Gut­ge­meintes BAG-Urteil kann dem Islam Tür und Tor öffnen

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt BAG ent­schied mit seinem Urteil 2 AZR 746/14 vom 20.02.2019 erstmals, dass ein kirch­licher Arbeit­geber keine reli­giöse Eigenheit mehr geltend machen könne. Das Gleich­heits­gebot erlaube jedem/r Beschäf­tigten alles. Auf dieser Grundlage könnten Muslime im kirch­lichen Dienst alles tun und lassen, solang sie nur ihrer arbeits­ver­trag­lichen Pflichten nach­kommen. Auch noch umge­kehrt, wenn einmal isla­mische Vereine als Arbeit­geber auf­treten werden? 
In diesem Gast­kom­mentar von Albrecht Künstle werden im Schlussteil Über­le­gungen ange­stellt, wohin es führen kann, wenn man in soge­nannten Ten­denz­be­trieben tun und lassen kann was man will.
Die Kirchen in Deutschland sind tat­sächlich eine Art Staat im Staate. Sie hatten schon in der Wei­marer Republik gemäß Artikel 137 der Reichs­ver­fassung das Recht, ihre Ange­le­gen­heiten selbst zu regeln. Wörtlich: „Jede Reli­gi­ons­ge­sell­schaft ordnet und ver­waltet ihre Ange­le­gen­heiten selb­ständig innerhalb der Schranken des für alle gel­tenden Gesetzes“. Aber schon damals war das kein Frei­brief, der Willkür Tür und Tor öffnete. Die Artikel 136 bis 141 der Wei­marer Reichs­ver­fassung wurden im Artikel 140 Grund­gesetz in Bezug genommen und sind gel­tendes Recht.
So schufen die Kirchen ihre eigene Grund­ordnung des kirch­lichen Dienstes, wenden in ihren Ein­rich­tungen statt dem Betriebs­ver­fas­sungs- oder Per­so­nal­ver­tre­tungs­gesetz eine eigene Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­ordnung an und schließen keine Tarif­ver­träge ab, sondern regeln die Arbeits­be­din­gungen in Arbeits­ver­trags­richt­linien o.ä. In der arbeits­recht­lichen Praxis ging es aber immer wieder um die beiden Fragen, wie weit reichen die „Ange­le­gen­heiten“ der Kirche und wo beginnt das so genannte Jeder­manns­recht?

