Viele Menschen glauben, dass die Welt so funktioniert, wie das Bertolt Brecht in seinem Gedicht zum Ausdruck brachte:
Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an,
und der Arme sagte bleich:
Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich.
(von Rainer Zitelmann)
Der Reiche ist reich, weil er dem Armen etwas genommen hat – für Menschen, die so denken, ist das Wirtschaftsleben ein Nullsummenspiel, so wie beim Tennis, wo einer verlieren muss, damit der andere gewinnt.
„Lasst einige zuerst reich werden”
Obwohl dieses Denken sehr verbreitet ist, ist es grundfalsch. Ein Beispiel dafür ist die erstaunliche Entwicklung in China in den vergangenen vier Jahrzehnten. Niemals in der Geschichte sind in so kurzer Zeit so viele Menschen bitterer Armut entronnen wie in China. Nach Angaben der Weltbank betrug der Prozentsatz extrem armer Menschen in China 1981 noch 88,3 Prozent. 1990 war die Zahl bereits auf 66,2 Prozent gesunken, und 2015 waren nach den Daten der Weltbank nur noch 0,7 Prozent der Chinesen extrem arm. Die Zahl der Armen sank in China in diesem Zeitraum von 878 Millionen auf unter zehn Millionen.
Diese ganze Entwicklung begann mit den ökonomischen Reformen von Deng Xiaoping. Er gab die Leitlinie aus: „Lass einige zuerst reich werden.“ In den folgenden Jahrzehnten wurde das Privateigentum an Produktionsmitteln erlaubt, der Einfluss des Staates in der Wirtschaft wurde im Vergleich zur Zeit von Mao Zedong zurückgedrängt. Überall in China entstanden kapitalistische „Sonderwirtschaftszonen“.
Während es zu Maos Zeiten keine Milliardäre in China gab, war die Zahl dank dieser kapitalistischen Reformen bis zum Jahr 2010 auf 64 gestiegen. Heute gibt es 324 Milliardäre in China, ohne die 71 Milliardäre mitzurechnen, die in Hongkong leben. In keinem Land der Welt – außer in den USA – gibt es heute mehr Milliardäre als in China. Nach der Nullsummentheorie wäre diese Entwicklung gar nicht zu erklären. Der starke Rückgang der Zahl der Armen und der starke Anstieg der Zahl der Milliardäre sind nur zwei Seiten derselben Medaille.
Die meisten Reichen werden nicht reich, weil sie den Armen etwas wegnehmen, sondern weil sie einen großen Nutzen für viele Menschen stiften. Jack Ma ist mit einem Vermögen von 34,6 Milliarden Dollar der reichste Mann Chinas. Er wurde so reich, weil er Alibaba und andere erfolgreiche Unternehmen gründete, die die Bedürfnisse von Hunderten Millionen Menschen befriedigten.
Reiche stiften Nutzen für die Gesellschaft
Ein Blick auf die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt zeigt, dass fast alle Reichen als Unternehmer reich geworden sind oder Unternehmen fortführen, die ihre Eltern aufgebaut haben. Die meisten unter den Top-Ten der reichsten Menschen der Welt sind Selfmade-Unternehmer. Jeff Bezos, mit 131 Milliarden Dollar der reichste Mann der Welt, wurde auf eine ähnliche Weise reich wie Jack Ma, nämlich durch e‑commerce. Bill Gates, der zweitreichste Mann der Welt (und lange Zeit der reichste) wurde nicht reich, weil er den Armen etwas weggenommen, sondern weil er uns allen etwas gegeben hat. Damit meine ich nicht die Milliarden, die er mit seiner Stiftung für philanthropische Zwecke ausgegeben hat, sondern den PC und Software wie das Textverarbeitungssystem „Word“, also jene Produkte, mit denen Bill Gates so reich wurde.
Larry Ellison, Nr. 7 auf der Liste der Reichsten, wurde mit Software für Datenbanken reich. Ihm folgt auf Platz 8 Mark Zuckerberg, der mit Facebook eine tolle Idee hatte, die heute von fast zwei Milliarden Menschen genutzt wird. Larry Page und Sergey Brin, auf Platz 10 und 14 der Forbes-Liste, wurden reich, weil sie die erfolgreichste Suchmaschine der Welt entwickelten.
Nullsummenglaube schadet
Psychologen haben herausgefunden, dass eine wichtige Quelle von Neid Nullsummendenken ist. Denn wer glaubt, dass Reiche nur auf Kosten der Armen reich geworden sind, neidet den Reichen ihr Vermögen. Nullsummenglauben ist auch die Quelle von sozialistischen Theorien, die in den vergangenen Hundert Jahren so viel Leid über die Menschheit gebracht haben. Und Nullsummenglaube ist die Basis für die Forderung nach Umverteilung: Denn seine Anhänger glauben beispielsweise, dass es den Menschen in Afrika deshalb so schlecht ginge, weil sie von den reichen Ländern des Westens ausgebeutet würden. Ihre Folgerung: Man müsse die „Gerechtigkeit“ wiederherstellen, indem die reichen Länder im großen Stil durch Entwicklungshilfe und Schuldenerlass Gelder nach Afrika transferieren. Doch damit sind bekanntlich die Probleme Afrikas nicht gelöst worden – viele Kritiker der Entwicklungshilfe sind sogar der Meinung, dass sie dadurch verschlimmert wurden.
Der Vergleich zwischen Asien und Afrika zeigt eindeutig, was den Menschen hilft und was nicht: In Asien wurde in vielen Ländern die Allmacht des Staates zurückgedrängt und dem Privateigentum und dem Markt mehr Raum gegeben. Dadurch wurde die wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht, die zu einem extremen Rückgang der Armut in Asien führte. Afrika dagegen hat auf Entwicklungshilfe gesetzt, was sich nicht als wirksames Rezept zur Armutsbekämpfung erwiesen hat. Nullsummenglaube führt also immer wieder zu falschen Problemlösungsstrategien und verhindert damit, dass die Probleme auf dieser Welt wirklich gelöst werden.
Quelle: misesde.org
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