Der Samtpfotensozialismus
Der bekannte libertäre Denker Roland Baader hat das bundesrepublikanische System als „Samtpfotensozialismus“ bezeichnet. Von ihm stammt denn auch folgender Text:
„Ich träume von einem vollbesetzten Bundestag (wohl nur bei Abstimmung über Diäten-Erhöhung möglich). Plötzlich erhebt sich einer der Abgeordneten, allen anderen als aufrechtes Mannsbild bekannt, und tritt ans Mikrofon. Lange schaut er schweigend ins Hohe Haus, bis gespannte Stille eingetreten ist. Dann sagt er:
Meine Damen und Herren,
ich bin ein glühender Anhänger des demokratischen Rechtsstaats; ich bekenne mich zur freiheitlichen, individualistischen und christlichen Kultur, Tradition und Zivilisation des Abendlandes und der freien westlichen Welt. Und genau aus diesem ernsten Grund sage ich allen hier versammelten Volksvertretern, allen Parteien, Politikern und Regierungsmitgliedern:
Ich brauche Eure Subventionen und Transferzahlungen nicht; ich will nicht Euer Kinder‑, Mutterschafts- und Sterbegeld, nicht Eure tausend Almosen und milden Gaben, die Ihr mir vorher aus der Tasche gezogen habt – und mir und meinen Kindern noch in fünfzig Jahren aus der Tasche ziehen werdet. Ich brauche keine subventionierte Butter, kein Quoten-Rindfleisch und keine preisgarantierte Milch, keine EG-genormten Planwirtschafts-Erbsen und keine ministergelisteten Medikamente; ich brauche keinen Schwerbeschädigten-Ausweis für meine Plattfüße und keinen Almosen-Freibetrag für meine pflegebedürftige Großmutter, auch keine Kilometerpauschale und keinen Kantinen-Essensbon über eine Mark dreißig. All Eure Wahlfang-Pfennige und ‑Scheine könnt Ihr Euch an den Hut stecken!
Aber: Laßt mich dafür auch in Frieden! Ich bin nicht Euer Buchhalter, Statistiker und Belegsammler, der die Hälfte seiner Lebenszeit damit zubringt, Euere Schnüffel-Bürokratie zu befriedigen, der von einem Paragraphen-Knäuel zum anderen taumelt und sich wie eine gehetzte Ratte durch alle Kanalwindungen Euerer kranken Steuergehirne windet.
Schickt Euer Millionenheer von Faulärschen und parasitären Umverteilern nach Hause, Euere Vor- und Nachdenker moderner Wegelagerei und Strauchdiebeskunst, Euere Bataillone von Steuerfilz-Produzenten, Labyrinth-Pfadfindern und Paragraphen-Desperados, Euere Funktionärs-Brigaden von Verordnungs-Guerilleros und Stempelfuchsern, all‘ die nutzlosen Formularzähler und Arbeitsverhinderungs-Fürsten.
Laßt mich einen festen, eindeutigen und ein-für-alle-mal fixierten Steuersatz zahlen, und bezahlt damit eine angemessene Verteidigungs-Armee und ein verläßliches Rechtswesen, aber haltet Euch ansonsten heraus aus meinem Leben.
Dies ist mein Leben; ich habe nur eines, und dieses eine soll mir gehören.
Ich bin niemandes Sklave, niemandes Kriecher und niemandes Liebediener. Ich bin ein freier Mann, der für sein Schicksal selbst und allein verantwortlich ist, der sich in die Gemeinschaft einfügt und die Rechte anderer genauso respektiert wie er seinen eigenen Pflichten nachkommt, der aber keine selbsternannten Ammen und scheinheilige Gute Onkels, keine ausbeuterischen Wohltäter und von mir bezahlte Paradiesverkünder braucht.
Was ich brauche, das sind: Freunde, Familie und rechtschaffene Christenmenschen, in guten und in schlechten Zeiten; und ich bin Freund, Familienglied und Christ, auch dann, wenn es anderen schlecht geht; aber dazu brauche ich keine Funktionäre und Schmarotzer, keine bezahlten Schergen und staatsversorgte Wohltäter.
Dazu brauch ich nur die mir Nahestehenden und den Herrgott.
Hier stehe ich. Gott helfe mir! Ich kann nicht anders!“
(aus: Roland Baaders Buch „Kreide für den Wolf“, 1991)
„Wer will noch ´mal, wer hat noch nicht?“ – Anmerkungen zum Subventionsberichtsentwurf der Bundesregierung
Diese Bundesregierung hat die Wirtschaft stärker als bisher gefördert – wobei man füglich fragen muß, ob das alles sinnvoll ist. Da eiert jeder Politiker herum, weil er immer zuerst an die eigene Klientel denkt bzw. denken muß. Der Frage, ob Subventionen überhaupt in eine marktwirtschaftliche Ordnung passen, weicht die Politik – nicht nur dieser Bundesregierung, sondern seit je – beharrlich aus. Grundsätzlich bedeuten Subventionen nichts anderes als einen selektiven Eingriff des Staates in das Wirtschaftsgeschehen. Subventionen bedeuten vor allem eine Umverteilung von staatlichem (Steuer-)Geld hin entweder zur Privatwirtschaft oder zum Bürger.
Man glaubt es nicht: Ausgerechnet das „Musterland der Marktwirtschaft“, Deutschland, ist eines der größten Subventionssünder in der EU. Entgegen allgemeiner Annahmen zählt die Bundesregierung bei den Beihilfen für Unternehmen im europäischen Vergleich zu den größten Subventionsgebern. Gemessen an der Wirtschaftskraft liegt Deutschland nur hinter Lettland und Griechenland. Besonders „witzig“ ist, daß die Subventionen just in einer Zeit in schwindelnde Höhe steigen, in der der Wirtschaftsmotor und die Konjunktur im 8. Jahr brummen. Warum da also noch staatliche Beihilfen? Außer den unvermeidlichen Lobbyisten wird wohl niemand eine vernünftige Antwort geben können.
