Collage mit Angela Merkel - Quelle: Bundesarchiv Bild_183-57000-0139,_V._Parteitag_der_SED

Demo­kra­ti­scher Sozia­lismus: Wolf im Schafspelz

Der Sozia­lismus hat nicht nur die in ihn gesetzten uto­pi­schen Erwar­tungen nicht erfüllt – die Tra­gödie ist, dass seine Rea­lität die schlimmsten Befürch­tungen über­troffen hat. Was erschreckt, ist die Dis­krepanz zwi­schen Anspruch und Wirk­lichkeit und dass viele Men­schen dieses System des Schre­ckens her­bei­ge­sehnt haben. Einige tun es noch heute. Die neue Eti­kette ist „demo­kra­ti­scher Sozia­lismus“. Seine Anhänger wollen den schritt­weisen Weg gehen. Die Ent­eignung soll schlei­chend erfolgen durch höhere Steuern und mehr Regu­lierung. Mit diesem Plan folgen sie den Vor­gaben des Kom­mu­nis­ti­schen Manifests.
(von Antony P. Mueller)
Agenda
Die sozia­lis­tische Utopie zieht immer noch viele Men­schen an – trotz der kata­stro­phalen Folgen an allen Orten, an denen sich sozia­lis­tische Systeme durch­ge­setzt haben. Die Erfahrung zeigt, dass der Sozia­lismus mit Mas­senmord, Unter­drü­ckung und wirt­schaft­lichem Elend einhergeht.

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In para­doxer Weise beruht die Sehn­sucht nach dem sozia­lis­ti­schen Traum zum Teil auf dem großen Erfolg des Kapi­ta­lismus als Motor des Wohl­stands. Ab dem 19. Jahr­hundert schuf die unter­neh­me­rische Wirt­schaft ein Ausmaß an Pro­spe­rität, wie es noch nie in der Geschichte der Fall war. Die Sozia­listen glauben, dass der wirt­schaft­liche Erfolg durch Umver­teilung noch größer werden würde. Die Anhänger des Sozia­lismus erwarten, dass die Gesell­schaft unter ihrer Herr­schaft gerechter und die Wirt­schaft pro­duk­tiver werden würde.
Diese Illusion von Wohl­stand und Gerech­tigkeit im Sozia­lismus zeigt sich bereits im Kom­mu­nis­ti­schen Manifest von 1848. Karl Marx (1818–1883) und sein Sponsor Friedrich Engels (1820–1895) loben voller Begeis­terung in dieser Bro­schüre die kapi­ta­lis­ti­schen Errungenschaften.
Die Bour­geoisie“, so erklären sie, „hat bewiesen, was die Tätigkeit der Men­schen zustande bringen kann. Sie hat ganz andere Wun­der­werke voll­bracht als ägyp­tische Pyra­miden, römische Was­ser­lei­tungen und gotische Kathe­dralen, sie hat ganz andere Züge aus­ge­führt als Völ­ker­wan­de­rungen und Kreuzzüge.“
Die Bour­geoisie“ hat während ihrer Herr­schaft, so Marx und Engels, „mas­sen­haftere und kolos­salere Pro­duk­ti­ons­kräfte geschaffen als alle ver­gan­genen Gene­ra­tionen zusammen. Unter­jo­chung der Natur­kräfte, Maschi­nerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Ackerbau, Dampf­schif­fahrt, Eisen­bahnen, elek­trische Tele­graphen, Urbar­ma­chung ganzer Welt­teile, Schiff­bar­ma­chung der Flüsse, ganze aus dem Boden her­vor­ge­stampfte Bevöl­ke­rungen – welches frühere Jahr­hundert ahnte, dass solche Pro­duk­ti­ons­kräfte im Schoß der gesell­schaft­lichen Arbeit schlummerten.“
Nach Marx und Engels ist das kapi­ta­lis­tische System jedoch zum Scheitern ver­ur­teilt. Pri­vat­ei­gentum steht einer per­fekten Gesell­schaft im Weg. Für Marx und Engels kann das Ziel des Kom­mu­nismus in einem ein­zigen Satz zusam­men­ge­fasst werden: „Auf­hebung des Privateigentums“.
