Angela Merkel, Bild: Flickr.com, Glyn Lowe, Bildlizenz: CC BY 2.0

Chemnitz-Skandal: Die Fake-News-Kanz­lerin kneift!

Am 16. November soll unsere all­seits beliebte Kanz­lerin, Frau Dr. Angela Merkel, in Chemnitz weilen und dort mit ganz nor­malen Sterb­lichen eine Debatte führen. Ein­ge­laden dazu hat die „Freie Presse”, ein säch­si­sches Online- und Print-Magazin.
Die Chem­nitzer sollen mit der Kanz­lerin ins Gespräch kommen, maximal 120 Leser und Lese­rinnen können teil­nehmen. Wer nicht dabei sein kann, hat aber die Mög­lichkeit, dieses Jahr­hundert-High­light als Live­stream im Internet zu sehen.
Am ersten Teil des Nach­mittags sollen vier Leser*innen vor allen Gästen in geschlos­sener Runde mit Frau Merkel dis­ku­tieren dürfen, anschließend wird das Gespräch auf alle Zuschauer*innen erweitert. Wo das ganze statt­finden soll, steht angeblich noch nicht fest.
Um eine Teil­nahme können sich die Leser*innen der „Freien Presse“ mit einem Coupon bewerben, den sie aus der gedruckten Mitt­woch­ausgabe aus­schneiden können. Es gilt nur der Ori­gi­nal­coupon. Digi­tal­abon­nenten sind ein bisschen schneller dabei: Sie erhalten bereits Dienstags eine Mail mit Link zum Bewerbungsformular.
80 Prozent der Publi­kums­plätze sind den Lesern der Chem­nitzer Ausgabe der „Freien Presse“ vor­be­halten. Man will auf die Situation der Stadt Chemnitz reagieren. 30 Plätze sollen Leute erhalten, die in den letzten Wochen mit Anre­gungen und Kritik auf die Redaktion zuge­kommen seien und zusätzlich gesell­schaft­liche Gruppen, die die Stadt­ge­sell­schaft reprä­sen­tieren. Der ver­blei­bende Teil werde unter den Inter­es­senten verlost, die den Zei­tungs­coupon oder das Online For­mular ausfüllen.
Da stutzt der auf­merksame Leser. 80 Prozent der 120 mög­lichen Plätze sind für Chem­nitzer reser­viert. Nach Adam Riese sind das dann 96 Chem­nitzer, die dort Platz nehmen dürfen. Dann sollen noch 30 Leute mit Anre­gungen und Kritik dazu­kommen, dann wären das aber schon 126 von 120 Plätzen, die da belegt werden. Zusätzlich noch die „Reprä­sen­tanten der Stadt­ge­sell­schaft“… und dann werden die noch freien von den über­be­legten Sitzen verlost. Zauberei?
In einem zweiten Artikel zu dieser Sache berichtet die „Freie Presse“, dass zusätzlich noch fünfzehn „Per­sonen, die mit dem Thema Sicherheit zu tun haben“, kommen, und nun gibt es nur noch weitere 15 Per­sonen aus dem Kreis derer, die mit Kritik und Anre­gungen auf die Redaktion zuge­kommen sind. Zudem konnten sich laut „Freie Presse“ Inter­es­senten melden, die mit­reden wollten. Diesem Aufruf seien 32 Leser gefolgt.
Potz­donner: Zwei­und­dreißig Leser aus ganz Chemnitz wollen mit der Kanz­lerin debat­tieren! Das ist ja ein unglaub­licher Andrang! Hof­fentlich reichen da die Sicher­heits­kräfte des Kanz­ler­amtes plus der ört­lichen Polizei aus. Offenbar hat die „Freie Presse“ in Chemnitz aber selbst Bedenken, dass eine solche, uferlose Men­schen­menge kaum zu kon­trol­lieren sein würde. Jeden­falls habe man, so steht zu lesen, von diesen zwei­und­dreißig Inter­es­senten fünfzehn Bewerber per Los aus­ge­sucht. Damit sollten ein paar Busse voll Sicher­heits­kräfte, die in „Crowd-Control“ geschult sind, not­falls noch fertig werden.
Die „Freie Presse“ will nach eigenem Bekunden eine Plattform bieten, auf der mit Blick auf die „Ereig­nisse im August“ sachlich Pro­bleme benannt und Lösungs­an­sätze gefunden werden sollen.
