Das Pentagon gab gestern bekannt, dass US-Soldaten eine neuerliche, bewaffnete Konfrontation mit „mutmaßlich russischen Söldnern“ gerade noch verhindern konnten. US-Verteidigungsminister Jim Mattis gab bekannt, bei einer militärischen Operation östlich des Euphrats seien russische Militärelemente den Stellungen der US-Army sehr nahe – zu nahe – gekommen. General Joe Dunford habe daraufhin seinen russischen Ansprechpartner, General Valery Gerasimov kontaktiert und unterrichtet. Die „russischen Elemente“ sollen sich, laut dem AFP-Bericht daraufhin zurückgezogen haben.
Die AFP-Meldung bezieht sich noch einmal ausdrücklich auf eine bewaffnete Auseinandersetzung in der ostsyrischen Provinz Deir ez-Zor Am Westufer des Euphrats, wo die Streitkräfte der USA am 7. Februar einen Luft- und Artillerieschlag gegen eine Gruppe von Bewaffneten lancierte, die auf Seiten des syrischen Präsidenten Assad stehen. Angeblich sollen dabei Hunderte von russischen Söldnern getötet worden sein. Die Rede war von „paramilitärischen Strukturen mit Verbindung zu Russland“, die beträchtliche Verluste erlitten hätten.
Die Kampfhandlungen waren nicht unbeträchtlich. US-Spezialeinheiten auf der anderen Seite starteten einen verheerenden Angriff mit Apache-Kampfhubschraubern, einem Luft-Boden-Flugzeug vom Typ AC-130, mehrere F‑15-Kampfjets und Artilleriebatterien gegen die Männer Assads, die in der Gegend im Einsatz gegen die letzten Widerstandsnester des IS vorgegangen sein sollen. Die syrische Regierung nannte den amerikanischen Overkill ein „Massaker“ und ein „Kriegsverbrechen“.
Ein Blick auf die Landkarte zeigt, welche Gründe die US-Streitkräfte bewegt haben könnte, so drastisch zu reagieren: Beide Vorfälle, der vom 7. Februar und der neuerliche vor wenigen Tagen ereigneten sich direkt am Rande der großen Ölfelder Omar, Hashim und der Conono-Gasraffinerie.
Dieses Gebiet ist das Herz der syrischen Gas- und Ölindustrie. Es wurde daher vom IS erobert und diente als Geldbeschaffungsquelle für seine weiteren Aktionen. Als der IS unter Beschuss geriet, waren es die Amerikaner, die sich sofort auf diese Beute stürzten, die Kapitulation des IS in Rakka annahmen und 4000 IS-Kämpfer nach Deir ez-Zor verbrachten, damit diese dort für die Amerikaner verhindern, dass die regulären syrischen Truppen die syrischen Öl- und Gasfelder dem Land wieder zurückholen können.
Natürlich haben sich die Amerikaner dort festgesetzt. Einerseits, um selbst die Ressourcen ausbeuten zu können und die Energieströme zu kontrollieren, aber auch, um zu verhindern, dass Präsident Assad durch die Einnahmen aus Öl und Gas den Wiederaufbau Syriens finanzieren und seine Präsidentschaft weiter festigen kann. Es ist immens wichtig für die USA, den Plan des Umsturzes von sieben Ländern auch durchzuziehen, den sie seit Jahren verfolgen. Ziel ist es, dadurch die Oberhand über die Energieversorgung Europas zu gewinnen, Russland und China aus dem Markt Europa zu verdrängen, das Projekt „Neue Seidenstraße“ zu torpedieren und damit eine sichere Basis zu haben, ihre Weltmachtstellung zu verteidigen, die zur Zeit – auch durch Chinas Einstieg in den Welt-Ölhandel mit dem Yüan – wackelt.
Die Macht der USA ruht auf dem Petrodollar, der die Stellung des US-Dollar als Weltleitwährung zementiert und ihrer Armee. Letztere ist nicht nur langsam überfordert, sondern auch durch die politische Verächtlichmachung des weißen Mannes, der aber traditionell die „weißen Kriegerkaste“ der US-Armee trägt, geschwächt. Überdies ist den USA mit Russland ein global klug und geschickt agierender Antagonist entstanden, der zu allem Überfluss in China noch einen Verbündeten hat, mit dem ebenfalls nicht zu spaßen ist.
Wenn also die angezettelten Revolutionen und Umstürze und Destabilisierungen von der Ukraine über Afghanistan, Irak, Syrien, Jemen, Ägypten und Libyen nicht für die Katz gewesen sein sollen, müssen sich die USA in Syrien durchsetzen. Sonst brauchen sie den nächsten Brocken, den sie noch umhauen wollen, gar nicht erst anzugehen: Den Iran.
