Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Scherz über Homöo­pathie in Dr. Oetker-Tweet – Shit­storm und Gegenshitstorm

Das Klima in dem Land, in dem wir so gerne leben ist schon ziemlich ver­biestert und humorlos geworden. Da twittert Dr. Oetkers — wahr­scheinlich die Mar­ke­ting­ab­teilung — mit einem Foto einen Witz, der eine iro­nische Anspielung auf die Homöo­pathie enthält. Gezeigt werden die zu einem Kreis zusam­men­ge­legten Rand­stücke einer Pizza. Die Rand­stücke zeigen noch die Biss­spuren, aber die Pizza ist nicht mehr da. Der Text: „Ent­deckt jetzt unsere neue homöo­pa­thische Pizza. Extra sät­tigend, besonders teuer und mit köst­lichen Spuren von Fisch­stäbchen. #Homöo­pathie“
 

Damit spielten sie auf die homöo­pa­thi­schen Mittel an, die nach zig­facher Ver­dünnung nach Meinung der Kri­tiker über­haupt keinen Wirk­stoff mehr ent­halten. Besonders die Globuli, kleine Zucker­kü­gelchen, bei denen mit Tau­send­facher und mehr Ver­dünnung gear­beitet wird, werden gern belä­chelt. Nun, ich halte viel von Homöo­pathie, aber ganz ehrlich, ich finde den Tweet schon lustig. Warum denn nicht?
Aber: Es hagelte einen Shit­storm. Irgendwie war ja auch damit zu rechnen. Nach der Empörung über Gilette-Anti-Männer-Werbung und Edekas miss­glückte Vater­tags­werbung, die ziem­liche Auf­regung ver­ur­sacht hatten, kann das ja keine allzu große Über­ra­schung sein.
Die „Glo­bu­listen“ jeden­falls beschwerten sich massiv, und Dr. Oetker zog seinen Tweet zurück.

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Voll­kommen unnötig, denn man darf wohl davon aus­gehen, dass sie damit keine Kunden ver­prellt haben. Men­schen, die Anhänger der Homöo­pathie sind, werden wohl kaum eine Tief­kühl­pizza frei­willig zu sich nehmen. Bekann­ter­maßen finden sich in Fer­tig­pizzen sehr oft unge­sunde Zutaten, wie bei­spiels­weise Lebens­mit­teli­mitate: Ana­logkäse (Käse aus Milch­eiweiß und Öl), fal­scher Schinken (zuam­men­ge­presste Fleisch­reste), oder Mee­res­früchte (aus Fisch­resten her­ge­stellte und geformte Masse). Aber auch die bei­gefügten Che­mi­kalien, wie Kon­ser­vie­rungs­mittel, Geschmacks­ver­stärker, künst­lichen Arome, Emul­gatore, Farb­stoffe, gefärbte Oliven  usw. usf.
„‘Es gibt kaum eine Speise, bei der die Relation Waren­einsatz zu Ertrag so günstig ist wie bei Pizza aus der Piz­zeria‘, sagt Frieder Grund­höfer, Lebens­mit­tel­che­miker des Vete­ri­när­un­ter­su­chungsamts Freiburg.“
 „Schinken und Cham­pi­gnons gehören zu den belieb­testen Tief­kühl­pizzen der Deut­schen. Tat­sächlich besteht das rosa Produkt jedoch häufig gerade mal zu 50 Prozent aus Fleisch. Der Rest ist eine Füll­masse aus Wasser und künst­lichen Ver­di­ckungs­mitteln. Selbst der Name ‚Koch­schinken‘ steht nicht zwingend für Qua­lität. Häufig handelt es sich dabei um Press­fleisch mit rund zehn Prozent Füllmasse.“
Der Spott über die „Eso-Glo­bu­listen“ sei der Mar­ke­ting­ab­teilung Dr. Oetkers gegönnt. Die Pizza aus der Piz­zeria ist ja noch Gold gegen die üblichen Fertig-Tief­kühl­pizzen aus dem Super­markt. Die tap­feren Ver­tei­diger der Tiefkühl-Pizza essen sowas hof­fentlich nicht allzu häufig. Wer sich infor­miert, der weiß eben, dass deren Zutaten meistens — wie oben ange­führt — durchaus gesund­heit­liche Nach­teile mit sich bringen können: Wer viel Fer­tig­pizza futtert, hat ein höheres Krebs­risiko“. Da sind die ver­meintlich wir­kungs­losen Globuli noch die weitaus bessere Wahl. Zuge­geben, sie schmecken nicht so gut und sie machen nicht satt.
„Lebens­mit­teli­mitate sind aber nicht nur eine Ver­brau­cher­täu­schung. Besonders für All­er­giker und Heu­schnupfen-Pati­enten können Käse- und Schin­ken­imitate gesund­heits­schädlich sein. Sie ent­halten oft Soja, worauf viele all­er­gisch reagieren: Nach dem Genuss solcher Pro­dukte können die Schleim­häute in Mund und Rachen anschwellen oder es bilden sich Quaddeln und die Haut fängt an zu jucken. In schweren Fällen kann es zu einem all­er­gi­schen Schock kommen. Gefährlich sind auch die so genannten Trans­fette, die zu hohen Cho­le­ste­rin­werten führen und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkran­kungen erhöhen. Trans­fette ent­stehen, wenn das Öl im Analog-Käse gehärtet wird, um ihn schnittfest zu machen.“
Den „Live-fast-die-young“ Mar­ke­ting­kriegern von Dr. Oetker ist ihr Späßchen gelungen, der Spaß jedoch ver­gangen. Da hat sich wohl in der Geschäfts­führung offenbar jemand auf­geregt wegen des (nicht ein­ge­tre­tenen) Image­schadens und die Wit­ze­reißer mussten sich eine Ent­schul­digung abringen. Wie peinlich ist das denn?

