Hetze und Hitze liegen nicht nur sprachlich eng beieinander. Betrachtet man die Meldungen der letzten Tage über die Waldbrände im Amazonasgebiet, bekommt man den Eindruck, der neue brasilianische Präsident drehe gerade ein Video für ein 99-Luftballons-Nena-Comeback und sei im Wald höchstpersönlich mit Streichholz und Benzinkanister unterwegs. Waldbrände sind in der Tat schrecklich und nicht nur wer zur Rettung des Regenwaldes literweise Krombacher soff, blickt betroffen.
Bolsonaro handele nicht, so liest man überall. Brände löschen ist schließlich die einfachste Sache von der Welt, wenn sie nicht gerade beim Übungsschießen der Bundeswehr im Moor entstehen, dann kann man natürlich nix machen. Was hat er also vor, der Beelzebub Bolsonaro, warum steckt er das Haus an, in dem er selber lebt? Sowas tun Menschen eben, wenn ihnen die richtig linke Einstellung fehlt, raunt es im trockenen deutschen Blätterwald und man kann froh sein, dass die Funken aus Brasilien es aller Panik zum Trotz nicht über den Atlantik schaffen.
Bad Guy Bolsonaro
Stutzig wurde ich, als ich hörte, dass viele Brandherde so abgelegen seien, dass man dort nicht mal zu Fuß hinkommt. Wie soll dort die spätere Bodennutzung von statten gehen, wie geerntetes Soja zu den gierigen Märkten der Fleischproduzenten gelangen, wenn man dort nur mit Hubschraubern oder auf tagelangen Gewaltmärschen durch den Dschungel hingelangen kann? Und warum werden auch aus den Nachbarländern Brasiliens, aus Peru und Bolivien, heftige Waldbrände gemeldet? Zündelt Bolsonaro dort etwa auch und wenn nicht, warum stehen die Präsidenten Perus und Boliviens nicht mit ihm am Pranger der EU?
Ebenfalls verwunderlich ist, dass der Raubbau am Regenwald, der durch lokale Bauern, illegale Goldschürfer und auch große Agrarfirmen zweifellos eine Tatsache und verwerflich ist, in diesem Fall einen wichtigen Schritt menschlicher Gier zu überspringen scheint: die Wälder brennen sofort, niemand fällt dort illegal zunächst wertvolle Bäume um das Holz zu verkaufen. Ist es wirklich so lukrativ, das Tropenholz zu verbrennen und stattdessen auf gute Soja-Preise zur Viehfütterung zu hoffen, wo die Europäer doch gerade ihr fleischloses Klimagewissen entdecken? Das alles ist so merkwürdig, dass es sich lohnt, auch andere Ursache-Wirkung-Paare in den Blick zu nehmen.
Da wäre zunächst das Freihandelsabkommen „mercosur“ zwischen Südamerika und der EU und die Frage, warum gerade Frankreichs Präsident Macron aufgrund der Flammen in Brasilien die Ratifizierung stoppen will. Bietet sich da etwa ein willkommenes Ventil, um die Agrarlobby im eigenen Land zu beruhigen, die sich vor billigen Importen fürchtet, mit denen gerade der Agrarriese Brasilien die EU überschwemmen könnte?
Dann ist da die Person Bolsonaro selbst, ein Präsident, der sich aufgrund seiner Politik einen Spitzenplatz auf der Hassliste der EU gleich hinter Trump gesichert hat. Ein Klimaleugner vor dem Herrn, der das Paris-Abkommen verspottet und Mittel für den Klimaschutz streicht. Doch Greta ist schon auf dem Weg nach Amerika und wird ihm Beine machen! Ihm die Feuer in die Schuhe zu schieben scheint da schon fast ein moralisches Gebot, denn für „Ultrarechte“ gilt keine Unschuldsvermutung und das Prinzip der Nichteinmischung in nationale Angelegenheiten ist – siehe Ungarn – ohnehin außer Kraft gesetzt. Wer Gutes im Sinn hat, für den gelten andere Regeln.
Ein Blick in die Fakten
Doch was passiert denn nun wirklich in Brasilien und anderen Ländern Südamerikas? Fragen wir die NASA, mit Hilfe deren Erdbeobachtungssatelliten seit Jahrzehnten die Statistiken über Waldbrände führen. Dort lesen wir zunächst, dass der „Regenwald“ im Moment ganz und gar nicht so nass ist, wie wir es uns in einer glattgebügelten Phantasie gern vorstellen. Es ist Trockenzeit – und zwar jahreszeitlich bedingt, nicht etwa durch den Klimawandel.
„In the Amazon region, fires are rare for much of the year because wet weather prevents them from starting and spreading. However, in July and August, activity typically increases due to the arrival of the dry season. Many people use fire to maintain farmland and pastures or to clear land for other purposes. Typically, activity peaks in early September and mostly stops by November.“
Das macht es natürlich nicht besser, wenn ein Farmer zur Vergrößerung seiner Ackerflächen zum Streichholz greift oder Feuer, das to maintain farmland gelegt wurde, auf benachbarten Wald übergreift, nur lässt sich das nicht ohne weiteres dem Präsidenten in die Schuhe schieben. NASA weiter:
„As of August 16, 2019, an analysis of NASA satellite data indicated that total fire activity across the Amazon basin this year has been close to the average in comparison to the past 15 years. (The Amazon spreads across Brazil, Peru, Colombia, and parts of other countries.) Though activity appears to be above average in the states of Amazonas and Rondônia, it has so far appeared below average in Mato Grosso and Pará, according to estimates from the Global Fire Emissions Database, a research project that compiles and analyzes NASA data.“
Interessant! Die Feueraktivität ist also „nahe am Durchschnitt der letzten 15 Jahre“. In manchen Regionen liegt sie darunter, in anderen etwas darüber. Mögen die Einzelfälle auch noch so bedrohlich sein, in der Statistik wird das Jahr 2019 wohl im üblichen Rauschen verschwinden – wobei diese Aussage unter Vorbehalt geäußert sei: wir müssen bis Dezember warten.
Bleibt also als überdurchschnittliches Ereignis derzeit nur das Feuer in den Köpfen von europäischen Aktivisten, Journalisten und Politikern mit Agenda, wenngleich man Bolsonaro vorwerfen muss, dass er genau so hysterisch und mit haltlosen Anschuldigungen auf die Vorwürfe reagiert, wie man das von ihm erwartet. Souverän geht anders. Hinzu kommt, dass viele Bilder, die aktuell zur Illustration der Waldbrände verwendet werden, gar nicht von dort stammen, wie sogar die Tagesschau-Faktenchecker einräumten. Aber um die Stimmung anzuheizen und die Hitze in Hetze zu verwandeln, ist gegen Politiker wie Orban, Trump und Bolsonaro längst jedes Mittel recht.
Der Autor Roger Letsch veröffentlicht seine sehr lesenswerten Beiträge auf www.unbesorgt.de
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