Daher versucht die US-geführte Koalition mit allen Mitteln, einen militärischen Sieg in Syrien zu erringen, bevor das Land zu Frieden, Stabilität und Sicherheit zurückkehrt. Die Syrische Armee wäre auch kein echter Gegner für die US-Army, die Russen aber schon, und sie stellen sich den Plänen der USA in den Weg.
Das Aufgebot der USA vor den Küsten Syriens im Mittelmeer, im Persischen Golf und auch in Syrien konzentriert seine Schlagkraft immer deutlicher auf den Großraum Damaskus. Man plant offenbar mehrere Angriffswellen.
Zuerst muss die syrische Luftraumaufklärung und die Flugabwehr ausgeschaltet werden. Die Bodentruppen können dann nicht mehr vor herannahenden Kampfjets gewarnt werden und die Amerikaner können die syrischen Soldaten am Boden wie die Hasen abknallen und wegbombardieren. Damit hätten die im Land stationierten US-Truppen freies Feld und könnten die wichtigen Landstriche unter dem Schutz ihrer Luftwaffe besetzen.
Selbstverständlich werden sich die Amerikaner überdies dazu gezwungen sehen, Damaskus und den Regierungssitz mit Raketen anzugreifen, weil Assad mal wieder publikumswirksam und zeitlich genau passend mit Giftgas oder anderen chemischen Waffen gegen sein eigenes Volk losschlägt, und entsetzliche Greueltaten an den Syrern begeht, weil diese zu viele Assad-Plakate in ihren Städten aufhängen:
„Valery Gerasimov, head of Russia’s General Staff, said Moscow had information that rebels in the enclave of eastern Ghouta were planning to fake a chemical weapons attack against civilians and blame it on the Syrian army. He said the United States intended to use the fake attack as a pretext to bomb the government quarter in nearby Damascus where he said Russian military advisers, Russian military police and Russian ceasefire monitors were based.“
Im Kampfgetümmel würden dann sehr wahrscheinlich auch ein paar Raketen den bösen Chemmiewaffen-Schurken Assad direkt treffen, wobei man ganz unbeabsichtigt, wie schon oft, auch gleich Präsident Assads russische Militärberater mit wegputzt.
Das nächste, dann verwundbare Ziel sind die syrischen Befehlszentralen. Ist die Kommunikation zwischen den syrischen Truppenteilen zerstört, wird eine koordinierte, militärische Vorgehensweise unmöglich.
Ist die syrische Armee dann nur noch ein versprengter Haufen, würden amerikanische und damit alliierte, westliche Stiefel auf syrischem Boden marschieren. Insbesondere die Briten wären wieder mit dabei. Als Vorhut würden die Milizen der von den USA trainierten „gemäßigten Opposition“ — wahrscheinlich auch etwas umdekorierte IS-Kämpfer — dienen, die dabei auch ruhig aufgerieben werden können.
Der russische Präsident Putin und Oberbefehlshaber General Valeri Gerasimow ließen ihre westlichen Partner wissen, dass ihnen diese Pläne bekannt und keine gute Idee seien. Alle Tomahawk-Raketen in Richtung auf den Regierungssitz in Damaskus oder syrisches Militär würden von den russischen Einrichtungen abgefangen werden. Sollten überdies noch russische Militärs bedroht sein, würden die US-Kriegsschiffe vor Syriens Küste mit russischen Raketen angegriffen werden. Dass die Ankündigung ernst gemeint ist, unterstreicht die Tatsache, dass die Russen sofort weitere Flugabwehrsysteme des Typs S‑400 nach Syrien verbracht haben. Auch die amerikanischen Kampfjets würden vom Himmel geholt, sollte es den USA einfallen, russisches Militär anzugreifen, versicherte Gerasimov.
Dass die Russen sich sehr intensiv auf eine ernsthafte Auseinandersetzung um Syrien vorbereiten, wird auch durch andere Indizien deutlich.
Die russische Flugabwehr in Syrien wurde massiv aufgestockt und der russische Kriegsflottenverband im Mittelmeer verstärkt. Sie sind mit den gefürchteten Anti-Schiffs-Raketen „Kalibr“ ausgestattet, einer Variante der Marschflugkörper „Kalibr“. Diese Raketen sind deshalb der Schrecken der Gegner, weil sie auf Mach 3 beschleunigen können und trotzdem in der Lage sind, im letzten Teil des Zielanflugs noch Ausweichmanöver zu fliegen. Dadurch sind sie auch sehr schwer mit dem Radar zu erfassen oder ihre Flugbahn zu berechnen.
