Putin im O‑Ton über den “Tier­garten-Mord” und die Folgen

Auf der Pres­se­kon­ferenz in Paris nach dem Treffen mit Merkel, Macron und Selensky wurde Putin von deut­schen Jour­na­listen nach dem Tier­gar­tenmord befragt.
Bevor wir zu Putins Antwort kommen, müssen wir uns die Vor­ge­schichte in Erin­nerung rufen und uns daran erinnern, was tat­sächlich bekannt ist und was Spe­ku­lation ist. Nachdem ein rus­si­scher Staats­bürger den Tsche­tschen mit geor­gi­schem Pass in Berlin erschossen hat, hat nun die Gene­ral­staats­an­walt­schaft den Fall an sich genommen und spricht davon, es gebe einen Ver­dacht, dass staat­liche Stellen in Russland oder Tsche­tschenien in den Mord ver­wi­ckelt sind. Das sind die bekannten Fakten, alles andere ist Spe­ku­lation. Über die Hin­ter­gründe habe ich hier aus­führlich geschrieben.
Berlin wirft Moskau vor, in dem Fall nicht koope­rativ zu sein und hat zwei rus­sische Diplo­maten aus­ge­wiesen. Das Problem ist, dass die Sprecher der Bun­des­re­gierung aber auf Nach­fragen nicht in der Lage waren, zu sagen, was sie Moskau tat­sächlich vor­werfen, mit welchen rus­si­schen Behörden sie in der Sache in Kontakt stehen und welche Zusam­men­arbeit diese verweigern.

Der Spiegel ist etwas ein­fallslos, wenn er über das Thema berichtet. Der Spiegel titelt immer wieder von „rus­si­schen Dro­hungen“ und wenn man die Artikel dann liest, gibt es gar keine Dro­hungen. Aber es klingt eben gut und passt ins anti-rus­sische Nar­rativ. So auch dieses Mal. Der Spiegel berichtete in einem Artikel mit der Über­schrift: „Mord im Ber­liner Tier­garten – Putin droht Merkel mit Aus­weisung deut­scher Diplo­maten
Die „Drohung“ liegt laut Spiegel darin, dass Russland auch zwei deutsche Diplo­maten aus­weisen wird. Das war zu erwarten und kann nie­manden über­ra­schen, da Russland in solchen Fällen in der Ver­gan­genheit immer so reagiert hat: Wenn west­liche Staaten rus­sische Diplo­maten unter irgend­welchen poli­ti­schen Vor­wänden aus­ge­wiesen haben, hat Russland immer die gleiche Zahl an Diplo­maten aus­ge­wiesen. Man beachte: Russland hat dies nie als erstes getan, es hat immer nur auf Aus­wei­sungen anderer Staaten reagiert, zuletzt im Fall Skripal.
Aber „rus­sische Drohung“ scheint eine Lieb­lings­for­mu­lierung in der Spiegel-Redaktion zu sein, auch wenn es keine „Drohung“ gibt. Wenn man damit titeln möchte, müsste es korrekt „Ankün­digung“ heißen und es war der deut­schen Seite von Anfang an klar, dass Russland so reagieren würde. Inter­essant ist fol­gender Absatz in dem Spiegel-Artikel:
„Die rus­si­schen Diplo­maten hätten „nichts“ mit dem mut­maß­lichen Auf­tragsmord im Sommer zu tun, sagte Putin weiter. „In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blut­rüns­tiger und bru­taler Mensch“, so der rus­sische Prä­sident. Der Ermordete sei ein „Bandit“ gewesen und einer der Orga­ni­sa­toren der Anschläge in der Mos­kauer Metro im Jahr 2010. Belege für diese Anschul­digung lie­ferte er aller­dings nicht mit.“
Putin lie­ferte keine Belege? Wir werden gleich an Putins Antwort auf der Pres­se­kon­ferenz sehen, dass das so nicht stimmt. Russland hatte einen Haft­befehl gegen den Mann, aber Deutschland hat sich geweigert, ihn aus­zu­liefern. In einem Haft­befehl sind aller­dings Begrün­dungen und die Anklage ent­halten, all das lag Deutschland seit Jahren vor.
Dafür ver­schweigt der Spiegel seinen Lesern, dass es Deutschland ist, das gegenüber Russland Vor­würfe erhebt, die es nicht belegt hat und auf­grund dieser unbe­legten Vor­würfe rus­sische Diplo­maten aus­ge­wiesen hat. Die Ant­worten auf die Jour­na­lis­ten­fragen in der Bun­des­pres­se­kon­ferenz zeigen über­deutlich, dass Deutschland kei­nerlei Belege für seine Vor­würfe vor­gelegt hat. Aber das braucht der Spiegel-Leser ja nicht zu wissen.
Nun zu Putins Antwort auf der Pres­se­kon­ferenz in Paris, die ich kom­plett über­setzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Sie sagten, ein Georgier sei getötet worden, das stimmt nicht ganz. Ich weiß, dass ein Mann in Berlin gestorben ist. Aber er war nicht einfach nur Georgier, er ist ein Mann, der sich aktiv an den Kämpfen auf Seiten der Sepa­ra­tisten im Kau­kasus beteiligt hat. Er ist nicht geor­gi­scher Natio­na­lität. (Anm. d. Übers.: Das sind Fein­heiten der rus­si­schen Sprache. Russland ist ein Viel­völ­ker­staat mit über 130 eth­ni­schen Gruppen, die auf Rus­sisch „Natio­na­li­täten“ genannt werden. Putin bestreitet also nicht, dass der Mann geor­gi­scher Staats­bürger war, sondern er meint dessen eth­nische Zuge­hö­rigkeit: Der Mann war Tsche­tschene mit geor­gi­scher Staats­an­ge­hö­rigkeit)
Dieser Mann wurde von uns gesucht und er war ein sehr grau­samer und blut­rüns­tiger Mann. Bei einer der Aktionen, an denen er beteiligt war, wurden 98 Men­schen getötet. Er war einer der Orga­ni­sa­toren der Explo­sionen in der Mos­kauer U‑Bahn.
Ich weiß nicht, was mit ihm pas­siert ist, es bewegte sich im Milieu von Banden und da kann alles mög­liche pas­sieren. Aber ich glaube, dass es falsch ist, nur auf der Grundlage vor­läu­figer Erwä­gungen Diplo­maten aus­zu­weisen, die damit nichts zu tun haben.
Sie haben nach unserer Antwort gefragt. Es gibt ein unge­schrie­benes Gesetz für solche Fälle: Sie haben unsere Diplo­maten aus­ge­wiesen, wir weisen Ihre aus, das ist alles. Ist das eine Art Krise in den Bezie­hungen? Da ist nichts Gutes daran, aber ich glaube nicht, dass es eine Art Krise gibt oder geben sollte. Aber ich stimme der Kanz­lerin zu, dass wir das auf­klären müssen. Wir werden alles tun, um es auf­zu­klären und unseren deut­schen Kol­legen zu helfen.
Übrigens wäre es sehr gut, wenn wir nicht nur unter solch tra­gi­schen Umständen, sondern schon vorher zusam­men­ar­beitet hätten. Die rus­sische Seite hat die deut­schen Kol­legen wie­derholt um die Aus­lie­ferung dieses Ban­diten, dieses Mörders, gebeten. Leider hat es kein gegen­sei­tiges Ver­stän­digung gegeben.
Ende der Übersetzung


Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“