Ein türkischer „Think Tank“ lädt durch
Bildung ist der Schlüssel, so sagt man. Es gab sogar mal eine Kanzlerin, die unser Land in „Bildungsrepublik Deutschland“ umbenannt hatte. In allen Sonntagsreden, die stets in Kongresshallen und nicht unter bröckelndem Putz in Klassenräumen gehalten werden, schwören Politiker heilige Eide auf unsere Zukunft, die in der Bildung läge. Ausweis des Bildungserfolges sind am Ende natürlich akademische Meriten und wenn ein Verein, der sich selbst als Think Tank bezeichnet und das Wort „Akademiker“ im Namen hat, das große Wort führt, werden die Menschen aufmerksam. Die Rede ist vom DTA, dem Verein „Deutsch-Türkischer Akademiker“. Die Webseite ist sehr aufschlussreich und belegt anhand einiger geschickt geschriebener Texte die Agenda dieses Think-Tanks: Präsident Erdogan porentief reinzuwaschen. Er sei kein Islamist und stehe auch den Muslimbrüdern nicht nahe. Er habe vielleicht ein kleines Problem mit autoritären Tendenzen, aber bitte schön… wer hat das nicht! Die Türkei ist nach Darstellung der DTA ein säkularer Musterstaat, gerade im Vergleich mit dem nicht säkularen Deutschland. Hier zwei Beispiele für die geschickte Propaganda.
In der Satire „PEGIDA hatte Recht. Wir hatten Unrecht“ nimmt der Autor die islamkritischen Befindlichkeiten von Pegida auseinander, indem er ihnen die Top-5-Länder der Zuwanderung im Jahr 2013 um die Ohren schlägt. Und in der Tat ist es lustig, wenn wir lesen, dass diese Länder folgende sind: Polen, Rumänien, Bulgarien, Italien und Spanien. Die Türkei verzeichnete 2013 netto sogar eine Abwanderung aus Deutschland. Lustig, diese Pegidisten, oder? Nun sind deren Demos eigentlich das, was ich als „not my cup of tea“ bezeichnen würde, aber ehrlich sollte man schon sein: Pegida wurde erst im Dezember 2014 (!!) gegründet, nachdem die Zuwanderung genau in diesem Jahr erheblich zunahm – und zwar nicht die aus EU-Ländern, zwischen denen Personenfreizügigkeit ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist. Fazit: Lustig geschrieben, aber damit die Pointe passt, musste man die Datenbasis vor die Gründung von Pegida zurückdatieren. Nicht gerade fair, würde ich sagen. Aber was das angeht, liegt die Messlatte angesichts von Heute-Show und eXtra3 ja auch nicht gerade hoch im Moment. Satire darf eben alles, auch Blödsinn komisch finden.
Ein weiterer DTA-Artikel betrifft das Handzeichen, dass der türkische Präsident gern verwendet und das als Rabbiagruß bezeichnet wird. Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich um ein Erkennungsmerkmal oder eine Sympathiebekundung für die islamistischen Muslimbrüder und bezieht sich mit den vier abgespreizten Fingern auf die vier Säulen des Islam. Man kommt auch bei DTA nicht umhin, den Ursprung des Grußes auf die Geschehnisse am „Rabia-al-Adawija-Platz“ in Kairo zurückzuführen, wo am 14. August 2013 das Militär unter as-Sisi das Protestlager der Muslimbrüder, also der Anhänger des gestürzten Mursi, mit brutaler Gewalt räumte. Seitdem verwendet Erdogan diesen Solidaritätsgruß. Es ist kein Geheimnis, wem in Ägypten seine Sympathie galt und warum. Der DTA erklärt nun, die Interpretation des Rabbia-Grußes als islamistisch verbiete sich deshalb. Sie haben verpasst, wie das begründet wird? Nein, haben Sie nicht! Es wird nicht begründet, sie sollen das einfach glauben.
Kritiker-Gate
Aber verlassen wir die Webseite des DTA und kehren zurück zur Islamkonferenz des Innenministers, die in diesem Jahr einiges zu bieten hatte. Zum Beispiel die Tatsache, dass der Minister auch erklärte Kritiker und Reformer des Islam, wie Seyran Ateş, Ahmad Mansour und Hamed Abdel Samad, eingeladen hatte. Nichts logischer als das, sagen Sie? Sehe ich auch so. Nicht jedoch die DTA, die ihren ganzen Hass auf diese drei Kritiker kaum in Worte fassen konnte (siehe Giftschrank weiter unten). Islamkritiker bei einer Islamkonferenz? Seit wann sei denn sowas erlaubt! Wir, die teilnehmenden Muslime erwarten Respekt – und der drücke sich gefälligst darin aus, dass nur Leute anwesend sind, die den Islam für eine großartige, perfekte Sache halten und nichts daran auszusetzen haben.