„Die kom­mu­nis­tische Revo­lution ist das radi­kalste Brechen mit den über­lie­ferten Eigen­tums­ver­hält­nissen; kein Wunder, dass in ihrem Ent­wick­lungs­gange am radi­kalsten mit den über­lie­ferten Ideen gebrochen wird.“
Aus der Auf­hebung des Pri­vat­ei­gentums folgt unmit­telbar die Abschaffung der bür­ger­lichen Indi­vi­dua­lität, der bür­ger­lichen Unab­hän­gigkeit und der bür­ger­lichen Freiheit. Unter dem Kom­mu­nismus wird die bür­ger­liche Familie zusammen mit Land, Natio­na­lität und Religion verschwinden:
„Das Pro­le­tariat wird seine poli­tische Herr­schaft dazu benutzen, der Bour­geoisie nach und nach alles Kapital zu ent­reißen, alle Pro­duk­ti­ons­in­stru­mente in den Händen des Staats, d.h. des als herr­schende Klasse orga­ni­sierten Pro­le­ta­riats zu zen­tra­li­sieren und die Masse der Pro­duk­ti­ons­kräfte mög­lichst rasch zu vermehren“
Um diese Ziele zu erreichen, fordert das Kom­mu­nis­tische Manifest fol­gende Maßnahmen:
  1. Expro­priation des Grund­ei­gentums und Ver­wendung der Grund­rente zu Staatsausgaben.
  2. Starke Pro­gres­siv­steuer.
  3. Abschaffung des Erbrechts.
  4. Kon­fis­kation des Eigentums aller Emi­granten und Rebellen.
  5. Zen­tra­li­sation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Natio­nalbank mit Staats­ka­pital und aus­schließ­lichem Monopol.
  6. Zen­tra­li­sation des­Trans­port­wesens in den Händen des Staats.
  7. Ver­mehrung der Natio­nal­fa­briken, Pro­duk­ti­ons­in­stru­mente, Urbar­ma­chung und Ver­bes­serung aller Län­de­reien nach einem gemein­schaft­lichen Plan.
  8. Gleicher Arbeits­zwang für alle, Errichtung indus­tri­eller Armeen, besonders für den Ackerbau.
  9. Ver­ei­nigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hin­wirken auf die all­mäh­liche Besei­tigung des Unter­schieds von Stadt und Land.
  10. Öffent­liche und unent­gelt­liche Erziehung aller Kinder. Besei­tigung der Fabrik­arbeit der Kinder in ihrer heu­tigen Form. Ver­ei­nigung der Erziehung mit der mate­ri­ellen Produktion … 

Im Sozia­lismus weicht der Indi­vi­dua­lismus dem Kol­lek­ti­vismus. Der Staat soll die private Initiative ersetzen. Die kom­mu­nis­tische Herr­schaft ver­langt die Zen­tra­li­sierung von Geld und Kredit in den Händen des Staates und die Pro­duktion soll einem zen­tralen Plan folgen. Die öffent­liche Bildung geht mit der Ver­pflichtung zur Arbeit einher.
Auf dem Weg zur Errei­chung dieser Ziele werden die Anhänger des Kom­mu­nismus überall
jede revo­lu­tionäre Bewegung gegen die bestehenden gesell­schaft­lichen und poli­ti­schen Zustände (unter­stützen). Die Kom­mu­nisten … erklären offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewalt­samen Umsturz aller bis­he­rigen Gesellschaftsordnung …“ 
Dem Plan von Marx und Engel folgend, haben Lenin und seine Genossen ver­sucht, das sozia­lis­tische System mit Gewalt ein­zu­führen. Die demo­kra­ti­schen Sozia­listen von heute sind keine Leni­nisten, die einer revo­lu­tio­nären Partei folgen, aber sie sind Mar­xisten in dem Sinn, dass sie das­selbe Ziel anstreben.

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Vom Traum zum Albtraum
Soziale Utopien sind attraktiv. Sie befrie­digen das mensch­liche Ver­langen nach einem Paradies auf Erden. Wie Marx in seiner „Kritik des Gothaer Pro­gramms“ 1875 erklärte, soll im Sozia­lismus die Regel gelten: „Jeder nach seinen Fähig­keiten, jedem nach seinen Bedürf­nissen.“ Wer möchte dem nicht zustimmen? Wer möchte nicht eine Gesell­schaft, die Wohl­stand für alle garan­tiert, aber keinen gleich­wer­tigen Beitrag ver­langt? Der Sozia­lismus ver­spricht Gleichheit und dass jeder das bekommen soll, was er braucht – ob man zur Her­stellung der Waren und Dienste wenig oder gar nichts bei­trägt. Die fatale Anzie­hungs­kraft des Sozia­lismus resul­tiert aus dem Wunsch­denken, es könnte ein Wirt­schafts­system geben, das so pro­duktiv wie der Kapi­ta­lismus wäre und gleich­zeitig auch Gleichheit gewähr­leisten würde. Das Problem mit diesem Ver­sprechen ist, dass der Plan nicht funktioniert.
