Ich habe schon berichtet, dass Estland den Journalisten von Sputnik mit Strafverfahren droht, wenn sie nicht bis Jahresende kündigen. Das ist ein einmaliger Vorgang, über den aber in Deutschland nicht berichtet wird. Eine Journalistin hat Putin auf der Pressekonferenz dazu befragt.
Beginn der Übersetzung:
Journalistin: Guten Tag. Vor zwei Monaten wurde Sputnik-Estland einer Wirtschaftsblockade unterzogen. Banken haben unter dem Deckmantel der Sanktionen alle Transaktionen verboten, Überweisungen von „Russia Today“ auf die persönlichen Konten unserer Mitarbeiter und unserer Partner, an Steuerbehörden. Die Geheimdienste sprachen mit unserem Vermieter. Sie setzen ihn unter Druck und er muss den Mietvertrag mit uns kündigen.
Jetzt begann die Polizei vor zwei Tagen, Briefe an alle unsere Mitarbeiter zu schicken, in denen es sehr deutlich hieß: „Russia Today“ steht ihrer Meinung nach auf der Sanktionsliste und deshalb machen wir, alle Mitarbeiter, uns strafbar, wenn wir bei Sputnik arbeiten. Wir wurden gewarnt, dass wir sanktioniert werden, wenn wir nach dem 2. Januar noch für „Russia Today“ arbeiten.
Das halte ich für ein Land, das sich als demokratisch positioniert, für undenkbar. Ich bitte um Ihre Hilfe. Was kann der russische Staat für russische Journalisten tun, die gegen die Zensur im Westen kämpfen? Bitte geben Sie eine Bewertung der Maßnahmen der estnischen Behörden ab.
Wladimir Putin: Leider können wir hier ein wenig tun. Sie tun viel, wie ich finde. Was Sie gerade erzählt haben, kann nicht unbemerkt bleiben. Wenn ich solche Dinge höre, überraschen sie mich sehr, weil sie immer versuchen, uns alle Todsünden vorzuwerfen, einschließlich des Drucks auf unabhängige Medien, dabei tun sie selbst das, was sie uns vorwerfen. Das ist natürlich ein erstaunlicher Zynismus.
Aber leider muss ich Ihnen sagen, dass Maßnahmen auf staatlicher Ebene im Zusammenhang mit solchen Beschränkungen wirkungslos sein werden, weil es Wasser auf die Mühle derer ist, die nur unsere Länder, unsere Völker, spalten wollen und dabei sollten wir nicht helfen. Und egal wie unangenehm es auch sein mag, es ist notwendig, in den Ländern zu arbeiten, die Angst vor Ihren Informationen haben, Angst vor Ihnen haben und Angst vor der Wahrheit haben, die Sie Ihren Zuschauern und Zuhörern erzählen. Anders ist nicht zu verstehen, warum Ihre Aktivitäten behindert werden. Anscheinend nur aus Angst vor Ihren Informationen, Angst vor Ihrem Einfluss auf die Köpfe der Menschen.
Aber die Informationsfreiheit ist eine der Grundfreiheiten der modernen demokratischen Welt. Leider scheint nicht jeder nach diesem Paradigma zu handeln und stattdessen nach anderen Regeln zu arbeiten, die sie sich selbst schreiben.
Da kann man nichts machen, die Welt ist komplex und vielfältig. Wir unsererseits werden alles tun, um Sie zu unterstützen, wo immer es auch sein mag, aber nur mit Methoden, die unseren zwischenstaatlichen Beziehungen nicht schaden.
Mal sehen, was wir zusätzlich tun können.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Das Thema Pressefreiheit hat in dem Buch ein eigenes Kapitel, das viel unerwartetes für den deutschen Leser enthält.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“