Zer­störung der Mei­nungs­freiheit II: Befür­wortung von Straftaten

Wie die Welt berichtet, wird im Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terium derzeit die Wie­der­ein­führung eines Straf­tat­be­stands geprüft, der 1981 gestrichen und dessen Neu­auflage 1988 abge­lehnt wurde. Es gehe dabei um den Straf­tat­be­stand der “Befür­wortung von Straf­taten”, wie die WELT schreibt:
“Im Kampf gegen Hetze im Internet prüft Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terin Christine Lam­brecht die Wie­der­ein­führung des 1981 abge­schafften Straf­tat­be­standes „Befür­wortung von Straftaten“.
Einmal mehr ist die Main­stream­presse dabei, wichtige Teile der Geschichte zu unterschlagen.
1981 wurden die Para­graphen 88a  (Befür­wortung von Straf­taten) und 130a (Anleitung zu Straf­taten) gestrichen. Beide bezogen sich auf Straf­taten, die im § 126 unter dem Stichwort “Störung des öffent­lichen Friedens durch die Androhung von Straf­taten” gesammelt sind und nach wie vor nach­ge­lesen werden können.
Indes ging es in § 88a nicht um die grund­sätz­liche Befür­wortung von Straf­taten, sondern um die “VER­FAS­SUNGS­FEIND­LICHE” Befür­wortung von Straftaten.
“§ 88a Ver­fas­sungs­feind­liche Befür­wortung von Straftaten
(1) Wer eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die die Befür­wortung einer der in § 126 Abs. 1 Nr. 1 bis 6
genannten rechts­wid­rigen Taten enthält und bestimmt sowie nach den Umständen geeignet
ist, die Bereit­schaft anderer zu fördern, sich durch die Begehung solcher Taten für Bestre­bungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bun­des­re­publik Deutschland oder gegen Ver­fas­sungs­grund­sätze einzusetzen,
1. ver­breitet,
2. öffentlich aus­stellt, anschlägt, vor­führt oder sonst zugänglich macht oder
3. her­stellt, bezieht, liefert, vor­rätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, in den räum­lichen Gel­tungs­be­reich dieses Gesetzes ein­zu­führen oder daraus aus­zu­führen unter­nimmt, um sie oder
aus ihr gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 oder 2 zu ver­wenden oder einem anderen eine solche Ver­wendung zu ermöglichen,
wird mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Ver­sammlung die Begehung einer der in
§ 126 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 genannten rechts­wid­rigen Taten befür­wortet, um die Bereit­schaft anderer zu fördern, sich durch die Begehung solcher Taten für Bestre­bungen gegen den Bestand
oder die Sicherheit der Bun­des­re­publik Deutschland oder gegen Ver­fas­sungs­grund­sätze einzusetzen”.

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Es geht hier also explizit nicht darum, die Befür­wortung von Straf­taten unter Strafe zu stellen. Unter Strafe steht aus­schließlich die Befür­wortung von Straf­taten, die in § 126 StGB auf­ge­führt sind (Land­frie­dens­bruch, Mord, Straf­taten gegen die per­sön­liche Freiheit, Kör­per­ver­letzung) UND die dazu geeignet sind, den Bestand oder die Sicherheit der Bun­des­re­publik Deutschland zu gefährden. Die “Befür­wortung von Straf­taten” ist somit eine bedingte Strafnorm, keine umfas­sende. Tat­sächlich hat sich die Strafnorm als so bedingt her­aus­ge­stellt, dass sie zu kaum einer Ver­ur­teilung geführt hat. Sie hat, so die Regierung Schmidt, die den Straf­tat­be­stand 1981 gestrichen hat, das Rechts­system lächerlich gemacht und die Mei­nungs­freiheit gefährdet. Wohl­ge­merkt, hier ist von einer Strafnorm die Rede, die Bestre­bungen, die sich gegen Bestand und Sicherheit der Bun­des­re­publik Deutschland richten, zum Gegen­stand hat.
Der aktuelle Versuch, eine Strafnorm zu schaffen, die Gesinnung, nicht Handlung bestraft, ist dagegen ein unbe­dingter Versuch, einer, der das Straf­recht für poli­tische Zwecke instru­men­ta­li­sieren will, um die­je­nigen, die Leuten bestimmter poli­ti­scher Couleur, im Zweifel sind das Linke für Rechte und Rechte für Linke, als “Hetzer” bezeichnen, abzu­schrecken, oder wie es in der WELT heißt:
“Mehrere Innen­po­li­tiker der Union hatten in einem Brief an See­hofer erklärt, es sei wichtig, „deut­liche Signale an die aktiven Hetzer“ zu senden. Deshalb müsse die „Befür­wortung von Straf­taten“ wieder unter Strafe gestellt werden.”
Das Straf­recht dazu zu miss­brauchen, deut­liche Signale, die einer poli­ti­schen Kaste gerade am Herzen liegen, zu senden, ist zwar kein Novum, aber dennoch ein Verstoß gegen den Zweck, den das Straf­recht eigentlich ver­folgt. Das Straf­recht ist keine Neon­re­klame und kein Züch­ti­gungs­in­strument des Staates, mit dem er seinen Bürgern den Mund ver­bietet oder Hand­lungen abtrai­nieren soll, es ist ein Instrument zur Her­stellung einer bür­ger­lichen Ordnung, die auf bestimmten Grund­festen, Sicherheit, per­sön­liche Unver­sehrtheit und der Garantie von Eigentum basiert.