Die Islamkonferenz soll nach dem Willen der DTA eine einzige Huldigung des Islam sein, bei der die Anwesenden Nicht-Muslime den erlauchten Vertretern des institutionalisierten Islam Gastgeschenke, Ergebenheitsadressen und Barschecks überreichen. Kritik ist unnötig, Kritiker auch. Lieber frotzelt man über die Sicherheitsmaßnahmen, unter denen Ateş, Mansour und Abdel-Samad leben müssen – und zwar deshalb, weil sie vor radikalisierten Islamisten geschützt werden müssen. Lesen Sie dazu auch den Bericht von Hamed Abdel-Samad zu seinen Beobachtungen auf der Konferenz. Meines Wissens ist niemand bei der DTA Abdel-Samad beigesprungen, als eine Fatwa seinen Tod forderte. Niemand von den ach so friedlichen Institutionen, die sich bei der Islamkonferenz die Finger vergolden lassen, sprang Seyran Ateş bei, als sie in Berlin ihre liberale Moschee gründete. Im Gegenteil. Man spottet, man stichelt, man hetzt. Kritiker unerwünscht. Wer am Leben hängt, darf den Islam eben nicht kritisieren.
Blutwurstgate
Eine der Speisen, die auf der Konferenz gereicht wurden, lies bei der DTA die nächste Sicherung durchbrennen: Blutwurst. Nun kann auch ich darin keine Delikatesse entdecken und würde lieber Kohldampf schieben, als mich je zum Verzehr überwinden zu können – aber meine Flönz-Absenz hat keine religiösen, sondern empirische Gründe. Allerdings scheint die DTA anzunehmen, dass ausschließlich Muslime auf der Konferenz zu beköstigen waren und stellt die Sache dar, als hätte es ausschließlich Blutwurst gegeben. Beides war nicht der Fall und ich frage mich, wie man nur so unsouverän sein kann, diese Petitesse derart hochzuspielen. Doch das Schauspiel ist bezeichnend für die tatsächliche Agenda vieler muslimischer Vereine und Verbände. Besonders jener, die sich auf der Islamkonferenz am lautesten gebärden.
Man möchte das ganze Land und alle Aspekte des Lebens zu einem „Safe-Space“ für muslimische Befindlichkeiten machen. Eine „Rücksicht“ hier, eine „Toleranz“ dort, eine „Regeländerung“ da. Das Essen muss halal sein, wenn Muslime in der Nähe sind, alle Deutschen fasten den Ramadan mit oder nehmen „Rücksicht“, indem sie nicht in der Öffentlichkeit essen oder rauchen. Und das Lamm zum Opferfest möchte man dort schlachten dürfen, wo am nächsten Tag wieder Demonstrationen für Tierrechte stattfinden können. Wer daran etwas auszusetzen hat, ist ein islamophober Rassist! Auf diese Weise erleichtert, ja, erzwingt man geradezu die Entstehung einer vollständigen und allumfassenden Parallelgesellschaft.
Die Agenda des Innenministeriums ist gescheitert und die Hoffnung, die man dort in die Islamkonferenz setzte, löst sich mehr und mehr im Dissenz auf. Statt die Integration zu fördern, sorgt man für die Ewigkeitsgarantie einer immer extremer werdenden Opferhaltung von muslimischen Schneeflöckchen, die ihren Migrationshintergrund mehr und mehr zum Vordergrund machen, je länger sie die Migration als solche hinter sich gelassen haben müssten. Man ist Muslim und Akademiker, Muslima und Frau, Muslim und Fußballer, Muslim und Deutscher, wobei Muslim immer vorn steht und die primäre Gruppenzugehörigkeit definiert. Man bezeichnet sich zwar gern als deutsch und verweist auf Geburtsort und Pass, stellt dieser Identität jedoch zu jeder Zeit das Muslimischsein als sinnbestimmend voran. Leider spielt die Politik dieses Spiel mit und spendet reichlich Aufmerksamkeit und Geld. Fürs „Frau sein“ gibt es keine Förderung – Muslima und Frau sein hilft weiter. Die ungefilterte deutsche Realität, so lernen wir aus der Causa „Blutwurst“, ist für Muslime unzumutbar. Reisende und sich ekelnde soll man bekanntlich nicht aufhalten, denn das ist es, was wir anzubieten haben: Gelsenkirchen, Kölsch, Leberkäs und Flönz. Wir werden uns nicht ändern. Schon gar nicht, wenn man uns so „freundlich” darum bittet, wie der DTA.
