EU will Füh­rer­schein für Senioren ab 70 – Wider­spruch von ADAC und Politik

Die Alters­grenze für die Pen­sio­nierung soll ja schritt­weise auf 70 Jahre ange­hoben werden. Am liebsten würden sie uns bis zum letzten Lebenstag rackern lassen, um die Ren­ten­kassen zu schonen und statt­dessen auch noch 70-Jäh­rigen Steuern abzu­nehmen. Gleich­zeitig aber sind Sieb­zig­jährige angeblich nur bedingt fahr­tauglich und müssen vom für­sorg­lichen Papa Staat alle fünf Jahre über­prüft werden, ob sie noch alle Latten am Zaun haben. Wahr­scheinlich sollen die alten Leute dann alle zu Fuß zu ihrer Arbeits­stelle. Wäre es da nicht prak­ti­scher, die Senioren gleich in ein Arbeits­lager zu stecken, bis sie tot sind, dann hat man doch das Optimum aus ihnen her­aus­geholt: Keine Wege zur Arbeits­stelle, kein CO2, keine Ren­ten­zah­lungen, keine Sozi­al­leis­tungen, kein Urlaub – aber statt­dessen Steu­er­gelder für den Staat.

Bisher kein Ver­falls­datum für PKW und Motorradführerschein

Die EU-Kom­mission hat einen Entwurf einer neuen euro­päi­schen Ver­kehrs­richt­linie vor­ge­stellt. Diese sieht vor, dass Auto­fahrer ab einem Alter von 70 Jahren alle fünf Jahre den Füh­rer­schein „auf­fri­schen“ müssen, was bedeutet dass sie eine Taug­lich­keits­prüfung ablegen müssen. Dazu soll der Gesund­heits­zu­stand durch einen Arzt unter­sucht werden oder durch eine „Selbst­ein­schätzung“ des Fahrers. Die EU-Staaten können ent­scheiden, welche Variante sie ein­führen wollen.

Gleich­zeitig soll auch die zulässige Pro­mil­le­grenze noch weiter abge­senkt werden. Für Fahr­an­fänger im Alter zwi­schen 17 bis 21 Jahren gilt sowieso schon die Null-Pro­mille-Pflicht, für alle anderen Fahrer 0,5 Promille.

Wer bisher den „Lappen“ (der schon längst eine Karte im Scheck­kar­ten­format ist) hatte, brauchte sich ein Leben lang keinen Über­prü­fungen mehr zu stellen, außer er beging schwere Taten im Stra­ßen­verkehr oder fort­ge­setzt Alko­hol­miss­brauch am Steuer. Nur bei einem Teil der frü­heren Füh­rer­schein­klasse 3 und bei Last­kraft­wagen mit Anhänger über 12 Tonnen läuft die Fahr­erlaubnis nach einer Frist ab. Der ADAC schreibt:

„Bei Pkw- und Motorrad-Fahr­erlaub­nissen kann die Füh­rer­schein­be­hörde nur in begrün­deten Fällen eine Über­prüfung anordnen. Das bestehende – so genannte anlass­be­zogene – System für Test­ver­fahren hält der ADAC für aus­rei­chend und betont, dass der Anlass nicht allein das Alter sein kann.“ 

„Das ist Alters­dis­kri­mi­nierung!“ 

Bun­des­ver­kehrs­mi­nister Volker Wissing (FDP) hält das schlicht für eine unmög­liche Zumutung. Er lehnt die Pläne der Kom­mission ab, Füh­rer­schein­in­haber ab 70 Jahren mit eigens für sie ver­schärften Regeln zu drang­sa­lieren. „Ich will keine ver­pflich­tenden Taug­lich­keits­prü­fungen für Auto­fahrer über 70, und ich bin zuver­sichtlich, dass sich dafür in der EU auch keine Mehrheit finden wird“, sagte Minister Wissing der Presse. Ihm stoße es auf, dass „der Ein­zelne immer zum Objekt gemacht werde, sich Zwangs­un­ter­su­chungen unter­ziehen muss und sein täg­liches Leben nach Vor­schrifts­ka­talog zu gestalten hat“. 

„Ich traue den Senioren schon zu, dass sie sich ohne staat­liche Vor­gaben und büro­kra­tische Kon­trolle mit ihrer Gesundheit aus­ein­an­der­setzen.“ 

Die Unfall­sta­tis­tiken geben dem Bun­des­mi­nister recht: In der Alters­gruppe über 70 gibt es keine Auf­fäl­lig­keiten bei schweren Unfällen. Viele ältere Men­schen, sagt er, leben im länd­lichen Bereich und ohne Auto sind all­täg­liche Wege, wie Ein­kaufen, Arzt­be­suche, Freunde und Ver­wandte zu sehen oder als Enkel­be­treuer oder Teil­nahme an gesell­schaft­lichen Dingen, wie Ver­einen, nicht möglich. Weite Auto­fahrten sind unter Senioren äußerst selten.

Genau solche Auf­gaben sind aber bei den Fahr­taug­lich­keits­prü­fungen ent­halten, wie bei­spiels­weise eine Fahrt von Berlin nach Hamburg, sagt Bun­des­ver­kehrs­mi­nister Wissing. Das sei einfach ein für alle Alters­gruppen „objek­tiver Maßstab“ – nur sei der für die Taug­lich­keits­prüfung von Senioren, wie es sie die EU-Kom­mission will, „nicht verhältnismäßig“.

