Wenn es einen Empörungs-Darstellungs-Wettbewerb-Preis zu gewinnen gäbe, er würde an den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) gehen. Wer’s noch nicht mitbekommen hat: Die AfD-Fraktion des Bundestages hatte einen obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs bei dem gemeinnützigen Verein gebucht. Der wurde dann von Seiten des ASB abgesagt.
Die Begründung dafür lieferte Ulrich Bauch, der Bundesgeschäftsführer des ASB. Der ASB helfe zwar „allen Menschen, unabhängig von ihrer politischen, ethnischen, nationalen und religiösen Zugehörigkeit. Das gilt demzufolge auch für Mitglieder, Abgeordnete und Mitarbeiter der AfD.“
ABER der ASB werde keinerlei Geschäftsbeziehungen mit der AfD eingehen: „Dazu kann auch gehören, die Durchführung von Erste-Hilfe-Kursen für die AfD-Bundestagsfraktion abzulehnen“. Diese Verweigerungshaltung des ASB sei nicht zuletzt in der Geschichte und dem Wertekodex des Verbandes begründet. Der Arbeiter-Samariter-Bund sei selbst Opfer von Rechtextremismus gewesen und wurde 1933 von den Nationalsozialisten enteignet und zerschlagen.
Da wollen wir doch einmal daran erinnern, woher denn der Arbeiter-Samariter-Bund seinen Namen hat.
Das war so: Jesus, der gesagt hat „Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst“, hatte einen Disput mit einem Schriftgelehrten. Dieser fragte Jesus dann, wer genau denn sein „Nächster“ sei. Daraufhin erläutert Jesus das anhand einer Beispielerzählung:
„Ein Mann auf dem Weg von Jerusalem hinab nach Jericho geriet unter die Räuber, die ihn ausplünderten und schwerverletzt liegen ließen. Ein vorüberkommender Priester sah den Verletzten dort liegen und ging weiter, ebenso ignorierte ihn ein Levit. Schließlich sah ein Samariter den verletzten Mann, erbarmte sich, versorgte dessen Wunden und transportierte ihn auf dem Reittier zur Herberge. Dort gab er am folgenden Morgen dem Wirt zwei Denare und beauftragte ihn mit der weiteren Pflege, verbunden mit der Zusage seiner Wiederkehr und der Erstattung weiterer Kosten.
Anschließend fragt Jesus den Schriftgelehrten, wer von den Dreien dem Überfallenen der Nächste gewesen sei. Der Schriftgelehrte antwortet, dass es der Samariter gewesen sei. Daraufhin fordert Jesus ihn auf, fürderhin ebenso wie jener zu handeln.
Warum wählte Jesus einen Priester und einen Leviten?
Für Priester gab es in der Tora die Vorschrift, dass sie sich nicht an der Leiche eines Stammesgenossen verunreinigen durften, abgesehen von den nächsten Verwandten (Lev 21,1 ff. EU). Wenn der Mann tot gewesen wäre, hätte sich der Priester durch eine Berührung wegen Verstoßes gegen dieses Gebot entweiht.
Der Levit war ebenfalls auf dem Weg hinab nach Jericho. Eine allfällige Berührung eines Toten hätte für ihn nach der Tora (Num 19,11 EU) sieben Tage Tame (rituelle Unreinheit) bedeutet, er hätte also am Ziel seines Weges in seiner Heimat keine rituellen Handlungen vornehmen dürfen.
Beide bewerteten ihre jeweiligen religiösen Regelwerke und die möglichen Nachteile höher, als in dieser Situation ihrer menschlichen Verpflichtung zur Barmherzigkeit nachzukommen und dem Mann möglicherweise doch noch das Leben retten zu können.
Warum war es in Jesu Beispiel ausgerechnet ein Samariter, der als Einziger half?
Samariter wurden damals als Feinde angesehen und zutiefst verachtet (Sir 50,25–26 EU). Das Beispiel zeigte, was Nächstenliebe bedeutet und was der Barmherzigkeit und Nächstenliebe an Verboten und Regeln entgegensteht, in den Augen Gottes nicht zählt, denn:
„Was Ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan!“
Es geht dem Bund der modernen Samariter offenbar mehr darum, sich — wie der Priester und der Levit — keine Scherereien und Nachteile einzuhandeln und sich nicht durch einen Kontakt mit der zutiefst verachteten AfD zu beschmutzen und zu entweihen. Oder möchte man sich heute für Taten längst nicht mehr lebender Nazis stellvertretend an der AfD rächen? Der man einfach mal locker unterstellt, sie seien Nationalsozialisten? Und selbst, wenn sie’s wären: „Mein ist die Rache“ spricht der Herr.
Dass die AfD-Fraktion eigentlich nur lernen wollte und musste, wie sie jemandem in einer Notlage wirksam helfen kann, spielt für die Leviten/Priester vom ASB offenbar keine Rolle. Ehrpusseligkeit, gute PR und späte Rache an den Falschen sind wichtiger, als das leuchtende Banner der Barmherzigkeit Jesu geworden?
Dass sie sich damit möglicherweise am Tod irgendeines Hilfsbedürftigen schuldig machen könnten, dem ein böser, verachteter AfDler helfen will, aber leider nicht kann, ist auch wurscht? Hauptsache, der ASB kann sich „sorgfältig aussuchen“, mit wem er Geschäftsbeziehungen hat, um sich in seiner Heiligkeit „nicht zu beschmutzen“:
„Jedoch behält sich der ASB vor, sich Geschäftsbeziehungen genau auszusuchen.“
Jesus würde kotzen.
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