Pixabay

Berlin ver­kauft 6000 Woh­nungen für 375 Mil­lionen und vier Jahre später für eine Mil­liarde zurück

Früher gehörten die fast 6.000 Woh­nungen der Ber­liner GSW, die gehört aber heute zur „Deutsche Wohnen“-Gruppe – eben jedem Unter­nehmen, dem linke Poli­tiker den Kampf angesagt haben. Damals brauchte Berlin – arm, aber sexy – einfach Geld. Und wer sexy ist und Geld braucht, der zieht sich für Kohle auch mal nackig aus. Der Freier hieß Ado Pro­perties S.A. und übernahm die fast 6.000 Woh­nungen. Mitt­ler­weile bereut die Stadt Berlin den Verkauf.

NEU! Hier bestellen!

Einmal, weil bezahlbare Woh­nungen in Berlin brand­heiße Man­gelware sind. Und zum anderen, weil die Preise mitt­ler­weile aus dem Grund in den Himmel steigen und Berlin die Butzen in Rei­ni­ckendorf und Spandau damals zu billig ver­tickt hat… und der Wert­zu­wachs der Stadt ent­gangen ist. Jetzt muss die chro­nisch unter­fi­nan­zierte Stadt mit ihrer neuen Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft Gewobag natürlich die gestie­genen Preise bezahlen, und so nimmt es nicht besonders Wunder, dass der Geschäfts­führer, neu­deutsch auch CEO (Chief Exe­cutive Officer), der luxem­bur­gi­schen Ado Pro­perties S.A. (Ado Immo­bi­li­en­ei­gentum), Ran Laufer, seine Freude kaum ver­hehlen kann:
„Wir freuen uns sehr, dass wir diesen Vertrag mit Gewobag abschließen konnten.“ Außerdem ent­spreche der Verkauf der Wert­schöp­fungs­stra­tegie der Gesell­schaft. Dazu gehöre nicht nur der Erwerb wert-stei­gernder Immo­bilien, sondern auch der Verkauf von Objekten, wenn sich die Gele­genheit zu Bedin­gungen biete, die für das Unter­nehmen vor­teilhaft sind. Wie hübsch man doch umschreiben kann, dass man einen fetten Reibach mit den Woh­nungen machen konnte: Billig ein­ge­kaufte Woh­nungen, die die Stadt Berlin jetzt teuer zurück­kauft. Damals, 2015, kaufte Ado Pro­perties das ganze Paket für 375 Mil­lionen Euro und ver­kauft es heute, vier Jahre später, für 920 Mil­lionen, also fast eine Mil­liarde. Das nennt man mal einen Deal. Ob die Gesell­schaft wohl über­haupt einen Cent an Moder­ni­sierung oder Reno­vierung inves­tiert hat? Oder ob sie die abge­wohnten Miet­woh­nungen jetzt teuer einfach wieder abgibt? Pro mehr oder weniger sanie­rungs­be­dürf­tiger Wohnung beträgt der Kauf­preis heute immerhin im Durch­schnitt 156.090,93 Euro.
Das scheint so der Fall gewesen zu sein. Bewohner der Wohn­blöcke berichten, dass die Gebäude schon ziemlich her­un­ter­ge­kommen waren, bevor Ado Pro­perties sie übernahm. Ein­gangs­be­reiche und Trep­pen­häuser waren ver­müllt, die Bewohner warfen volle Windeln, Müll und Ziga­ret­ten­kippen kur­zerhand aus den Fenstern. Funk­tio­niert der Aufzug nicht mehr, küm­merte sich Ado Pro­perties nicht darum. Ruft man wegen irgend­etwas den Repa­ra­tur­service, so eine Bewoh­nerin, kommt niemand. Auf E‑Mails gibt es grund­sätzlich keine Antwort. Und die Mieten sind auch nicht besonders sozial. Ado hat — nach den Beschrei­bungen der Bewohner zu urteilen – nur mög­lichst viel Geld aus den Mietern her­aus­geholt und nichts an der Sub­stanz gemacht. Da dürfte auf die Gewobag einiges an Reno­vie­rungs- und Repa­ra­tur­kosten zukommen. Zusätzlich zu der fast einen Mil­liarde, die sie auch nicht hat.
Ado selbst sieht das ganz anders:
„Als wir die Port­folien im Jahr 2015 erwarben, waren einige der Immo­bilien und Außen­an­lagen in keinem zeit­ge­mäßen Zustand und mussten instand­ge­setzt werden. Wir haben die Wohn­ein­heiten und Grün­flächen mit erheb­lichem zeit­lichen und finan­zi­ellen Aufwand instand­ge­setzt, damit sie den heu­tigen Bedürf­nissen der Mieter gerecht werden“, erklärte Ran Laufer, CEO von ADO Pro­perties S.A. „Wir suchen stets nach Mög­lich­keiten, die Qua­lität unserer Immo­bilien für unsere Mieter zu ver­bessern und nach­hal­tigen Wert zu schaffen – nicht nur aus finan­zi­eller Sicht. Wir haben daher das Gemein­schafts­gefühl der Mieter und ihr Ver­ant­wor­tungs­gefühl für ihr Wohn­viertel mit Ereig­nissen wie Nach­bar­schafts­festen unter­stützt und gestärkt“, betonte Laufer.
Infolge der ver­bes­serten Wohn­qua­lität hat sich der Ver­mie­tungs­stand des Port­folios in der letzten Zeit auf rund 98% erhöht.“
Berlin hätte den gesamten Immo­bi­li­en­be­stand kurz nach dem Verkauf für fast den gleichen Preis wieder zurück­kaufen können. Das wollte man damals wahr­scheinlich nicht, weil in den Woh­nungen ziemlich viel Asbest verbaut worden war. Das Giftzeug ist zwar heute noch drin, aber der Preis hat sich ver­drei­facht. Und jetzt wird der ganze Schamott doch gekauft. Der damals zuständige SPD-Staats­se­kretär Lütke Daldrup, der damals die Woh­nungen fast zum alten Preis hätte zurück­kaufen können, ist heute Chef des BER-Flug­hafens. Noch Fragen?
Ado Pro­perties dürfte sich kaputtlachen.
Finanz­se­nator Mat­thias Kollatz (SPD) ist allem zum Trotze wohl­gemut. Die Preise seien eben bun­desweit und besonders in Berlin stark gestiegen, findet er. Also so gesehen fast ein Schnäppchen. Er sieht da für die Ber­liner Bau­ge­sell­schaft Gewobag einen guten Deal. Auch die Sena­torin Lomp­scher (die Linke) ist guter Dinge und freut sich:
„Mit dem Erwerb von knapp 6000 Wohn­ein­heiten schließen wir heute den größten Re-Kom­mu­na­li­sie­rungs­ankauf in der Geschichte Berlins ab. Die Fehler, die in der Ver­gan­genheit mit dem Verkauf dieser Bestände gemacht wurden, können wir nicht rück­gängig machen, wohl aber den Mie­te­rinnen und Mietern die Sicherheit zurück­geben, die sie durch die zwi­schen­zeit­liche Pri­va­ti­sierung ver­loren hatten.“
Dass Fach­leute bereits seit ein paar Monaten warnen, die Immo­bi­li­en­hausse neige sich bedenklich dem Ende zu, kann die Wackeren nicht beein­drucken. Und wenn schon? Die Gewobag bezahlt den Kauf eh durch Schuld­schein­dar­lehen und die Zinsen seien ja prak­tisch gleich Null. Im Kauf­preis ent­halten sind bereits 340 Mil­lionen Euro Alt-Dar­lehen der Ado Pro­perties, die die Gewobag über­nehmen muss (für die also auch Zinsen anfallen. Wehe, wenn die Dar­le­hens­zinsen spürbar ansteigen!). Der 920-Mil­lionen-Euro-Immo­bi­li­endeal fand unter für­sorg­licher Begleitung einer Rechts­an­walts­kanzlei statt, die schon in Thü­ringen für die linke Regie­rungs­partei bei Rekom­mu­na­li­sie­rungs-Woh­nungs­käufen tätig wird. Man kennt sich also.
Was heißt das, lieber Leser? Das heißt, dass die Ado sehr wahr­scheinlich die 375 Mil­lionen Kauf­preis für die her­un­ter­ge­kom­menen Sozi­al­woh­nungen aus den 60er-90er Jahren über Dar­lehen bezahlt hat. Die nach 5 Jahren noch bestehenden Dar­le­hens­schulden von 340 Mil­lionen Euro schiebt sie jetzt non­chalant mit in den Mil­li­arden-Kauf­preis und der Stadt Berlin unter. So geht das: Auf Pump 6.000 Woh­nungen kaufen, nichts dran tun, mit den Mieten die Dar­le­hens­raten bezahlen, dann zum drei­fachen Preis ver­kaufen und dem (Zurück­käufer) die Schulden samt Zinsen gleich mit über­helfen. Ado gewinnt fast eine Mil­liarde, die Schulden sind weg, während Berlin (Gewobag) sich noch tiefer in Schulden ver­strickt hat.
Hier bestellen!

