Ener­gie­wende – das Bun­des­um­welt­mi­nis­terium twittert sich frei

von Roger Letsch
Am 1. April war Twit­tertag der offenen Frage beim Bun­des­um­welt­mi­nis­terium (BMU), welches sich eigentlich BUM abkürzen müsste und auch sollte. Vögelchen vom Dienst war Staats­se­kretär Jochen Flas­barth, einer der bekann­testen Herolde der deut­schen Ener­gie­wende. Gleich die erste Frage an #Frag­Flas­barth lautete: „Welche Ener­gieform soll nach der Abschaltung der Kohle- und Kern­kraft­werke die Grundlast sichern bzw. diese Kraft­werke ersetzen?“
Antwort des BMU: Grundlast wird es im klas­si­schen Sinne nicht mehr geben. Wir werden ein System von Erneu­er­baren, Spei­chern, intel­li­genten Netzen und Last­ma­nagement haben.“ – also doch: BUM! Aber mit zwei „M“. Keine Grundlast mehr. Im klas­si­schen Sinne. Dieser „klas­sische Sinn“ meint übrigens die Ange­wohnheit der Ver­braucher, zufällig zu einer belie­bigen Tageszeit eine gewisse Tendenz zur Strom­nach­frage zu ent­wi­ckeln, wobei morgens gegen acht und abends um die­selbe Zeit sta­tis­tisch die meisten Kaffees gekocht und Schnitzel gebraten werden, weshalb man um diese Zeit Nach­fra­ge­spitzen findet. Gibt es dies in Zukunft nicht mehr, wurde offenbar der Ver­braucher abge­schafft. Oder der Strom. Oder beide. Die dies­be­züg­liche Ver­mutung, zukünftig würden sich wohl die Netz­aus­fälle häufen, wischt Flas­barth beiseite:
Nein, dazu gibt es viele Unter­su­chungen. Wir werden auch künftig unsere außer­ge­wöhnlich gute und ver­läss­liche Ver­sor­gungs­si­cherheit bewahren.“
Ver­sor­gungs­si­cherheit also ohne Grund­last­fä­higkeit der Netze, man kann also doch die Eier und das Omelett gleich­zeitig haben! Da scheint mir aber mit der Mathe­matik etwas nicht zu stimmen. Das muss auch Flas­barth auf­ge­fallen sein, denn er erinnert an zah­len­starke Exporterfolge:
Im Augen­blick expor­tieren wir mas­senhaft Strom ins Ausland. Ich denke eine aus­ge­gli­chene Bilanz wäre ver­nünftig in einem gut funk­tio­nie­renden Energie-Binnenmarkt.“
Ja ja, unsere soge­nannten Exporte! Dum­mer­weise expor­tieren wir immer nur dann, wenn auch unsere Nachbarn selber Sonne und Wind satt­haben, weshalb wir auch kaum Geld für unsere „Exporte“ bekommen, sondern tat­sächlich oft noch Geld hin­ter­her­werfen müssen. Das sind aber keine Exporte, sondern Ent­sor­gungs­kosten – oder hat schon mal jemand davon gehört, dass die ört­lichen Was­ser­werke für die Abwässer zahlen, welche die Bürger täglich „expor­tieren“? Inter­essant auch, dass unsere bestehenden Netze zwar aus­reichen, Über­pro­duktion ins Ausland zu drücken, während sie für die Ver­teilung des Stroms im Inland unbe­dingt und dringend aus­gebaut und intel­li­genter werden müssen. Doch bleiben wir bei der Grundlast, die wir angeblich in Zukunft nicht mehr brauchen. Wie soll das gehen ohne Simm­sa­labimm? #Frag­Flas­barth:
Weil wir moderner und smarter werden, als Sie das im Moment noch für möglich halten.“
Autsch, das saß! Stromnetz minus Grundlast ist gleich smart. Dampf­nu­deldumm hätte man früher gesagt, aber das ist lange her! Aus unseren Steck­dosen fließt in Zukunft ein ganz anderer Saft. Smart und modern und nicht dann, wenn man ihn braucht! So ganz nebenbei: Der „Smart” wird dem­nächst in China gebaut… ich weiß auch nicht, wie ich jetzt darauf komme.