Noch wendiger und kaum abzuschießen ist die russische „Onyx“. Selbst die neueste und beste schiffgestützte Flugabwehrrakete „Evolved Sea Sparrow Missile“ der Amerikaner hat da nur begrenzte Chancen.
Im gesamten Luftraum über der Syrischen Küste bis weit ins Mittelmeer hinein kommt es seit der Zuspitzung der Lage dauern zum Ausfall des amerikanischen Navigationssystems GPS. Diese Probleme sind bei den Piloten der ganz normalen Verkehrsmaschinen mittlerweile schon bekannt. Die Russen haben ganz offensichtlich ihre Elektronischen Kampfführungs-Systeme (EloKa) wie RB-341W „LEER‑3“ in Stellung gebracht, die nicht nur das GPS stören und die Navigation erschweren sollen, sondern auch die Navigationsbauteile in den Tomahawk-Missiles außer Gefecht setzen sollen. Ähnliche GPS-Navigationsmodule sind auch in den AWACS-Flugzeugen und den RC-135-Aufklärungsflugzeugen eingebaut, die mit der russischen EloKA empfindlich gestört werden können.
Dieses EloKA-System würde wahrscheinlich auch die Funktionstüchtigkeit der Suchköpfe der amerikanischen Flugabwehrraketen „Evolved Sea Sparrow Missile“ beeinträchtigen. Und selbst wenn nicht, müssen die Zieldaten an die Flugabwehrraketen vom AWACS direkt übertragen werden – und das AWACS würde ziemlich sicher von dem russischen EloKA-System beeinträchtigt. Mit anderen Worten: Wenn die Russen einen Schwarm Onyx-Raketen auf die US-Kriegsschiffe loslassen, würde das nicht ohne Verluste für die Amerikaner ausgehen.
Außerdem würde Russland sicher noch seine Überschallbomber Tupolew 22M und die Suchoi-Kampfjets gegen die US-Flotte einsetzen. Beim letzten Großmanöver „Zapad 2017“ führte Russland seine neuesten Waffensysteme der Weltöffentlichkeit vor. Hier gab es auch für die Amerikaner einiges zu bestaunen. Die berühmten US-Tarnkappenflugzeuge sind auch nicht mehr die unsichtbare Geheim-Superwaffe. Russland hat ein System aus Mikrowellen und Ultrakurzwellen entwickelt, mit dem die Stealth-Bomber gut zu orten und so zu eliminieren sind.
Man darf davon ausgehen, dass die russische Führung den Amerikanern ein sehr plastisches Szenario geschildert haben, denn die US-geführte Koalition in Syrien überdenkt zur Zeit ihre Strategie eines massiven Raketenangriffes gegen Syrien. Die große Offensive ist vertagt. Aber mit Sicherheit nicht aufgegeben. Dazu steht für die USA zu viel auf dem Spiel.
Man wird sich auf der Seite der USA eine andere Taktik ausdenken und die Raketenangriffe aus Gebieten starten, die für die Russen schwerer erreichbar sind, oder wo ihnen nicht viel Zeit bleibt, einen ganzen Schwarm von Tomahawks abzuschießen. Die Seite Sputnik stellt hier detaillierte Betrachtungen an:
„Für einen massiven Schlag gegen Syrien müsste die 5. Flotte der US-Navy lediglich etwas nördlich des Bab al-Mandab in Stellung gehen – das wären 2.200 Kilometer bis nach Syrien –, und von dort aus ihre Tomahawks mit der Reichweite von 2.400 Kilometern abfeuern. Der für Russland taktisch besonders ungünstige Aspekt hierbei wäre, dass die amerikanischen Marschflugkörper den Großteil der Strecke nicht über neutralen Gewässern, sondern über das Territorium Saudi-Arabiens und Jordaniens zurücklegen würden. Die Möglichkeit, die Tomahawks rechtzeitig abzufangen, wäre den russischen Luft- und Weltraumstreitkräften dadurch bis zu einem gewissen Grad genommen.“
Da sich in und um Syrien sehr wahrscheinlich die Frage entscheiden wird, ob die USA die Weltmacht Nummer 1 bleiben oder sich hinter Russland und/oder China auf den zweiten oder dritten Platz verweisen lassen muss, geht es hier für die USA um alles. Keiner kann hier freiwillig zurücktreten. Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs ist konkret. Auch die Skripal-Affäre ist ein Teil des Endspiels um die Macht auf diesem Planeten. Es wird kein leichter Gang werden, für niemanden.