Wenn man sich im Hause Dr. Oetker erhofft hatte, damit die Wogen geglättet zu haben, war das ein Griff in die sanitäre Ein­richtung, denn der nächste „Shit­storm“ folgte auf dem Fuße. Nun regten sich umge­kehrt die ver­bies­terten Anti­glo­bu­listen auf, dass Dr. Oetker kein Rückgrat habe. Es gab auch lustige Tweets, wie: „Dr. Oetker Tief­kühl­pizza (garan­tiert ohne Eier)“ (User „Tamhonks“), oder: „Pizza wirkt über den Pla­ce­bo­effekt hinaus!“ (User Michael Renner). Schön auch: „Also nicht mehr mit einer mil­lio­nenfach ver­dünnten und geschüt­telten Portion Humor?“ (User Tom Kraftwerk).
Bei den Anti­glo­bu­listen gab es natürlich genauso voll­kommen Humorlose, die den von ihnen als humorlos beschimpften Homöo­pa­thiefans in nichts nach­stehen. Manche drohten sogar mit Pizza-Boykott. Mein Lieb­lings-Tweet dabei ist der eines Dr. Christian Lübbers, der sich erschüttert über Dr. Oetkers Rückzug äußert:

Wirklich hübsch. Die „Irra­tio­na­lität des Denkens“ ist schon von phi­lo­so­phi­scher Epik … die irra­tionale Ratio … einfach wun­der­schön. Wenn du denkst, dann denkst du nur, du denkst, aber denken tust du nie. Was für ein ent­zü­ckender Gehirn­knoten. Er bezeichnet es also als irra­tio­nales Denken der Firma Dr. Oetker, wenn sie sich für den Pizza-Witz ent­schuldigt, denn so ist der Bezug im Satz nun mal for­mu­liert. Und was, bitte, ist „Toleranz vor gekränkten Glo­bu­listen“? Man kann Ver­ständnis für Gekränkte zeigen. Oder Toleranz gegenüber Glo­bu­listen. Oder Angst vor wütenden Glo­bu­listen. Aber Toleranz vor Gekränkten? Und selbst wenn, was wäre denn das Gegenteil? Dass man das Gekränktsein eines Gekränkten nicht tole­riert? Selbst aber mal flott von der Wider­sin­nigkeit der Homöo­pathie fabu­lieren. Grandios.
Halten wir es doch lieber, wie User Frank B.: „Peinlich. Wenn man einen Witz macht und sich nicht wirklich derbe in der Schublade vertan hat, muss man dazu stehen, auch wenn einige wenige ihn nicht lustig finden.“
Und am besten regen sich alle wieder ab…