Die Gewobag scheint aber von keines Zweifels Blässe ange­kränkelt zu sein. Man beab­sichtigt, den Woh­nungs­be­stand von 68.000 Ein­heiten auf 80.000 zu erhöhen. Davon sollen 12.000 Neu­bauten sein. Schon im nächsten Jahr ist Bau­start für 3.500 Woh­nungen. Von „Bau­scham“ und CO2-Ver­meidung keine Rede.
Da fragt man sich, warum die Gewobag der Ado nicht einfach die Wohn­an­lagen gelassen und für fast eine Mil­liarde neue und bessere Woh­nungen gebaut hat?
Aber das größte Problem dürfte der Gewobag durch die eigenen Genossen ins Haus stehen. Die Bewohner sind schon abge­härtet und für jede noch so kleine Ver­bes­serung dankbar. Aber das schönste Geschenk für die Mieter dürfte viel­leicht von der Politik kommen: Mehr als 2 Prozent pro Jahr dürfen die Mieten nicht erhöht werden, der Mie­ten­deckel wird wahr­scheinlich auch noch im rot regierten Berlin kommen und mehr als die Hälfte der Bewohner wohnen auf Wohn­be­rech­ti­gungs­schein. Die Ein­nah­men­seite lässt sich also so gut wie nicht erhöhen. Gleich­zeitig dürfte ein immenser Reparatur‑, Sanie­rungs- und Reno­vie­rungsstau anstehen. Aber auch da hat die Gewobag schon einen Ausweg:
Kaputte Aufzüge und ver­müllte und ver­dreckte Wohn­an­lagen hin oder her: Aktuell sei keine Moder­ni­sierung geplant, beugt Anne Grubert, die Spre­cherin der Gewobag, den Träumen der Mieter vor. Sie sagte auch nichts darüber, wie hoch der Sanie­rungs­bedarf sein könnte.