtige Aspekte ihrer Arbeit fortsetzte.
In seiner Forschung arbeitete er an mehreren, in diesem Zusammenhang wesentlichen Fragestellungen (Die geheime Paläophysik der Großen Pyramide und der militärischen Anlage bei Gizeh (Videos)).
Eine der wichtigsten war, ob die alten Ägypter heute in Afrika ausgestorbene Pflanzen als „Spender“ für Nikotin und auch Kokain benutzt haben könnten. Die Antwort darauf lautet ganz klar „nein“!
Pflanzen, die Nikotin in höheren Konzentrationen produzieren, gedeihen außerhalb der Neuen Welt nur noch auf Australien. Kokain kommt ausschließlich in der Neuen Welt vor. Aus diesem Grund sind diese Alkaloide in ägyptischen Mumien tatsächlich ein direkter Beleg für präkolumbische transozeanische Handelskontakte.
Die Ergebnisse seiner umfassenden Studien, die zu diesem eindeutigen Forschungsergebnis geführt haben, hat Görlitz im Jahr 2012 mit der Veröffentlichung seiner Dissertation „Prähistorische Ausbreitungsmechanismen transatlantisch verbreiteter Kulturpflanzen“ in Buchform vorgelegt.
Literatur:
Mysterium Ägypten: Es ist längst noch nicht alles gesagt…
Videos:
https://youtu.be/P‑x2IepQDq8
Quellen: PublicDomain/atlantisforschung.de am 06.07.2017
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