von Roger Letsch
Deutsche Medien berichten seit einiger Zeit verhältnismäßig wenig über Südafrika. Dunkel kann sich mancher noch daran erinnern, dass der korrupte Präsident Jacob Zuma abtreten musste und durch Cyrill Ramaposa ersetzt wurde. Da beide dem ANC angehören, fand ein Regierungswechsel im eigentlichen Sinne also nicht statt. Ein weiteres Ereignis war die Wasserknappheit der letzten Jahre im Allgemeinen und in und um Kapstadt im Besonderen. Die Stadt schrammte nur haarscharf am „Day Zero“ vorbei, an dem die Wasserversorgung nicht nur eingeschränkt würde, sondern total zusammengebrochen wäre. Das Jahr 2018 war in der Tat besonders trocken für Südafrika. El Nino und die Tatsache, dass die Wasserwirtschaft lange Zeit versäumt hatte, ihre Quellen zu diversifizieren und nicht nur Niederschlagswasser, sondern auch Grundwasser, Entsalzungsanlagen und weiter entfernte Quellen ins Kalkül zu ziehen, waren die Ursache. Kommt dann ein wirklich trockener Sommer hinzu, ergänzt durch Inkompetenz, Sorglosigkeit und Korruption, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Angesichts der rasant gestiegenen Einwohnerzahl Südafrikas und eines pro-Kopf-Verbrauchs von Wasser, der über dem deutschen Durchschnitt lag, war es geradezu töricht und kurzsichtig, darauf zu vertrauen, dass schon genug Regen fallen würde, um die Reservoirs zu füllen. Das ging bekanntlich beinahe schief, die Rationierungen von Wasser sind mittlerweile zwar gelockert, aber immer noch in Kraft.
War sonst noch was? Zum Beispiel Probleme mit der Stromversorgung mit immer mehr Netzausfällen, und das obwohl Südafrika nicht wie Deutschland von volatilem Zappelstrom überschwemmt wird. Dann die anstehende problematische Verfassungsänderung, die entschädigungslose Enteignungen „weißer Farmen“ ermöglichen wird. Damit der Raubzug auch rechtskonform abläuft, passt man das Recht den Bedürfnissen an – sage niemand, der ANC achte die Gesetze nicht! Er macht sie einfach so, wie man sie gerade braucht. Inzwischen gehen die Kriminalitätsraten in allen Bereichen durch die Decke, die Bergbau-Industrie, einst das schlagende Herz und Quelle des Wohlstandes in Südafrika, hat sich quasi halbiert, die Arbeitslosenquote steigt und steigt. Investitionen und Wirtschaftswachstum stagnieren, die Wirtschaft steckt fest in staatlicher Gängelung und Korruption, die staatlichen Sektoren der Wirtschaft, besonders der Energieversorger ESCOM, dereinst das profitabelste Energieunternehmen ganz Afrikas, sind kaum noch mehr als Versorgungspfründe für ANC-Funktionäre.
Nun ist bald wieder Wahl in Südafrika und der ANC darf – trotz aller angerichteten Katastrophen – wieder mit einer satten Mehrheit rechnen. In dieses Chaos platzt ein DLF-Interview, dass jedem wie von einem anderen Stern erscheint, der auch nur ansatzweise von den tiefgreifenden Problemen des Landes und ihren Ursachen gehört hat. Britta Fecke vom DLF fragt die ARD-Korrespondentin Jana Genth in Johannesburg, wie es wohl sein könne, dass der Klimawandel im Südafrikanischen Wahlkampf so gar keine Rolle spiele. Es ist, als schöbe man aus Deutschland eine Carte blanche nach Süden, um so für jedes Problem, das die korrupte ANC-Regierung verursacht hat, den Klimawandel wenigstens mitverantwortlich machen zu können.
Aber was ist mit dem Klimawandel?
Britta Fecke vom DLF fragt: „Wird in Südafrika die Verbindung zwischen Armut und Klimawandel hergestellt beziehungsweise auch im Wahlkampf thematisiert?“
Die richtige Antwort wäre, dass es zunächst mal einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Armut, Misswirtschaft, Unsicherheit und staatssozialistischen Entwicklungen gibt. Südafrika ist ein Industrieland, nicht die Sahelzone. Auf Wetterextreme und selbst auf einen imaginierten Klimawandel kann man sich vorbereiten, sich anpassen, Reserven schaffen, wie das in der Vergangenheit auch schon geschah. Doch der Schluck aus der Opferschale ist schon genommen und Jana Genth antwortet:
„Nein, überhaupt gar nicht, und das finde ich persönlich auch total spannend, weil ja Südafrika nun mal wirklich ein Land ist, das vom Klimawandel auch spürbar betroffen ist.“
Sätze wie dieser sind von einem derart spröden Charme, dass man an die Sprachmassaker in Merkels üblichen „freien Reden“ erinnert wird.
