Der Tatort: Chemnitzer haben für den von Flüchtlingen bestialisch Ermordeten Blumen und Kerzen niedergelegt. Foto: Screenshot Youtube

Vera Lengsfeld: Die Hetzjagd im Chatprotokoll

Erinnert sich noch jemand an das Medien-Desaster im Jahr 2000? Damals eröffnete Bild eine mehr­tägige Medien-Kanonade gegen das säch­sische Städtchen Sebnitz mit einer Gru­sel­ge­schichte, die lautete, dut­zende Rechts­ra­dikale hätten im städ­ti­schen Schwimmbad unter den Augen von geschätzten 1000 Bade­gästen einen kleinen Jungen mit süd­län­di­schem Aus­sehen ertränkt. Die Geschichte, obwohl von vorn bis hinten unglaub­würdig, wurde von den Qua­li­täts­medien dennoch für wahr gehalten. Sebnitz wurde als angeblich braunes Nest welt­be­rühmt. Im Ergebnis der Kam­pagne gab es Ver­haf­tungen von gänzlich unschul­digen Men­schen. Die Mutter des Jungen wurde noch medi­en­wirksam von Kanzler Schröder emp­fangen, ehe das Lügen­ge­bilde zusam­men­brach. Bild bereute, gelobte Bes­serung und Hilfe, um den Image­schaden für Sebnitz zu heilen. Man sollte meinen, ein solcher Schock wäre heilsam gewesen.
Vor einem Jahr habe ich noch ange­nommen, dass Chemnitz zum neuen Sebnitz werden würde. Weit gefehlt. Obwohl längst erwiesen ist, dass es die Hetz­jagden auf Migranten nicht gegeben hat, wird die Behauptung in den Medien einfach auf­recht erhalten.
Dabei gab es von Anfang an keine Beweise für die angeb­lichen Hetz­jagden auf alles „was aus­län­disch aus­sieht“, die in Chemnitz am Rande des Trau­er­mar­sches der 800 Chem­nitzer statt­ge­funden haben sollen. Es gibt nach wie vor nur einen Toten und zwei schwer ver­letzte Deutsche und keine Hin­weise auf ver­letzte Asyl­be­werber. Es bleibt bei den zwei Videos, die von ver­schie­denen Medien als Beleg prä­sen­tiert wurden, dafür aber nicht taugen. .Eines davon stammt von der Antifa, die sich hier bezeich­nen­der­weise „Zeckenbiss“ nennt. Der von den Medien eifrig abge­lichtete wohl­stands­ver­wahr­loste Mann mit den Hit­ler­grüßen, der trotz sicht­baren RAF-Tattoos als Rechts­ra­di­kaler prä­sen­tiert wurde, bekannte vor Gericht, ein Linker, Anhänger der Antifa zu sein.
Wie inzwi­schen die Bun­des­re­gierung zugeben musste, bezogen sich Regie­rungs­sprecher Seibert und Kanz­lerin Merkel auf das Antifa-Video, als sie von Hetz­jagden in Chemnitz sprachen. Bis heute haben sich die beiden nicht für die unge­heu­er­liche Ver­un­glimpfung der Chem­nitzer ent­schuldigt. Die Schimäre Hetz­jagden wird auf­recht erhalten und damit zum blei­benden Schaden für die Stadt.
Hätten wir noch Medien, die das Regie­rungs­handeln kri­tisch begleiten, Merkel als Bun­des­kanz­lerin zurück­treten müssen und Seibert mit sofor­tiger Wirkung sein Amt als Regie­rungs­sprecher ver­loren. Statt dessen ver­suchen die Medien krampfhaft, die Hetzjagd-Legende auf­recht zu erhalten. Wenn Hetz­jagden schon nicht statt­ge­funden haben, so hätten sie doch statt­finden können.
Das säch­sische Lan­des­kri­mi­nalamt käme inzwi­schen in einem ver­trau­lichen Bericht zu der Ein­schätzung, die Demons­tra­tionen seien durch „eine hohe Gewalt­be­reit­schaft gegenüber den ein­ge­setzten Poli­zei­be­amten, Per­sonen mit tat­säch­lichem oder schein­baren Migra­ti­ons­hin­ter­grund, poli­ti­schen Gegnern, sowie Jour­na­listen“ geprägt gewesen, schreibt u.a. die Süddeutsche.
In Chats, die von Handys bekannter Rechts­extremer aus dem Großraum Chemnitz stammen, sollen sich zahl­reiche For­mu­lie­rungen und Dialoge finden, die die Ermittler als Ver­ab­re­dungen zu Gewalt gegen Migranten und Prah­le­reien über angeblich erfolg­reiche Jagd auf Aus­länder deuten. Die Chats würden „die tat­säch­liche Umsetzung von Gewalt­straf­taten gegen Aus­länder“ ver­deut­lichen, soll es in dem LKA-Bericht heißen.
Eine späte Erkenntnis, die allem wider­spricht, was Polizei, säch­sische Staats­an­walt­schaft und Chem­nitzer Jour­na­listen geäußert haben.
Der Chef­re­dakteur der Freien Presse Chemnitz Torsten Kleditztsch, erklärte in einem Interview mit Deutsch­land­radio Kultur wörtlich: “Hetz­jagden haben wir hier nicht beob­achtet.” Die Bun­des­re­gierung und viele Medien hätten vor­schnell geur­teilt und Zustände (G7) wie in Hamburg seien in Chemnitz nicht vorgekommen.
