Nicolaus Fest: Goodbye, Agenda-Setting! Über den Hirntod deut­scher Medien

(Von Nicolaus Fest)
Vor einiger Zeit wies ich in einer Rede auf die kon­zep­tio­nellen Ähn­lich­keiten zwi­schen der AfD und der erfolg­reichen BILD alter Tage hin. Wie heute die AfD stand die BILD der 1980 und 1990 Jahre klar gegen Regierung und Estab­lishment; wie die AfD war die alte BILD rea­lis­tisch-kon­ser­vativ, folgte also nicht den Tages­pa­rolen der Refugees-Welcome-Uto­pisten; wie die AfD war die ver­gangene BILD unver­stellt patrio­tisch, natio­nal­staatlich und skep­tisch gegenüber der Brüs­seler Büro­kratie; wie die ‘Alter­native’ war BILD poli­tisch unkorrekt und stolz darauf, ‘popu­lis­tisch’ zu sein, also Sprachrohr des Volkes; wie der AfD galt BILD aus diesem Grunde der Haß des linken, volks­fernen Juste Milieu. Beide fassten ihr Mar­ken­ver­sprechen in ähn­liche Claims: “Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie aus­spricht”, hieß es bei BILD, “Mut zur Wahrheit” ver­langt die AfD. Und bei beiden war manche For­mu­lierung unzu­lässig schief: “Vogel­schiss” kor­re­spon­diert mit “Asyl: Deutschland gibt Gas” oder mit der uner­reichten Fest­stellung: “Schlimm: Aids trifft nicht nur Fixer und Homo­se­xuelle, sondern auch Unschuldige!”
Und noch eine Par­allele gibt es: Früher setzte BILD die großen Themen, heute tut es die AfD: Euro, EU, Isla­mi­sierung, Aus­län­der­kri­mi­na­lität, Herr­schaft des Unrechts, Patrio­tismus respektive – als Gegen­stück – die sehr frag­liche Loya­lität der hie­sigen Türken.
Und schließlich das über­große Thema der ‘sozialen Frage’, also der finan­zi­ellen Dis­kri­mi­nierung der Deut­schen gegenüber Flücht­lingen, ver­bunden mit der Plün­derung der Sozi­al­kassen zugunsten para­si­tärer Exis­tenzen aus fernen Ländern. Alle die Themen, die vor der Bun­des­tagswahl von den Alt­par­teien als Hirn­ge­spinste und Ver­schwö­rungs­theorien abgetan wurden, sind plötzlich jene, die den poli­ti­schen Alltag von Union und SPD, von Grüne und Linke bestimmen: Kreuze in Amts­stuben, Ita­li­en­krise, BAMF, Zurück­weisung von Migranten, Özil & Gün­dogan, Susanna, EU-Spaltung, Alters­armut.Wie toxisch die Ära Merkel und ihrer Cla­queure war und ist, zeigt sich auch daran: Dass weder Alt­par­teien, Gewerk­schaften noch Kirchen in der Lage sind und waren, irgendeine gesell­schafts­po­li­tische Debatte anzu­stoßen; und schon gar nicht die Medien. SPIEGEL, STERN, ZEIT, WELT, Süd­deutsche, vom Fern­sehen ganz zu schweigen – alle sind mit Blick auf den inner­ge­sell­schaft­lichen Diskurs voll­kommen abge­meldet. Während die Deut­schen seit Monaten über die Folgen der Mer­kel­schen Grenz­öffnung debat­tierten, ver­bissen sich die Medien in Trump, Putin, Nord­korea oder, immer hoch­ak­tuell, in Kapi­ta­lis­mus­kritik. Und wenn es doch mal über die Zustände in Deutschland ging, dann in Form des betreuten Denkens, exem­pla­risch exe­ku­tiert von SPIEGEL, Süd­deutsche und ZEIT: Gewiß, Ban­den­ver­ge­wal­tigung, ‘Ehren­morde’ und Mes­ser­at­tacken seien uner­freulich, aber doch nur Ein­zel­fälle, Blitz­ra­di­ka­li­sie­rungen, post­trau­ma­tische Störung, Bezie­hungs­taten. So adap­tierten die Print­medien den Sedie­rungs­jour­na­lismus Anne Wills und Maybrit Illners: Dis­kurs­theater im ängstlich zemen­tierten Mei­nungs­kor­ridor des illi­be­ralen Main­streams. Ent­weder offene Lüge oder schlicht Laber, Rhabarber.
Auf der Strecke blieb dabei das legendäre Agenda-Setting von BILD, und auch das der FAZ Frank Schirr­ma­chers – beide erstickt in der Hirn­todzone poli­ti­scher Kor­rektheit. Bezeich­nen­der­weise ent­stand die letzte große Debatte vor dem Auf­kommen der AfD gegen die Medien: Thilo Sar­razins Buch “Deutschland schafft sich ab” wurde von den Bürgern heftig dis­ku­tiert, von Regierung, Fern­sehen und Zei­tungen tot­ge­schwiegen oder skan­da­li­siert. Auch BILD mochte in die Debatte um ‘Kopf­tuch­mädchen’ und die intel­lek­tu­ellen wie sozialen Nach­teile des mus­li­mi­schen Zuzugs zunächst nicht ein­steigen, die oft behauptete ‘Lesernähe’ war schon damals ero­diert. Erst als der SPIEGEL Auszüge druckte, fand auch BILD den Mut aus zweiter Hand. Schon damals wurde deutlich: Der einzige Modus der Medien für den Umgang mit Thesen, die dem linken Main­stream ent­ge­gen­laufen, ist Nicht­be­achtung und Denunziation.
Das gilt unver­ändert. Und es ist der Grund für die quä­lende Lan­ge­weile, die einem aus vielen Zei­tungen und Fern­seh­sen­dungen ent­ge­gen­schlägt. Selbst Tatort und Poli­zeiruf sind inzwi­schen Dau­er­wer­be­sen­dungen der guten Absicht. Dass Auf­lagen und Ein­schalt­quoten massiv zurück­gehen, erschreckt daher nur das mediale Estab­lishment. Tat­sächlich zeugt es von der Klugheit der Bürger. Die spüren längst: Die meisten deut­schen Medien sind unter demo­kra­tie­theo­re­ti­schen Gesichts­punkten über­flüssig. Weder infor­mieren sie umfassend, noch braucht es sie für irgendeine Debatte. Ob es Deutschland ohne diese Medien besser ginge, kann man durchaus diskutieren.
 


Quelle: http://nicolaus-fest.de/
Nicolaus Fest arbeitete nach seinem 2. Staats­examen und seiner Pro­motion zum Dr. jur. zunächst einige Jahre für das Auk­ti­onshaus Sotheby’s, dann für die Verlage Ebner Pres­se­ge­sell­schaft und Gruner + Jahr, von 2001 an für Axel Springer. Dort lange in der Chef­re­daktion von BILD, später bis zum Oktober 2014 stell­ver­tre­tender Chef­re­dakteur der BILD am SONNTAG. Seitdem freier Publizist. Poli­tisch war immer unge­bunden. Daher war der Wechsel in die Politik, den er im Herbst 2016 mit dem Ein­tritt in die Alter­native für Deutschland vollzog, auch für ihn eine neue Erfahrung.