Gibt es in Südafrika Dringenderes als das Klima?
Ob Genth die Südafrikaner nun für Ignoranten oder Realisten hält, wenn sie konstatiert, dass man in Johannesburg, Kapstadt oder Durban drängendere Probleme hat, als Greta Thunbergs Superkraft, CO2 sehen zu können, weil ihnen Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Korruption weitaus sichtbarer vor Augen stehen, wird nicht ganz klar. Der Plauderton, in dem Genth aus einem Land berichtet, dass kurz vor Blackout und wirtschaftlichem Kollaps steht, ließ mich für einen Moment daran zweifeln, ob sie wohl die Richtige ist, um von dort zu berichten. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass Genth erst im letzten Jahr in einem Radiointerview beim SWR den unumstößlichen Beweis erbrachte, dass sie die ideale Südafrika-Korrespondentin sein muss. Denn wenn es dereinst für kommende deutsche Umweltminister adelnd sein wird, der Prophetin Greta die Hand gehalten oder ihr die Zöpfe geflochten zu haben, springt der heilige Geist der Erkenntnis und der richtigen Haltung auf ARD-Afrika-Korrespondentinnen über, wenn sie ganz privat eine Begegnung mit Madiba, also Nelson Rolihlahla Mandela höchstpersönlich vorweisen können.
Von Mandela auserwählt für Südafrika?
Was Sie und ich nicht zu träumen wagten, liebe Leser, hat Jana Genth erlebt: Angeblich büchste Mandela nämlich gern mal aus seinem präsidialen goldenen Käfig aus, entfloh Mitarbeitern, Stäben, Fahrern und der Security, die ihn eifersüchtig bewachte, um wie im Film „Dave“ einfach mal das einfache Leben zu genießen, mit Bettlern zu reden, zufällig deutsche Studentinnen zu treffen und zu fragen, wie denen Südafrika wohl gefällt.
In Kapstadt war es, 1999, wo Genth Mandela zufällig getroffen haben will, als sie aus einem Supermarkt kam. Dort, auf der anderen Straßenseite, sprach Mandela mit einem Bettler – was Präsidenten eben so tun, wenn sie sich unerkannt unters Volk mischen: Sie stellen sich gut sicht- und erkennbar neben Einkaufszentren und niemanden interessiert‘s. Mandela, das müssen Sie wissen, kannte damals nämlich noch keine Sau! Jana und Nelson stellen sich einander vor, und kommen „ruck zuck in ein hochinteressantes Gespräch“. Cool, oder? Ein Präsident zum Knuddeln… Probieren Sie das mal mit Donald Trump! Was für ein historischer, geradezu pfingstlicher Erweckungsmoment! Was für ein Start in die Korrespondentenkarriere, was für ein Highlight für die Bewerbungsmappe!
In der Tat handelt es sich um einen derart unheimlichen Zufall, dass außer Frau Genth und Madiba leider niemand etwas darüber weiß. Nun, jetzt wissen Sie es, liebe Leser, und sollten Sie Jana Genth mal treffen, lassen Sie sich die Geschichte am besten nochmal im Detail erzählen. Da Mandela leider bereits verstorben ist, das Selfie 1999 noch nicht erfunden war und wir den Bettler auch nicht ausfindig machen können, müssen wir uns wohl auf die Schilderungen von Jana Genth verlassen, die uns der SWR zu Gehör brachte.
Wer Mandela getroffen hat, der versteht Südafrika! Oder auch nicht. Oder es spielt am Ende überhaupt keine Rolle, denn Mandela hatte ja selbst auch nicht erkannt, dass er die berghoch aufragenden Probleme der Rainbow-Nation einfach dem Klimawandel in die Schuhe schieben kann. Er glaubte noch daran, den Frieden zwischen Schwarz und Weiß erhalten zu müssen, um alle Kräfte des Landes zu bündeln und nicht den weißen Rassismus durch einen schwarzen Rassismus zu ersetzen und als einzige afrikanische Industrienation nicht das weltweit 55.234ste sozialistische Umverteilungsexperiment zu starten. Drei Präsidenten und eine ARD-Südafrikakorrespondentin später deutet vieles darauf hin, dass es leider genau so kommen wird.
