… von Albrecht Künstle — Es begab sich zu der Zeit, als Deutschland schon wieder ein „gelobtes Land“ war. Lübke war Statthalter der Westmächte in Bonn und Ludwig Erhard ein richtiger Kanzler. Ein jeder war aufgefordert, sich in Steuerlisten einzutragen. Damals in Galiläa und Judäa, in unserem wiedererstandenen Deutschland erst recht. Anno 1965 auch ein junger Mann, der mit 15 Jahren eine Lehre begann und mit 18 erstmals in Kanzlers (Lohn)Steuerliste eingetragen wurde. Ebenso Kirchensteuer zahlte, wie sich das in diesem, unserem Land gehört.
Vater Staat und Mutter Kirche waren mit ihrem Sohnemann sehr zufrieden. Insbesondere, als er später gutes Geld verdiente, freuten sich beide „Eltern“. Er war auch mit diesen zufrieden, zumal es schon damals hieß, wer lange und viel arbeitet erhält auch einmal eine gute Rente. Das wurde später verblümt wiederholt: „Unsere Renten sind sicher“ – welche meinte er? Und Mutter Kirche erteilte solchen Sprüchen ihren Segen. C‑Politiker sagen das, damit die Schrift in Erfüllung gehe, „Du sollst Vater und Mutter ehren“ – auch mit ordentlichen Renten!
Der fleißige Bürgersohn war gutgläubig, sogar gläubig, und begab sich die letzen 14 Jahre seines Berufslebens sogar in den kirchlichen Dienst. Dort erwarb er sich weitere Rentenansprüche, auch bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse KZVK. Aber als die Zeit der Ernte anbrach, als er hoffte, für 47 Jahre ununterbrochene Steuer- und Rentenzahlungen mit der versprochenen Rente geehrt zu werden, „fiel er aus allen Wolken“ – obwohl er noch gar nicht im Himmel war. Denn Vater Staat hatte die versprochene Rente drastisch gesenkt, so dass er nur noch in gesicherter Armut leben würde, hätte er nicht anderweitig vorgesorgt.
Und auch Mutter Kirche, die ihren Bediensteten eine Gesamtversorgungsrente versprochen hatte, wie im öffentlichen Dienst, brach ihr Versorgungsversprechen. Allerdings konnte sie den Schwarzen Peter den Gewerkschaften zuschieben. Diese ließen es zu, die Gesamtversorgung abschaffen und durch ein (teilweise kapitalgedecktes) Punktesystem zu ersetzt – deutlich schlechter als zuvor.
Doch irgendwann besann sich Vater Staat, dass die Erhöhung des Rentenalters bei gleichzeitiger Senkung der Renten des „Guten zu viel“ war – genauer gesagt war es eine gezielte Verschlechterung, um der Versicherungswirtschaft und ihren Aktionären etwas Gutes zu tun. Plötzlich anno 2014 erinnerten sich die Spezialdemokraten, dass sie einmal Sozialdemokraten waren. Als sie dann das Rentenalter wieder vorübergehend auf 63 absenkten, war der Geschröpfte bereits in Rente und hatte nichts von ihr. Mit der Korrektur wäre er mit seinen 62 Jahren mit nur 3,6 Prozent Abschlägen ausgeschieden – trotz seiner 47 Beitragsjahre!
Der auch bibelkundige, jetzt nicht mehr junge Mann wusste, dass man nicht in allen Fällen auch die andere Wange hinhalten muss, wenn man geschlagen wird. Im AT hieß es „Aug um Auge …“ Also ließ er sich etwas einfallen, um seine Abschläge wenigstens drücken zu können. So war es mit seiner gesetzlichen Rente, und zwar von 10,8 auf 8,4 Prozent Abschlag. Doch da hatte er die Rechnung ohne die KZVK gemacht, an die er über zehn Jahre Beiträge zahlte. Obwohl diese Kasse mit seinem Kniff wie die Rentenversicherung eine komplette Monatsrente einsparte, überwies sie anschließend eine noch geringere Rente – als ob es noch die Gesamtversorgung gäbe.
Weil der gute Mann als ehemaliger Rechtssekretär auch Rechtsquellen aller Art kennen und auslegen gelernt hatte, beanstandete er die rechtswidrige Rentenkürzung nicht nur bei der Übeltäterin, sondern auch bei der Aufsicht über die KZVK, dem Verband der Diözesen Deutschlands VDD. Doch dieser wollte mit seinem Kind KZVK nichts am Hut haben und wusch seine Hände in Unschuld. Da erinnerte sich der Betrogene an Jesu: Nicht an ihren Worten sollt ihr sie erkennen, sondern an ihrem Tun.
Also musste der Geschädigte vor Gericht ziehen. Noch nicht einmal die dort vorgetragene Tatsache, dass die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage desselben Tarifvertrags und gleichlautender Satzungen die Rente in diesem Fall nicht gekürzt hätten, bewegte die KZVK zum Einlenken. Als ob die Kirche auch im Bereich der Zusatzrenten ihr Selbstbestimmungsrecht unter Beweis stellen wollte – manche nennen es Selbstherrlichkeit.
Fazit: Zwar wurde die Rentenkürzung vor Gericht zurück genommen, aber es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Das Engagement für seine Kirche hat jedenfalls abgenommen. Seine Inbrunst als Tenor im Kirchenchor hat ebenfalls gelitten. Und wenn er nicht aus der Kirche ausgetreten ist, freut sich diese, dass sie von ihrem Schäfchen weiterhin Kirchensteuer erhält, weil der gute Mann auch in seiner Rente kräftig Einkommensteuer zahlen muss. Zwar ist Vater Staat moralisch nicht viel besser. Denn seit 2005 verlangt er von Betriebsrentnern doppelt so hohe Beiträge zur Krankenversicherung. Aber zumindest denkt er jetzt darüber nach, diese Sauerei zurückzunehmen. Manchmal könnte sich Mutter Kirche von Vater Staat eine Scheibe abschneiden. Aber was lassen sich Mütter von Vätern auch sagen?
Hinweis: Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten bzw. (m)einer lebenden Person sind nicht erfunden.