Wir sind überaus gespannt auf diese Lösungs­an­sätze und werden, sollte man davon erfahren, unsere Leser unterrichten.
Der Ein­druck, dass dieses ganze Event sehr unkon­ven­tionell geplant und durch­ge­führt wird, ver­stärkt sich noch durch einen Bericht auf der Web­seite (Merkel übergeht OB bei Chemnitz-Besuch) von „Radio Lausitz“ vom 27. September. 
Wir zitieren:
“Die Chem­nitzer Ober­bür­ger­meis­terin Barbara Ludwig hat über­rascht auf den ange­kün­digten Besuch der Bun­des­kanz­lerin reagiert. Angela Merkel kommt im November nach Chemnitz — zu einer Dis­kus­si­ons­runde mit Lesern der Freien Presse. Das sei nicht das Format eines Bür­ger­ge­sprächs, zu dem sie die Kanz­lerin ein­ge­laden habe, kri­ti­siert das Stadt­ober­haupt. ‘Eine ver­bind­liche Antwort der Kanz­lerin auf meine Ein­ladung liegt nicht vor. Ich hoffe sehr, dass die Freie Presse dem großen Interesse an der Ver­an­staltung gerecht wird und tat­sächlich sehr vielen Chem­nit­ze­rinnen und Chem­nitzern Gele­genheit zum wirk­lichen Dialog mit der Kanz­lerin gibt’, sagte Ludwig unserem Sender.”
Schon am 11. Sep­tember hatte die „Welt“ von der Ein­ladung der Chem­nitzer Bür­ger­meis­terin an unsere geliebte Bun­des­kanz­lerin Frau Dr. Merkel berichtet. Bereits damals for­mu­lierte die „Welt“ leise kryptisch:
“Die Ein­ladung an Angela Merkel steht, jetzt muss die Kanz­lerin nur noch der Ein­ladung von Chemnitz‘ Ober­bür­ger­meis­terin Ludwig folgen. Der wäre es am Liebsten, wenn Merkel zum bereits geplanten Bür­ger­dialog kommt.” 
Aha, also hatte Frau OB Ludwig eine ganz andere Ver­an­staltung geplant, als die Gesprächs­runde bei der “Freien Presse”. Offenbar hat Frau Bun­des­kanz­lerin tat­sächlich die Dame Ober­bür­ger­meis­terin Barbara Ludwig und deren bereits fest geplantes Gro­ßevent, dass diese bereits für den Oktober im Stadion Chemnitz ange­setzt hatte, tor­pe­diert und statt­dessen bei der „Freien Presse“ zugesagt?
Ober­bür­ger­meis­terin Barbara Ludwig war fest davon aus­ge­gangen, dass die Kanz­lerin ihrer Ein­ladung zum Gespräch und einem Gro­ßevent Folge leisten würde und sagte gegenüber der „Welt“:
Sie soll zu einem Dialog mit den Bürgern kommen und nicht nur zu einem Gespräch mit mir.“ 
Soso, “Sie soll”. Nun zeigt sich aber, dass Frau Bun­des­kanz­lerin weder zu einem Gespräch bei Frau Ober­bür­ger­meis­terin kommen wird, noch zu dem Gro­ßevent im Chem­nitzer Stadion, sondern aus­schließlich zu dem Pri­va­tissime-Tee­kränzchen-Termin eines relativ unbe­kannten Mediums.
Könnte das viel­leicht damit zu tun haben, dass die Bun­des­re­gierung nun doch zugeben musste, dass die Behauptung der Kanz­lerin, die AfD sei in Chemnitz zusammen Seit’ an Seite mit Rechts­extre­misten mar­schiert und habe an Aus­schrei­tungen teil­ge­nommen, eine Falsch­be­hauptung war? Möchte Frau Bun­des­kanz­lerin das Ganze mög­lichst unauf­fällig und im kleinsten Rahmen halten? Wo man sicher sein kann, dass keine unan­ge­nehmen Fragen gestellt werden? Hat sie Angst, dass bei einer Groß­ver­an­staltung Pro­teste laut werden könnten?
Sollten unsere Leser etwas Genaueres zu diesem mathe­ma­ti­schen und per­so­nal­po­li­ti­schen Pos­sen­stück wissen — wir sind sehr interessiert.