Auf­tritt „There is no plan(et) B“

Woran man Bots erkennt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Cheer­leader der Ener­gie­wende erkennen ist hin­gegen leicht. Wer bei Twitter der halben Bun­des­tags­fraktion der Grünen folgt, und auch keine Bild­schirmnase bei ARD, ZDF, Bun­des­mi­nis­terien und Grüne-Ideen-Schmieden aus­lässt, der hat eine klare Agenda und bekommt seine Zwit­scherei hof­fentlich gut bezahlt, falls er sich den Account nicht mit zwölf anderen Kan­di­daten für eine Refe­ren­dar­stelle in der grünen Par­tei­zen­trale teilen muss. „Not an Orga­ni­sation“ sei er. „But sounds defi­nitely like one“, möchte ich hin­zu­fügen. User…, nennen wir ihn „B“, springt jeden­falls dem Staats­se­kretär zur Seite und twittert zur Grund­last­fä­higkeit der Erneuerbaren:
Ja, es gibt einen Plan“
Seltsam, wo man doch laut Flas­barth keinen braucht!
Ver­linkt hat „B“ dann diesen News­letter (aus 2015) des BMWI, des Bun­des­mi­nis­te­riums für Wirt­schaft und Energie, in dem es um „Vir­tuelle Kraft­werke“ geht. Kurz gesagt also darum, ver­schiedene Kraft­werke, also Sonne, Wind, Biogas und Wasser gemeinsam zu steuern und idea­ler­weise auch noch einen Speicher (Pump­spei­cher­kraftwerk) vor­zu­halten. Als Pseudonym für dieses vir­tuelle Gebilde wird häufig auch der Begriff „Kom­bi­kraftwerk“ ver­wendet. Folgt man nun dem Link von „B“, taucht man ein in die wun­der­volle Welt vir­tu­ellen Stroms. Vor allem aber in die Welt des Lob­by­ismus und echter Steuerknete.

Vir­tu­eller Strom und echtes Geld

„Das ist durch­ge­rechnet” behauptete schon Annalena Baerbock. Die Rechnung kennen wir bis heute nicht.

Die Web­seite „kombikraftwerk.de“ wird lobend erwähnt im 2015er News­letter, kein Wunder, wird sie und das Projekt doch vom selben Minis­terium gefördert. Im Impressum von „kombikraftwerk.de” findet sich als Ver­ant­wort­licher die „Agentur für Erneu­erbare Energie“, welche als ein­ge­tra­gener Verein von „Ver­bänden der Branche für Erneu­erbare Energie“, dem Bun­des­mi­nis­terium für Umwelt sowie dem Bun­des­mi­nis­terium für Land­wirt­schaft finan­ziert wird. Besonders gefallen hat mir die Domain, mit welcher der Verein eben­falls hau­sieren geht: „unendlich-viel-energie.de“. Dort wird der pres­se­re­le­vante Teil der Öffent­lich­keits­arbeit gebündelt. In dieser Ver­kleidung fließt auch noch unter­stüt­zender (Geld)Segen aus dem Wirt­schafts­mi­nis­terium und einem Dutzend wei­terer Ver­bände aus der Szene der Erneu­er­baren. Ob die Energie schon in der Unend­lichkeit ange­langt ist, kann ich natürlich nicht wissen. Zu erkleck­lichem Geld­segen durch Lobby-Ver­bände und Steu­er­mittel, die generös aus den Minis­terien her­über­ge­reicht werden, hat es aber mit Sicherheit schon mal gelangt.
Auf der Web­seite „kombikraftwerk.de“ erfahren wir auch, dass für das For­schungs­projekt gar kein echter, sondern nur ein „vir­tu­elles Pump­spei­cher­kraftwerk“ ein­ge­bunden wurde – doch in der echten Welt helfen nur echte Kraft­werke, weshalb die „Ska­lier­barkeit“ des Expe­ri­ments „Kom­bi­kraftwerk“ wohl auch nur in der vir­tu­ellen Rea­lität denkbar ist. Denn das Projekt soll den „10.000sten Teil des deut­schen Strom­be­darfs“abdecken. Wir müssen also nur noch ein paar tausend Pump­spei­cher­kraft­werke bauen, dann sind wir aus dem ener­ge­ti­schen Schneider.
Da es derzeit schon 36 sehr unter­schied­liche Anlagen dieser Art in Deutschland gibt, müssen wir schon mal 36 weniger neue bauen! Wie­viele denn derzeit tat­sächlich im Bau sind, wollen Sie wissen? Null! In Planung? Auch Null! Könnte man denn welche bauen? Kaum mehr als eine Hand voll. Es gibt auch kaum geeignete Standorte, denn man braucht einen oberen und einen unteren Was­ser­speicher erheb­lichen Aus­maßes und dann noch aus­rei­chend Gefälle. Es wird deshalb wohl eher bei 36/10.000stel Ener­gie­si­cherheit und Grund­last­fä­higkeit bleiben.

