von Hans Werner
Die Floskel „Generationenvertrag“ und das Herumdoktern an der „Rentenformel“ greifen nicht mehr. Eine neue Rentenehrlichkeit und eine sofortige Anhebung der Renten um 20% sind überfällig.
Musterrentner & Co. — Schluss mit dem Versteckspiel bei den Renten-Zahlen
Die Malaise der Gesetzlichen Rente (GRV) beginnt mit der Geheimnistuerei. Weder im GRV-Jahresbericht noch im Versichertenbericht finden sich Informationen über die Netto-Rentenzahlung (vor Steuern, nach Krankenversicherungsbeitrag). Erst die unbekannte Quelle zeigt, dass 2017 die ausgezahlte Rente von 835 € im Bundesdurchschnitt 20% unter der Armutsgrenze lag.
Statt zu informieren, täuscht die GRV seit Jahrzehnten mit dem fiktiven „Musterrentner“ — der auch im internationalen Vergleich für Deutschland hinhalten muss — welcher 45 Jahre Beiträge gezahlt haben soll. Im OECD-Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab. Mit einer Bruttorente von 51% des letzten Aktiven-Gehalts (Renten-Chinesisch Ersatzrate) liegt es unter dem Durchschnitt (58%). Solche Themen werden hier aus Scham schnell abgehakt. Lieber redet man über die Exportweltmeisterschaft und Verschuldungstugenden. Eine bitter nötige Rentenreform darf nicht mit der Wiederholung alten Mythen und Phrasen beginnen.
Mythos 1: Der Generationenvertrag ist weder ein Vertrag noch eine „Heilige Kuh“
Der Generationenvertrag sollte als juristisch nicht bindender Solidarvertrag zwischen den Generationen beim Namen genannt werden. Als Grundlage für die umlagefinanzierte GRV-Rente ist er zur Diskussion zu stellen. Das Gleiche gilt für das Dogma „die Rentenkasse kann nur so viel auszahlen, wie drin ist“. Es muss gefragt werden, ob in Zeiten des Bevölkerungsrückgangs und der Langlebigkeit diese Thesen aktuell sind. Auch der Nicht-Mathematiker versteht, dass demographische Faktoren zu niedrigeren Renten und/oder höheren Beiträgen führen. Ein anderer Finanzierungsweg muss gefunden werden.
Mythos 2: Die Rentenformel ist keine Gerechtigkeitsformel und (wohl?) von der GRV- Kassenlage abhängig
Die Rentenformel erlaubt eine „gerechte“ Ermittlung der individuellen Monatsrente unter Zugrundelegung der individuellen Erwerbsbiographie — so der Glaube.
Vereinfacht gilt: individuelle Altersrente = eigenes bemessungsfähiges Einkommen/Durchschnittseinkommen x Beitragsjahre x Rentenwert
Was nach objektiver Mechanik aussieht, ist durch den Gesetzgeber über die Festlegung der Rentenzeiten, Renteneintrittsalter und des anzupassenden Rentenwertes — der aktuell bei 30,69 € liegt — beeinflussbar. Wenn laut Formel ein Rentner, welcher durchschnittlich verdient und 32 Jahre Beiträge bezahlt hat, eine Rente unter der Armutsgrenze bekommt, ist das ein krasser Systemfehler. Fehler sind zu korrigieren.
Sobald die Formel unerwünschte Ergebnisse liefert, wird sie durch neue Tricks (Schutzklausel, Riester-Faktor, Nachhaltigkeitsfaktor) „modifiziert“. Ohne dass der Bürger es bemerkt, dreht der Staat an verschiedenen Schrauben, um je nach Kassenlage ein gewünschtes Ausgabenergebnis herbeizuführen. Er ist es, der das GRV-System seit 1957 durch Zuschüsse um die 20% im Gleichgewicht hält. Andererseits belastet er das System mit aufgezwungenen versicherungsfremden Leistungen. Ein gewollter Dschungel, der Kompliziertheit vortäuscht, ist ihm recht.
Mythos 3: Eine junge Demographie sichert auf Dauer die Rentenkassen
Die These, eine Verjüngung der Bevölkerung löse unsere Rentenproblematik, weil Migranten den Schwund bei der Ausbildung- und Arbeit-Generation in der deutschen Bevölkerungspyramide „auffüllen“ ist falsch. Auch hier wird ein Nicht-Mathematiker sehen, dass so etwas nur klappt, wenn die Zugewanderten in den Arbeitsprozess integriert werden und Rentenbeiträge zahlen. Davon sind wir Lichtjahre entfernt.
Auch das ist ein Mythos: Es gibt es keine einfache Antwort für das komplexe Rentenproblem
Woraus sollen die zukünftigen Renten aber gezahlt werden?
Darauf hat der Volkswirt eine Antwort: Aus dem volkswirtschaftlichen Mehrwert (BIP-Wachstum), welcher auch durch den Fortschritt generiert wird. Heute mehr Rentner „zu alimentieren“ ist die Herausforderung, die früher den Landwirten wegen des Bevölkerungswachstums gestellt wurde. Das konnte gemeistert werden. Leider gibt es hier einen Schönheitsfehler, die Konjunktur muss mitmachen, wonach es gerade nicht aussieht.
Mein Lösungsvorschlag: Der Staat muss die Altersrenten sukzessive bis zu 20% (in vier Schritten?) bis zur Armutsgrenze erhöhen, was etwa 40 Mrd. € (10% des Bundeshaushaltes) kostet. Das Geld nimmt er aus dem Schuldenmachen oder spart bei den Migranten. Im Vergleich zum EU-Durchschnitt liegt Deutschland bei den Staatschulden, der Staatsquote und der staatlichen Rentenzuschüsse günstig. Es bedarf keiner „Reformen“ und tausender Debatten und Expertenbefragungen, um den Rentenwert einfach auf 37 € zu erhöht. Einfache Lösung für komplexen Sachverhalt.