Bauchladen-Förderung
Um fast fünf Milliarden Euro erhöhten CDU/CSU und SPD in den vergangenen vier Jahren die vom Bund gewährten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen, mit denen vor allem die gewerbliche Wirtschaft gefördert werden soll. Bis 2018 steigen die direkten und indirekten staatlichen Subventionszahlungen an die Privatwirtschaft auf 25,2 Milliarden Euro. Das geht aus dem Entwurf des 26. Subventionsberichtes hervor, den das Kabinett am Mittwoch beschließen soll.
Es gab und gibt staatliche Finanzhilfen – nichts anderes sind Subventionen – z. B. für den Kfz-Markt, von der „Abwrackprämie“ bis zur Förderung für Elektroautos. Und wenn Ihr Häuschen oder Ihr Büro saniert werde müssen, gibt´s auch ´was dazu. Der Schutz vor Einbrechern ist dem Staat ebenso Geld wert wie die Bezuschussung von Heizungen und Pumpen. (Diese hier genannten Subventionen zählen zu den zwanzig größten Finanzhilfen des Bundes.)
Lachende Erben
Am meisten profitieren von Steuervergünstigungen vor allem Firmenerben. Der Bund unterstützt das Erben oder Verschenken von Betrieben, indem er allein 2018 auf 5,7 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verzichten wird. Die Erbschaftsteuer gilt als heikel. Die große Koalition hatte sich erst in diesem Jahr nach monatelangen Streitereien auf eine Reform geeinigt, die Firmenerben aber auch künftig weitgehend verschont.
Subventionen – „wichtige Bausteine“
Reflexartig weist das Bundeswirtschaftsministerium die Kritik an den steigenden Ausgaben zurück – same procedure as every year. Die tibetanische Gebetsmühle der deutschen Subventionsförderer rasselt wie eh: Die Förderprogramme des Ministeriums seien „wichtige Bausteine zu einer erfolgreichen Umsetzung der Energiewende“, teilte ein Sprecher von Ministerin Brigitte Zypries (SPD) mit. Insbesondere die Energieeffizienz spiele bei der Energiewende eine wesentliche Rolle. Die günstigste Energie sei diejenige, die nicht verbraucht werde.
Dabei verschweigt sie mit harmlosem Augenaufschlag den größten Posten, der aber nicht im Berichtsentwurf auftaucht: Wäre beispielsweise die zur Förderung der Erneuerbaren Energien beschlossene EEG-Umlage aufgeführt, „würde sich die Höhe der Subventionen in Deutschland schlagartig verdoppeln“. (Die EEG-Umlage gilt offiziell nicht als Subvention, weil das Geld nicht über den Bundeshaushalt fließt, sondern direkt vom Stromverbraucher über die Netzbetreiber an die Unternehmen abgeführt wird. „Die Welt will betrogen werden, also…“, wußten schon die alten Römer.)
Staatliche Wettbewerbsverzerrung
Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch Folgendes, was „Meinungsschreiber“ in der ZEIT schreibt: Würde man die Subventionen aus den Bilanzen vieler Unternehmen und börsennotierter Konzerne (insbesondere die im DAX) herausstreichen, dann würde sich verdeutlichen, daß die deutsche Wirtschaft ziemlich marode ist. Man hat Entwicklungen verpennt, Reformen greifen nicht oder fehlen gänzlich, die Umsätze, Gewinne und Renditen wären deutlich kleiner und die Unternehmen teilweise nicht mal halb so viel wert, wie sie an Wert beziffert oder an der Börse gehandelt werden.
Oder kurz gesagt: Staatliche Wettbewerbsverzerrung. Der DAX spiegelt nicht mal ansatzweise wieder, wie stark die deutsche Wirtschaft tatsächlich ist. Wenn sich selbst ein Luxusautobauer wie Porsche die Expansion in Leipzig mit Steuergeldern in zweistelliger Millionenhöhe (~40 Mio. Euro) subventionieren läßt, dann sagt es viel über die „Verantwortung“ aus, die die Unternehmen in ihren Hochglanz-Broschüren mantraartig kommunizieren. Wachstum und Renditen auf Kosten der einfachen Mehrheit. Ergo: Exportabhängig, riesiger Niedriglohnsektor, steigende Staatsverschuldung etc. pp.
„Die staatlichen Wirtschaftslenker fühlen sich im Recht; denn der Staat glaubt, alles besser als der Markt zu wissen. Dabei hat nicht der Markt in diesen Bereichen versagt, sondern der Staat selbst. Vorbei sind die Zeiten, als Koch und Steinbrück noch mit dem Rasenmäher die Subventionen abrasieren wollten. Der Subventionsbericht verschleiert die großen Sünden der Großen Koalition, bei denen der Staat alle Tabus bricht“, schreibt etwa das HANDELSBLATT dazu.
Ich erspare Ihnen und mir die Schlußfrage, ob sich nach der Bundestagswahl die „Subventionitis“ ändern wird. Sie wird so bleiben, der Lobby sei Dank. Und alles andere gehört in die Rubrik „leere Versprechungen“.
Dieser Artikel erschien ursprünglich hier: https://conservo.wordpress.com/2017/08/22/immer-mehr-subventionen-statt-wie-versprochen-weniger/
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