Jubel­perser, Schön­redner und Absahner der Energiewende

Doch ver­gessen wir das mal für einen Moment, auch wenn der Gedanke, ein paar Spei­cherseen von der Größe des Bodensees durch Bayern oder Berlin zu ziehen, durchaus seinen Reiz hat. Wir halten uns an die Rea­lität des Geldes, nicht an Pump­speicher, die ohnehin niemals gebaut werden und nur in der Vir­tu­ellen Rea­lität exis­tieren. Wir schauen auf die Pro­jekt­partner von „Kom­bi­kraftwerk“ und finden dort die „Agentur Erneu­erbare Energien“ wieder – man fördert sich also selbst. Auch die Plei­te­firma „Solar­world“ ist als Pro­jekt­partner dabei, auch wenn es die schon lange nicht mehr gibt. Solar­world-Gründer Frank Asbeck hat sich längst mit einem Topf voll Gold aus den Taschen seiner Aktionäre über den Regen­bogen vom Son­ne­n­acker gemacht.
Eben­falls in der Liste: die Firma Business Institute Solar Strategy“, welche bereits 2009 von Sun­Edison über­nommen wurde. Sun­Edison wie­derum bean­tragte 2016 Gläu­bi­ger­schutz, nur um sich dann schnell gänzlich auf­zu­lösen. Oder SMA Solar Tech­nology AG“, die laut Infor­mation auf der Homepage (dort hat man noch eine) „2018 hohe Ver­luste ver­zeichnete“ aber 2019 laufe alles wieder nach Plan. Lauter Leichen, Untote, oder staatlich finan­zierte Pro­jekt­partner. Zumindest der Teil, der von der Sonne lebt, für den Rest kann man nur Mut­ma­ßungen anstellen.
Was bringt es nun, in vier Jahre alten News­lettern aus Bun­des­mi­nis­terien her­um­zu­sto­chern? Es zeigt, entlang welcher Linien und wie weit­ver­zweigt im Ener­gie­wen­de­ge­schäft staat­liche Gelder fließen, überall sitzen die Jubel­perser, Schön­redner, Schön­rechner und Absahner. Das wird in den aktu­ellen News­lettern nicht besser, wo den Bürgern offenbar längst ver­schüttete Milch als nahrhaft ver­kauft werden soll. Längst abge­schlossene Pro­jekte wie das „Kom­bi­kraftwerk“ werden immer noch ver­linkt und zitiert. Es laufe doch so toll mit der Ener­gie­wende, man müsse doch nur genauer hin­sehen. Das empfahl mir ja auch Cheer­leader „B“. Tut man das jedoch, wird einem angst und bange.

E‑Auto fahren für umme!