Während das Pri­vat­ei­gentum im Zentrum der freien Ordnung des klas­si­schen Libe­ra­lismus steht, wollen es die Sozia­listen abschaffen. Die Pro­duk­ti­ons­mittel sollen der öffent­lichen Kon­trolle unter­stellt werden. Wenn jedoch nicht mehr Preise und Eigentum als Infor­ma­tions- und Anreiz­system vor­handen sind, muss ein Befehls­system an seine Stelle treten. Wenn es keinen Markt gibt, müssen staat­liche Richt­linien die Pro­duktion lenken.
Das wirt­schaft­liche Handeln in der sozia­lis­ti­schen Gemein­wirt­schaft ist ori­en­tie­rungslos. Ohne Preise gibt es keine Mög­lichkeit zu wissen, wie sich die Wirt­schafts­tä­tigkeit koor­di­nieren lässt. Die sozia­lis­ti­schen Macht­haber müssen Zwang anwenden, und jeder muss die zen­tralen Pläne befolgen. In der Praxis instal­liert der Sozia­lismus ein Macht­zentrum, die Regie­rungs­partei, die mit dem zen­tralen Wirt­schafts­pla­nungs­ap­parat zusam­men­ar­beitet. Nicht das Pro­le­tariat übt die Dik­tatur aus, sondern die Geheim­po­lizei und das Militär unter­drücken alle Mei­nungs­ver­schie­den­heiten und sorgen dafür, dass die Stimme des Volkes stumm bleibt, die Arbeiter die Pläne erfüllen und wie Sklaven gehorchen.
Unter einem sozia­lis­ti­schen Regime kann man es nicht ver­meiden, die Ver­ord­nungen und Gebote zu brechen, weil man sonst nicht über­leben könnte. Da es unmöglich ist, sich an das Gesetz zu halten, gibt es in kurzer Zeit unter sozia­lis­ti­scher Herr­schaft keine unschul­digen Bürger mehr. Liqui­dation und Depor­tation werden zu zwin­genden Bestand­teilen der sozia­lis­ti­schen Herr­schaft. Der Sta­li­nismus ist keine Abwei­chung, sondern dem Sozia­lismus inne­wohnend. Der Sozia­lismus, egal welcher Art, kann ohne Gewalt nicht exis­tieren. Im 20. Jahr­hundert fielen dem Sozia­lismus schät­zungs­weise 200 Mil­lionen Men­schen zum Opfer. 
Sozia­lismus auf Schleichwegen
Anders als die Kom­mu­nisten, die eine „Dik­tatur des Pro­le­ta­riats“ errichten wollen, glauben die „demo­kra­ti­schen Sozia­listen“ an einen all­mäh­lichen Übergang und dass man unter dem Sozia­lismus die per­sön­liche Freiheit wahren könne. Während das erklärte Ziel anders ist, planen die modernen Sozia­listen nicht anders als die Kom­mu­nisten die Staats­macht zu erobern und die damit ein­her­ge­hende Macht­ent­faltung zu ihren Gunsten zu erwerben. Die Macht­er­greifung soll schritt­weise und getarnt erfolgen. Das Mar­ken­zeichen der demo­kra­ti­schen Sozia­listen ist der Wolf im Schafspelz.
Die modernen Anhänger des Sozia­lismus haben erkannt, dass ihr bevor­zugtes System ohne Dik­tatur nicht funk­tio­nieren kann. Um erfolg­reich zu sein, dürfen die Sozia­listen nicht offen Gewalt pre­digen, sondern ihr Ideal muss über den Weg der Gedan­ken­kon­trolle kommen. Zu diesem Zweck pos­tu­lieren und über­treiben die Kul­tur­mar­xisten die Rolle der sozialen, sexu­ellen und ras­si­schen Unter­schiede. Sie prak­ti­zieren ein Ver­wirr­spiel, indem sie ver­künden, dass der Sozia­lismus demo­kra­tisch sein könne und der wahre Kom­mu­nismus noch nicht exis­tiert hat, aber kommen sollte. In den Ver­ei­nigten Staaten ist die Linke so weit gegangen, sich „liberal“ zu nennen und ver­dreht so einen Begriff, der ursprünglich Freiheit bedeutet.