Auch Wolfgang Klein, Sprecher der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Sachsen sagte:„Nach allem uns vor­lie­genden Material hat es in Chemnitz keine Hetzjagd gegeben“.
Später wurde diese Ein­schätzung vom Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­denten Hans-Georg Maaßen bestätigt, der dafür prompt gefeuert wurde.
Es wird nach dem unsäg­lichen Motto ver­fahren, dass eine Lüge nur oft genug wie­derholt werden muss, damit sie als Wahrheit akzep­tiert wird.
In den aktu­ellen Mel­dungen ist bezeich­nen­der­weise nur von Chats die Rede, nicht von wirklich nach­weislich began­genen Taten. Das erinnert fatal an die vor fast einem Jahr ver­haf­teten sieben  Maul­helden, heute müsste man Cha­thelden sagen, die angeblich mit einem Luft­gewehr aus DDR-Zeiten den Staat umstürzen wollten. Zwar lagerte das Luft­gewehr anscheinend in der Garage des Schwie­ger­vaters eines der Ver­haf­teten und der war auf dem Weg zur Arbeit, als er ange­halten und ver­haftet wurde, aber die Gefahr, die von den ver­hin­derten Umstürzlern ausging, recht­fertigt anscheinend alle ergrif­fenen Maß­nahmen. Sie sitzen seitdem wegen der von ihnen aus­ge­henden Ter­ror­gefahr hinter Gittern.
Wenn Linke, wie in Thü­ringen pas­siert, 100 Kilo Che­mi­kalien horten, die geeignet sind, Spreng­stoff daraus her­zu­stellen und zusätzlich But­ter­säure lagern, muss dies erst von den freien Medien the­ma­ti­siert werden, ehe sich das Lan­des­kri­mi­nalamt in Bewegung setzt.
Nor­ma­ler­weise schaltet sich sofort der Staats­schutz ein, wenn bei Haus­durch­su­chungen gefähr­liche Sub­stanzen und gebrauchs­fer­tiger Spreng­stoff gefunden werden und ein Ver­däch­tiger poli­tisch aktiv ist. Mit­unter über­nimmt in solchen Fällen sogar die Bun­des­an­walt­schaft die Ermitt­lungen. So war es, als im Sep­tember 2007 die isla­mis­tische Sau­erland-Gruppe ent­tarnt wurde oder im April 2016 die rechts­extreme „Gruppe Freital“ aufflog.
Wenn Linke erklären, die But­ter­säure, die von Links­extre­misten gern für Anschläge gegen Lokale und Büros poli­ti­scher Gegner ein­ge­setzt wird, sei für die Mutter gewesen, damit sie ein geeig­netes Schäd­lings­be­kämp­fungs­mittel gegen Wühl­mäuse und Maul­würfe hätte und der Spreng­stoff sei nur für den Pri­vaten „Kick“ gemischt worden, genügt das, um die Harm­lo­sigkeit der linken Akti­visten zu beweisen. Bei Rechten genügen Chats, um Hetz­jagden, für die es keine Beweise gibt, zur Rea­lität zu erklären.
Minis­ter­prä­sident Michael Kret­schmer, hat anfangs auch bestätigt, dass keine Hetz­jagden in Chemnitz statt­ge­funden haben. Dennoch stellte er sich, der über alle Infor­ma­tionen verfügt und wissen muss, dass die Chem­nitzer zu Unrecht dämo­ni­siert werden, nicht schützend vor seine Wähler, sondern übernahm, wie der Sprecher der Kanz­lerin, die Sprach­re­gelung der Links­extremen und macht sie damit amtlich.
Auf einer Pres­se­kon­ferenz nach den Ereig­nissen beschäf­tigte sich das erste Drittel seines State­ments mit dem angeblich noch not­wen­diger gewor­denen „Kampf gegen Rechts“, den er mit den her­kömm­lichen „breiten Bünd­nissen“, zu denen die Links­ra­di­kalen gehören, inten­si­vieren wolle. Er nahm das Wort Links­ra­di­ka­lismus, der in Chemnitz auch eine Rolle spielte, nicht einmal mehr in den Mund. Nein, er sei froh, über die Gegen­de­mons­tra­tionen gewesen, also auch über die, bei denen die Antifa gewohn­heits­gemäß Fla­schen warf und Böller auf die Polizei schoss. Oder bei denen gesungen wurde, dass man die „Mes­se­klinge in die Jour­na­lis­ten­fresse rammen“ wolle, wie es die #wir­s­indmehr-Band KIZ tat.
Für gefährlich scheint Kret­schmer allein die tau­senden Chem­nitzer zu halten, die am Ende ihrer Kund­gebung beim Schein von Feu­er­zeugen und Han­dyleuchten die Natio­nal­hymne sangen.
Die Chem­nitzer sollten sich daran erinnern, wenn sie in der Wahl­kabine stehen.


Quelle: vera-lengsfeld.de