Güler-Gate
Könnte man die Sache mit der Blutwurst noch als etwas abtun, dass jemandem nur deshalb den Tag versauen kann, weil er sich daran gewöhnt hat, beim kleinsten Wehwehchen nach der Nanny zu greinen, ist der dritte Satz des Empörungskonzertes einfach eine Frechheit, die exakt die Grenze zwischen Kultur und Zivilisation aufzeigt. Denn in welcher verächtlichen, sexistischen und in jeder Silbe unangemessenen Weise sich der DTA über Serap Güler äußerte, hätte dem Verfasser von meiner Seite noch vor hundert Jahren eine Einladung auf die vom Frühtau feuchte Wiese mithilfe eines kalbsledernen Handschuhs eingebracht. Jeder nur ein Sekundant.
Was musste passieren, um zu bewirken, dass bei den „steuerzahlenden Muselmanen“ derart die Sicherung des Anstandes durchbrannte? Frau Güler, ihres Amtes Staatssekretärin für Integration in NRW und Mitglied der CDU, nahm ebenfalls in offizieller Mission an der Konferenz teil. Statt jedoch im Hijab aufzutreten, wie das die DTA vielleicht als sittlich anständig und einer Muslima geziemend ansieht, trug Güler ein kurzes Kleid. Dies trug ihr Aufmerksamkeit auf unterstem Pennälerniveau ein und die Akademiker von der DTA ergingen sich in Mutmaßungen über „postmenstruale Wechseljahrsyndrome“ und stellten Vermutungen über die Farbe und Beschaffenheit von Gülers Unterwäsche an.
Spätestens bei diesen Entgleisungen ist der Beweis erbracht, dass Bildung eben doch nicht alles ist und die deutsch-türkischen Akademiker – oder doch zumindest einige davon – nicht in der Lage sind, die traditionelle und vom Islam mindestens verstärkte Geringschätzung von Frauen aus den harten Schädeln zu kriegen. Ein extra großes Problem hat man offensichtlich mit türkisch-stämmigen Frauen, die sich ganz selbstverständlich wie biodeutsche Frauen kleiden. Aber um genau das abzustellen, gibt es doch seit zwölf Jahren die Islamkonferenz! Wenn es aber sogar noch in den Köpfen von türkisch-deutschen Akademikern derart finster aussieht, was genau wurde da eigentlich all die Jahre über gemacht, außer sich in immer neuen Formen und auf immer mehr Konferenzen vom Staat pampern zu lassen?
An Seyran Ateş, Ahmad Mansour und Hamed Abdel Samad: Bitte machen Sie weiter! Solange Sie auf Konferenzen wie dieser nur mit Personenschutz auftreten können, ist noch nichts erreicht.
An Serap Güler: Ich bin nicht immer mit Ihnen einer Meinung, das tut in diesem Fall jedoch nichts zur Sache. Es ist ihr gutes Recht, sich so zu kleiden, wie Sie es für angemessen halten. Aber Sie wären in der Politik nicht so weit gekommen, wenn Sie sich von Ihrer Herkunft und der Denkweise der dort vorherrschenden Strukturen nicht weit genug emanzipiert hätten. Dafür haben Sie sich meinen ehrlichen Respekt verdient. Respekt für Leistung, wie in unserer Gesellschaft üblich. Nicht die Art Respekt, die von der DTA vermisst wird, wenn sie Blutwurst schnuppert.
An die DTA: Wenn Ihnen der Gastgeber, dessen Gäste und das Catering nicht passen, richten Sie Ihre Konferenzen gefälligst selbst aus! Auf eigene Kosten bitte. Ihre flegelhaften Äußerungen über Kritiker des Islam und Frau Güler waren das Allerletzte und sind zivilisierter Menschen, die sich noch dazu Akademiker nennen, unwürdig. Um ihre Worte zu verwenden: Wir erwarten Aufklärung!
Da der Beitrag der DTA auf Facebook mittlerweile gelöscht oder auf privat gestellt wurde, ist er derzeit nicht mehr abrufbar. Ich kann nur hoffen, dass dort jetzt so richtig die Hütte brennt – verdient hätte man es. Allerdings bin ich der Meinung, dass man dieses Konvolut aus Beleidigungen, schlechtem Deutsch und pubertären Unverschämtheiten atombombensicher aufbewahren sollte, um eines Tages zu belegen, was türkisch-deutsche Akademiker im Jahr 2018 schrieben, während sie die Meinung vertraten, die Deutschen täten nicht genug für den Islam und die Integration. Damit meine Leser also wissen, warum ich mich hier so aufrege, gebe ich den DTA-Text unbearbeitet und ohne weitere Kommentare hier wieder.