Etwa dann, wenn man im Abschluss­be­richt zum Projekt „Kom­bi­kraftwerk“ aus 2014 liest, der sich für die tech­nische Mach­barkeit von „100% Erneu­erbare“ aus­ge­sprochen hatte. Dort heißt es:
Bezüglich des Strom­ver­brauchs wurde ange­nommen, dass im Ver­gleich zu heute die Effi­zienz zwar steigt, die resul­tie­rende Strom­ver­brauchs­re­duktion aber durch neue Ver­braucher wie E‑KfZ, Kli­ma­ti­sierung und Power-to-Heat auf­ge­hoben wird.“
Der erhöhte Ener­gie­bedarf für Elek­tro­mo­bi­lität, bei denen wir ja auch 100% hin­be­kommen sollen, soll also aus­ge­glichen werden durch Effi­zi­enz­ge­winne? Und ein bisschen Strom ist dann sogar noch übrig, um damit Wärme zu erzeugen? Strom zu 100% aus Erneu­er­baren und die Sub­sti­tution von Diesel und Benzin ist da schon mit drin? Was müssen das wohl für gigan­tische Effi­zi­enz­ge­winne sein, die etwa ein Drittel des Gesamt­ener­gie­be­darfs einfach so ersetzen können! Brauchen wir nicht allein schon wegen der Elek­tro­mo­bi­lität fast doppelt so viel Strom, wenn das Ziel „100%“ erreicht werden soll? Laut Bericht nicht:
Ins­gesamt ergibt sich für das 100%-EE-Szenario ein Jah­res­strom­ver­brauch von rund 600 TWh – eine ähn­liche Grö­ßen­ordnung wie heut­zutage [Stand 2014].“
Mit anderen Worten: Elek­tro­mo­bi­lität kostet eigentlich über­haupt keine Energie, ist also quasi für umsonst! Für jede ein­ge­drehte Ener­gie­spar­lampe kann ein Tesla zusätzlich auf­laden! Ich hätte gern ein paar Krümel von dem Stoff, den die Ver­fasser dieses Abschluss­be­richtes geraucht haben müssen, denn weiter heißt es:
Neben einem geringen Ausbau von Pump­spei­chern setzt dieses Sze­nario vor­rangig auf die Power-to-Gas-Technologie.“
Nun wissen wir zumindest, wie Annalena Baerbock auf die Idee kommt, das Netz sei der Speicher. Die hatte nämlich auch das Power-to-Gas-Ver­fahren im Kopf, mit­hilfe dessen sie das Erd­gasnetz fluten will. Eigentlich muss es aber Power-to-H2-to-Methan-to-Heat-to-Power-Ver­fahren heißen und weist der­maßen unter­ir­dische Wir­kungs­grade auf, dass man gerade mal 20% der Energie zurück­be­kommt, die man hin­ein­ge­steckt hat. Kom­plett unge­eignet also!
Die Physik setzt hier Hürden, die sich nicht einmal durch das Gebrüll eines Anton Hof­reiter hin­weg­pusten lassen. Auch auf den „nur geringen Ausbau der Pump­speicher“ bin ich schon gespannt. Viel­leicht können wir ja einen im Ham­bacher Forst errichten, spä­testens dann, wenn die Baum­schützer den letzten Bäumen dort wegen Eigen­bedarf gekündigt haben. Aber viel­leicht reichen ja auch vir­tuelle Pump­speicher und vir­tuelle Kraft­werke, um vir­tu­ellen Kunden Strom zu liefern – und zwar grund­last­fähig, deshalb schließt man die Kraft­werke ja zusammen. Vir­tuell, ver­steht sich!

Fazit

Kom­bi­kraft­werke mit vir­tu­ellen Pump­spei­chern funk­tio­nieren nur in der Theorie und unter der Maßgabe, dass es da immer noch ein echtes Netz mit echten Kraft­werken gibt, die den Sta­tistik-Expe­ri­menten das Über­leben ermög­lichen. Auch die Ver­braucher waren in diesem Expe­riment nicht phy­si­ka­lisch „off the big grid“. Für den End­ausbau nach Atom, Kohle und Gas eignen sich Kom­bi­kraft­werke ohne echte Pump­speicher also nicht. Auch sind deren Erfinder von einem viel zu geringen Ener­gie­bedarf aus­ge­gangen und hatten seltsam naive Vor­stel­lungen davon, wie viele Pump­speicher sie tat­sächlich benö­tigen würden oder wo man die wohl bauen soll.
Staats­se­kretär Jochen Flas­barth redet also Unsinn, wenn er die Not­wen­digkeit der Grund­last­fä­higkeit eines Netzes abstreitet. Als Lohn für diese Anstren­gungen [Ener­gie­wende] winkt eine moderne, saubere und stabile Strom­ver­sorgung“, schreiben nämlich schon 2014 die Kom­bi­kraft­werks­er­finder als Schlusssatz in ihren Bericht – und „stabil“ heißt nun mal grund­last­fähig, Herr Flas­barth. Die Kom­bi­kraft­werke mit vir­tu­ellen Pump­spei­chern schaffen das aber nicht. Ihnen wird aber sicher etwas noch smar­teres ein­fallen! Für die Ver­braucher und Emp­fänger guter Nach­richten aus Minis­terien und Ideen­schmieden heißt dies: immer erst im Impressum nach­sehen, wer für die Heureka-Durch­sagen bezahlt hat.
Am Ende bleibt dem Staat wohl nur der orwellsche Weg, die feh­lende Grund­last­fä­higkeit auf der Nach­fra­ge­seite aus­zu­gleichen, also regu­lierend, zuteilend, ver­bietend und bestrafend ein­zu­greifen, wie hier in einer Dys­topie beschrieben. Was für eine schöne neue Welt, in der uns leider nicht das unschuldige CO2-neu­trale Ener­gie­pa­radies winkt, sondern Ener­gie­mangel und Ener­gie­armut blühen.


Quelle: unbesorgt.de