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Klar ist nur, dass im unmit­tel­baren „ver­fassten“ Bereich den Kirchen das Recht zusteht zu bestimmen, ob z.B. ihre Reli­gi­ons­lehrer nach einer Scheidung hei­raten dürfen oder nicht. Evan­ge­lische ja, katho­lische nein? Aber wie ist das im „welt­lichen“ Bereich der Kirchen, bei der Caritas und Dia­konie? Hier hat die Recht­spre­chung unter­schieden, ob ein Dienst zum urei­genen Selbst­ver­ständnis der Kir­chen­lehre gehört, etwas mit dem „Ver­kün­di­gungs­auftrag“ zu tun hat oder nicht. So z.B. der Pfle­ge­be­reich, die Betreuung von Alten und Kindern, weil diese Gruppen nach Jesus Christus als besonders schutz­be­dürftig gelten. Weil Jesus auch Kranke geheilt hat, gehört auch der Betrieb von Kran­ken­häusern zum kirch­lichen Selbstverständnis.
Solch einem Kran­kenhaus ent­stammt der Streitfall, der vom BAG am 20.02.2019 mit seinem Urteil 2 AZR 746/14 ent­schieden wurde: Die Kün­digung eines Chef­arztes, weil er ein wei­teres Mal gehei­ratet hat, nachdem ihn seine erste Frau ver­lassen hatte, wurde als rechts­un­wirksam beur­teilt. Die Richter wichen mit ihrem Urteil zweifach von ihrer eigenen Recht­spre­chung ab. Bisher galt, dass ins­be­sondere von hoch­ge­stellten Beschäf­tigten eine höhere Treue­pflicht ver­langt werden durfte als von jemandem am unteren Ende der betrieb­lichen Hier­archie. Wegen der Vor­bild­funktion Ers­terer konnte eine solche Kün­digung des Chef­arztes von den Gerichten eher abge­segnet werden als die einer „Putzfrau“.
Der zweite Punkt ist die Begründung der Bun­des­ar­beits­richter mit dem Gleich­be­hand­lungs­grundsatz. Beschäf­tigte dürften „nur dann nach ihrer Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rigkeit unter­schiedlich behandelt werden, wenn dies im Hin­blick auf die Art ihrer Tätigkeit oder die Umstände ihrer Aus­übung eine wesent­liche, recht­mäßig und gerecht­fer­tigte beruf­liche Anfor­de­rungen dar­stellt,“ so die Pres­se­mit­teilung des BAG. Und der jurist. Redakteur der Badi­schen Zeitung http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft‑3/zweite-ehe-keine-kuendigung–166944326.html meint, „Von einem katho­li­schen Chefarzt durften an diesem Punkt keine anderen Loya­li­täts­pflichten im Pri­vat­leben ver­langt werden als von evan­ge­li­schen oder kon­fes­si­ons­losen Ärzten.“ Wirklich nicht? Sollte es zutreffen, dass die Ehe-Pro­ble­matik reli­gionsunabhängig egal ist, auch wenn es in diesem Punkt zwi­schen der evan­ge­li­schen und katho­li­schen Theo­logie und Kir­chen­praxis deut­liche Unter­schiede gibt?
Jeden­falls sollte dieses Urteil niemand klamm­heimlich freuen. Auch nicht, wer mit den Kirchen nichts zu tun haben will. Ich sehe es kommen, dass auch Par­teien, Abge­ordnete, Ver­bände, Medien usw. ihre Stellung als Ten­denz­be­triebe https://de.wikipedia.org/wiki/Tendenzbetrieb ver­lieren können, wenn irgend­welche tro­ja­ni­schen Pferde ein­ge­schleust werden, die eine ganz andere Richtung ein­schlagen, als der nicht­kom­mer­zielle Arbeit­geber das gerne hätte.
Stellen wir uns einmal vor, ein Imam macht die frus­trierte Frau eines evan­ge­li­schen Pastors, die er im Rahmen des intensiv gepflegten „inter­re­li­giösen Dialogs“ ken­nen­ge­lernt hatte, nach deren Scheidung zur Erst‑, Zweit- oder Drittfrau. Sie hatte sich bei Treffen mit dem Imam aus Respekt vor ihm als „Geist­licher der abra­ha­mi­ti­schen Bru­der­re­ligion“ immer ein Kopftuch über­ge­zogen und sich so als eine poten­zielle Muslima qua­li­fi­ziert. Wo man nach allen Seiten offen sein will, ist alles denkbar. Der Imam schickt dann seinen Neu­erwerb als Bewer­berin für eine Pfarr­se­kre­tärstelle zur Katho­li­schen Kirche. Der Pfarrer muss die Ehefrau des Imam ein­stellen, auch wenn sie inzwi­schen zum Islam über­ge­treten ist, da Scheidung, Wie­der­heirat und Religion sogar in einer Kirche keine Rolle mehr spielen dürfen. Zu bedenken ist, dass die katho­li­schen Pfarrer ori­ginäre Vor­stände der ört­lichen Sozi­al­sta­tionen sind. Der Imam hätte somit nicht nur den eigenen Herr­schafts­be­reich, die Moschee und das Drum­herum im Griff. Er hätte mit der Frauen-Rochade wahr­scheinlich auch die Ökumene der ört­lichen Kir­chen­ge­meinden gespalten und würde über seine „tro­ja­nische“ Frau im kirch­lichen Dienst das katho­lische Leben vor Ort kontrollieren.
Jus­ti­ziabel dürfte dieses Sze­nario nicht sein, denn je mehr die Kir­chen­oberen betonen, der Islam sei nur eine andere Variante der abra­ha­mi­ti­schen Ein­gott­lehre und der kora­nische Allah des „Pro­pheten“ sei auch unser Gott, desto weniger werden Arbeits­ge­richte ein Problem darin sehen, wenn sich Muslime im kirch­lichen Dienst breit­machen – der Mann als Haus­meister, seine Frau als rechte Hand des Pfarrers. Denn die Muslime nehmen mehr zu, als die Christen weniger werden. In Pfle­ge­ein­rich­tungen sind Muslima bereits beschäftigt, aber das klappt nicht so richtig aus „kul­tur­sen­siblen Gründen“. Bei Bera­tungs­stellen aus erklär­lichen Gründen eher, weil in diesem Bereich Muslime meist ihres­gleichen betreuen, diese dann unter sich bleiben.
Fazit: Der Tenor des 2. Senats des BAG, reli­giöse Normen hätten selbst bei Kirchen und ihren Ein­rich­tungen keine Rolle mehr zu spielen, eröffnet obigen Spe­ku­la­tionen freien Lauf. Auf die aus­führ­liche Urteils­be­gründung darf man gespannt sein. Das Urteil könnte der Sarg­nagel für die Selbst­stän­digkeit der Kirchen sein und letzte Initi­al­zündung für die Eta­blierung des Islam in Deutschland.

Der Autor Albrecht Künstle war in seinen letzten 14 von 44 prak­ti­schen Berufs­jahren Rechts­se­kretär in einer Geschäfts­stelle für Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungen von Caritas-Ein­rich­tungen. Ebenso viele Jahre ehren­amt­licher Arbeits­richter, zuletzt