Senioren sind keine schlech­teren Autofahrer…

Aus den Unfall­sta­tis­tiken lässt sich eben­falls nicht her­leiten, dass Men­schen über siebzig signi­fikant höhere Unfall­zahlen pro­du­zieren. Bei einem Bevöl­ke­rungs­anteil von rund 22 Prozent ver­ur­sachen sie sogar weniger Unfälle als jüngere Jahr­gänge: Im Jahr 2021 haben Men­schen ab 65 Jahren nur 17,4 Prozent der Unfälle ver­ur­sacht. Es ist eher so, dass alte Men­schen eher durch die anderen Ver­kehrs­teil­nehmer gefährdet werden, denn wenn sie in einen Unfall ver­wi­ckelt werden – auch als Fuß­gänger oder Rad­fahrer – erleiden sie schwerere Ver­let­zungen. Der ADAC-Ver­kehrs­psy­chologe Ulrich Chiellino macht darauf auf­merksam, dass mehr als jeder zweite tödlich Ver­un­glückte, nämlich 56 Prozent, 65 Jahre oder älter ist. Bei Unfällen mit Pedelecs (Fahr­räder mit Elek­tro­motor mit einer Tritt­un­ter­stützung bis 25 km/h) sind sogar 68 Prozent der Toten aus der Senioren-Altersgruppe.

Im Übrigen, sind sich Experten und auch Politik einig, reicht ja die Gruppe der „Senioren“ von 65, den soge­nannten „Best Agern“, von denen noch viele im Erwerbs­leben stehen, besonders die Selb­stän­digen, bis hin zu echten Greisen von 90 Jahren und drüber. Innerhalb dieser Spanne gibt es sehr große Unterschiede.

Und die sind sehr indi­vi­duell. Mancher 65-Jährige ist aus­ge­brannt oder chro­nisch krank, viele im selben Alter sind hun­dert­pro­zentig fit. Es gibt sogar 90-Jährige, die noch erstaunlich geis­tes­ge­gen­wärtig und beweglich sind. Es hängt auch davon ab, ob ein alter Mensch Medi­ka­mente ein­nimmt, die seine Reak­ti­ons­fä­higkeit oder Wahr­nehmung einschränken.

Groß­eltern sind mobil, ein­satz­freudig und eine große Stütze für die jungen Familien

Eigen­ständig und mobil zu sein ist eine Vor­aus­setzung dafür, auch unab­hängig zu bleiben, Freude am Leben zu haben und noch lange in der Familie und der Gesell­schaft ver­ankert zu bleiben und auch Auf­gaben wahr­zu­nehmen. Es trägt dazu bei, geistig fit zu bleiben und anderen Hilfe und Unter­stützung zu geben.

Sehr viele soziale Enga­ge­ments und viele wichtige Posten in Ver­einen werden von Senioren getragen. Sie bringen ihre Erfahrung und ihr beruf­liches Wissen ein, haben eher Zeit dazu, sind meistens nicht auf ein Entgelt für ihre Arbeit ange­wiesen. Sie springen gerade da ein, wo man sie braucht, führen Jüngere in die Dinge ein, die diese sonst mit Versuch und Irrtum und ent­spre­chenden Ver­lusten erst erlernen müssten.

Sie sind oft der Ret­tungs­anker für die Familien ihrer Kinder, helfen den Enkeln bei ihren Schul­ar­beiten und Vor­be­rei­tungen für Klas­sen­ar­beiten, holen und bringen Kin­der­gar­ten­kinder und junge Schul­kinder. Könnten die Groß­eltern das nicht, wäre die Belastung der Eltern wesentlich größer, es müsste min­destens jeweils ein Elternteil beruflich stark zurückstecken:

 Umge­kehrt sind die Groß­eltern oft eine große Stütze für die Kern­fa­milie. Häufig springen sie in ‚Betreu­ungs­lücken‘ ein, erklärt Dr. Alex­andra Lang­meyer vom Deut­schen Jugend­in­stitut e.V.. Etwa, wenn die Eltern länger arbeiten müssen als der Kin­der­garten geöffnet hat. Oder wenn ein Kind krank ist. Hinzu kommen finan­zielle Hilfen.“

Com­puter-Tests können leicht zu fal­schen Ein­stu­fungen führen

ADAC-Experte Ulrich Chiellino warnt, dass sehr wohl fahr­taug­liche ältere Fahrer fälsch­li­cher­weise als nicht mehr geeignet ein­ge­stuft werden. Ein­zelne Aspekte könnten, so der Experte, den Aus­schlag geben beim Gesamt­ergebnis. Die Gesamt-Fahr­leis­tungs­kom­petenz könne in einer Labor-Situation gar nicht bewertet werden. Wenn, dann nur bei einer Fahrt unter realen Bedingungen.

Dazu kommt noch der psy­cho­lo­gische Aspekt: Auch sehr gute und sichere Fahrer über 70 werden womöglich unsicher und hek­tisch, weil sie Füh­rer­schein­verlust befürchten und machen Fehler, die sie in Ruhe und als rou­ti­nierte Kraft­fahrer gar nicht begehen würden. Ande­rer­seits könnte ein bestan­dener Test den Pro­banden eine falsche Sicherheit sug­ge­rieren, so dass sie Unsi­cher­heiten, die sie eigentlich schon selbst an sich bemerkt haben, bei­seite wischen. Ist doch alles in Ordnung, ich kann doch voll­kommen sicher und gut fahren, ich brauche gar nicht zum Akus­tiker oder Optiker zu laufen …

Diese Pläne sind – einmal wieder – der welt- und lebens­fremden Rege­lungswut der EU-Granden ent­sprungen, die nie wirklich die ganzen Sekun­där­wir­kungen durch­denken und blind­wütig durch das Leben der Men­schen trampeln.