Als 1973 die mör­de­rische Rea­lität des Kom­mu­nismus im Sowjet­system mit der Ver­öf­fent­li­chung von Sol­sche­nizyns „Der Archipel Gulag“ im Westen bekannt wurde, fiel der Begriff „Kom­mu­nismus“ in Ungnade und wurde durch den weniger belas­teten Begriff des „Sozia­lismus“ ersetzt. Als dieser Begriff an Strahl­kraft verlor, trat der Aus­druck „links“ in den Vor­der­grund. Als „links“ einen schlechten Namen bekam, wurde „liberal“ zum Mar­ken­namen, wie es in den Ver­ei­nigten Staaten der Fall ist. Hier haben die Sozia­listen den Begriff „liberal“ miss­braucht, so dass dort heute „Libe­ra­lismus“ das Gegenteil von seiner ursprüng­lichen Bedeutung meint.
Gegen­wärtig wird der Begriff „demo­kra­ti­scher Sozia­lismus“ wieder auf­ge­wärmt. In diesem Aus­druck hat „demo­kra­tisch“ das kom­mu­nis­tische Konzept des „Pro­le­ta­riats“ ersetzt. Die Idee hinter dieser Änderung ist, dass „das Volk“ mit dem Pro­le­tariat iden­tisch sei, weil es die große Mehrheit ist. „Dik­tatur des Pro­le­ta­riats“ erhält so eine neue Bedeutung. Für die demo­kra­ti­schen Sozia­listen soll die Mehrheit an Stimmen ein Recht dazu geben, das Pri­vat­ei­gentum zu unter­graben und schließlich abzu­schaffen – zunächst durch Besteuerung und Regu­lierung und schließlich durch die Kol­lek­ti­vierung der Produktionsmittel.
Der sozia­lis­tische Traum besagt, dass es unter dem Sozia­lismus sowohl Wohl­stand in Fülle als auch Gleichheit für alle geben würde. Die Rea­lität beweist jedoch, dass der Sozia­lismus mit wirt­schaft­lichem Elend, sozialer Benach­tei­ligung und poli­ti­scher Unter­drü­ckung ein­hergeht. Je mehr man das Paradies auf Erden ver­wirk­lichen will, umso mehr schafft man eine Hölle – das zeigt die Geschichte des Sozialismus.
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Der Sozia­lismus mar­gi­na­li­siert jeden, der sich nicht aktiv am poli­ti­schen Apparat beteiligt. Das jüngste Bei­spiel ist China. Als seine der­zeitige Führung ent­schied, den Sozia­lismus zu bewahren, wurde die Ein­richtung eines umfas­senden Systems der totalen Über­wa­chung zu einer not­wen­digen Kon­se­quenz. Der Sozia­lismus war und bleibt ein unmensch­liches System. Eine sitt­liche Person kann nur auf­grund von Unwis­senheit ein Sozialist sein.
Fazit
Der Weg zum Sozia­lismus besteht darin, das Pri­vat­ei­gentum abzu­schaffen. Anders als die Kom­mu­nisten wollen die demo­kra­ti­schen Sozia­listen den Sozia­lismus schritt­weise durch Wahlen eta­blieren. Am Ende ist der Effekt jedoch der­selbe. Durch die Abschaffung des Kapi­ta­lismus und damit des Pri­vat­ei­gentums an Pro­duk­ti­ons­mitteln stehen Markt­preise nicht mehr zur Ver­fügung, um die Wirt­schafts­tä­tigkeit zu koor­di­nieren. Staat­liche Kom­mandos müssen die frei­willige Zusam­men­arbeit ersetzen. Elend und Unter­drü­ckung sind die Folgen. Mit der modernen Tech­no­logie ver­fügen sozia­lis­tische Regime nun über Instru­mente der Über­wa­chung und Unter­drü­ckung, um eine Ter­ror­herr­schaft zu schaffen, die jedes bekannte Dik­ta­tur­regime der Ver­gan­genheit über­treffen kann.

Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habi­li­tierter Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der Uni­ver­sität Erlangen-Nürnberg und derzeit Pro­fessor der Volks­wirt­schafts­lehre, ins­be­sondere Makro­öko­nomie, an der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­uni­ver­sität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für ange­wandte Wirt­schafts­for­schung und an deren Kon­junk­tur­be­richt mit­ar­beitet und im Dok­to­rats­pro­gramm für Wirt­schafts­so­zio­logie mit­wirkt. Er ist Mit­glied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Bra­silien und Senior Fellow des Ame­rican Institute of Eco­nomic Research (AIER). Außerdem leitet er das Web­portal Con­ti­nental Eco­nomics (www.continentaleconomics.com).