Hier eine Kostprobe der Expertise der von Mandelas Geist berührten Korrespondentin aus dem DLF-Interview:
„Also es gibt Oppositionsparteien, die sich stark hervortun und die durchaus auch im Wahlkampf jetzt entweder Rückschläge haben oder aber aufholen können, also speziell die demokratische Allianz, die Partei der Mitte ist, die aber tatsächlich Wählerstimmen verliert, weil sie im Grunde ähnliche Positionen hat wie der ANC, die Regierungspartei, aber wer mega aufholt ist die linksradikale Partei EFF, die Economic Freedom Fighters, die mit der Landreform ein riesengroßes Wahlkampfthema haben und die dann einfach riesengroßen Rückhalt in der schwarzen Bevölkerung haben, die dann um Gerechtigkeit kämpfen und sagen, das kolonialistische Erbe muss einfach wieder umgekrempelt werden. Es wird also, glaube ich, tatsächlich noch ein sehr spannender Endspurt hier im Wahlkampf.“*
Gewaltbereite Kommunisten als Kämpfer für Gerechtigkeit
Die „mega aufholende“ EFF müssen sie sich übrigens in etwa so sympathisch vorstellen, wie ein stalinistisches Rollkommando im Moskau des Jahres 1937, das nachts an ihre Tür hämmert – natürlich nur, wenn sie schuldig, also Bleichgesicht sind. Diese „Gerechtigkeitskämpfer“ verhandeln nicht und wollen auch nicht, dass sie als weißer Farmer, der sie seit Generationen ihr Land bestellen, irgendetwas mit ihnen teilen! Sie kommen und nehmen ihnen einfach alles weg, was sie haben. „It’s ours!“ Sie dürfen, falls Sie es überleben, noch solange bleiben, bis sie die Kredite abbezahlt haben, die sie zur Entwicklung ihres Landes aufnehmen mussten. Die EFF bezahlt doch nicht die Schulden der Buren… soweit kommt’s noch!
Die EFF ist nicht die Opposition des ANC, sondern die Peitsche, die ihn vorantreibt. Als Vergleich bietet sich die Rolle an, welche unsere Grünen für die CDU/CSU spielen.
Gegründet wurde die EFF 2013, also dem Jahr, in dem Mandela starb. Man muss Mandela nicht vor einem Einkaufszentrum getroffen haben, um zu ahnen, was er heute von seinem ANC und den Rassisten der EFF halten würde. Wo Genth einen „sehr spannenden Endspurt im Wahlkampf“ sieht, sehen Wirtschaftsexperten, Investoren und enttäuschte Südafrikaner aller Farben des Regenbogens eher den Endspurt in Staatsversagen, Anarchie und staatliche Willkür. Zum Glück gibt es den Klimawandel, der das alles verursacht oder verstärkt hat. Das wird der ANC schon noch begreifen. Denn wenn die Staatskassen der Republik Südafrika auch bald leer sein mögen, die Klimafonds zur Rettung der Welt sind prall gefüllt.
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* Gesprochen klingt das zugegebenermaßen etwas weniger schlimm, als es sich liest. Entscheidender als journalistisches Talent dürfte wohl die richtige Haltung sein, wenn es darum geht, ARD-Korrespondent am Kap zu werden. Und die Haltung Genths ist zweifellos makellos! Bereits 2010, als der Mord an einem südafrikanischen Farmer, der sicher nicht zu den angenehmsten Zeitgenossen zählte, in Südafrika hohe Wellen schlug, berichtete sie für die ARD aus Johannesburg: „Die südafrikanische Öffentlichkeit redet schon jetzt nicht mehr darüber, dass Terreblanche ein Rassist war, ein Rechtsextremist und ein vorbestrafter Mann. Jetzt geht es nur noch darum, dass er ein weißer Farmer war und von seinen zwei schwarzen Angestellten ermordet wurde.” – für Laien wie mich klingt das schon so, als hätte es dieser Terreblanche schon irgendwie verdient, das Licht ausgeblasen zu bekommen. Schließlich war er ein Rechtsextremist und ein vorbestrafter Mann und solle sich mal nicht so anstellen, das habe er nun eben davon. Darüber solle man doch reden, nicht über den Mord, dessen Opfer er wurde. Mandela, da bin ich mir sicher, würde das etwas anders sehen.
Quelle: unbesorgt.de