Einer der letzten Ver­suche, das Straf­recht dazu zu miss­brauchen, indi­vi­duelle Freiheit, hier: Mei­nungs­freiheit zu zer­stören, stammt aus dem Jahre 1988. Damals wurde ver­sucht, mit dem § 130b eine Neu­fassung des § 88a durch­zu­setzen und abermals die “Befür­wortung einer Straftat” unter Strafe zu stellen. Der Geset­zestext lautete wie folgt:
§ 130b
Befür­wortung von Straftaten
(1) Wer eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die die Begehung einer in § 126 Abs. 1 genannten rechts­wid­rigen Tat befür­wortet und nach ihrem Inhalt bestimmt ist, die Bereit­schaft anderer zu fördern oder zu wecken, durch die Begehung einer solchen Tat den öffent­lichen Frieden zu stören, ver­breitet, öffentlich aus­stellt, anschlägt, vor­führt oder sonst zugänglich macht, wird mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
1. eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die die Begehung einer in § 126 Abs. 1 genannten rechts­wid­rigen Tat befür­wortet, ver­breitet, öffentlich aus­stellt, anschlägt, vor­führt oder sonst zugänglich macht oder
2. öffentlich oder in einer Ver­sammlung die Begehung einer in § 126 Abs. 1 genannten rechts­wid­rigen Tat befürwortet,um die Bereit­schaft anderer zu fördern oder zu wecken, durch die Begehung einer solchen Tat den öffent­lichen Frieden zu stören.
Die Variante von § 130b, die im Gesetz­entwurf der Regierung Kohl aus dem Jahre 1988 ent­halten ist, ist eine breitere Variante des ursprüng­lichen § 88a, die um den Zusatz, der Gefährdung von “Bestand oder … Sicherheit der Bun­des­re­publik Deutschland” redu­ziert und ent­spre­chend ver­breitert wird auf die Störung des öffent­lichen Friedens, die schon Bestandteil von § 126 StGB ist. Mit anderen Worten, der Wir­kungs­be­reich von § 130b wäre umfassend. Das ist genau der Grund dafür, dass der Gesetz­entwurf nicht in Kraft getreten ist.
Es regte sich Widerstand.
Wider­stand. Ja, so etwas gab es 1988 noch, sogar im Parlament!
Der Wider­stand hat damals dazu geführt, dass sich der Bun­desrat gegen die Ein­führung des Para­graphen 130b aus­ge­sprochen hat. Die Beschluss­emp­fehlung des Rechts­aus­schusses des Bun­des­tages hat den Bedenken des Bun­des­rates Rechnung getragen, § 130b ist im Par­lament nicht rati­fi­ziert worden, gegen den Willen der dama­ligen Regierung Kohl.
Die Gründe, die dafür ange­führt wurden, die Neu­auflage einer Strafnorm “Befür­wortung von Straf­taten” zu ver­hindern, sind im Wesent­lichen die Gründe, die 1981 in der Beschluss­emp­fehlung des Rechts­aus­schusses des Deut­schen Bun­des­tages ange­führt wurden, um die Strei­chung von § 88a zu begründen. Dem Hinweis auf zahllose Ein­zel­normen im Straf­ge­setzbuch, die schon den Kern des neuen Para­graphen umfassen würden, stellen die Abge­ord­neten des Rechts­aus­schusses in ihrer Mehrheit das Urteil voran, dass sie den geplanten Parag­rahen 130b, der dem, was derzeit im Jus­tiz­mi­nis­terium geprüft wird, wohl sehr nahe kommt, für über­flüssig und schädlich halten. Die fol­gende Begründung findet sich im Anschluss daran:
Dies zeige, dass den Vor­schriften nur eine ver­schwindend geringe kri­mi­nal­po­li­tische Bedeutung zukomme. Ent­schei­dender Grund für die Auf­hebung sei auch, daß die Vor­schriften für das Ansehen des Straf­rechts und das Ansehen des Staates mehr Schaden ange­richtet als Nutzen gebracht hätten. So sei zwar eine erheb­liche Anzahl von Ermitt­lungs­ver­fahren durch­ge­führt worden, die mit Haus­durch­su­chungen und Beschlag­nahmen ver­bunden gewesen seien und dadurch zu großer Unruhe bei den Betrof­fenen geführt hätten. Diese Ver­fahren hätten jedoch über­wiegend ohne Ergebnis wieder ein­ge­stellt werden müssen, weil ent­weder das Pri­vileg des § 86 Abs. 3 des Straf­ge­setz­buchs gegriffen habe oder den
Betrof­fenen nicht habe nach­ge­wiesen werden können, dass sie den Inhalt kannten oder gar billigten.
Das wie­derum habe bewirkt, dass sich auch Per­sonen mit den Betrof­fenen gegen den Staat, der angeblich seine Befug­nisse über­schritten habe, soli­da­ri­siert hätten, die bisher keine Sym­pathie für die Ver­fasser von Gewalt­li­te­ratur auf­ge­bracht hätten. Die beab­sich­tigte Wirkung, das Umfeld des Ter­ro­rismus „aus­zu­trocknen”, sei geradezu in ihr Gegenteil ver­kehrt worden. Die nega­tiven Wir­kungen der Vor­schriften, ins­be­sondere auf das geistige Klima, und die Gefahren für die Mei­nungs­freiheit stünden in keinem ange­mes­senen Ver­hältnis zum kri­mi­nal­po­li­ti­schen Nutzen. Die Mehrheit ist der Ansicht, daß die Aus­ein­an­der­setzung in diesem Bereich poli­tisch geführt werden müsse.
Wir haben fett gesetzt, was wir für besonders wichtig halten.
Eine Norm, die aus poli­ti­schen Gründen in das Straf­ge­setzbuch geprügelt wird, um Aus­sagen zu unter­drücken, die aus poli­ti­scher Sicht nicht opportun sind, wirkt sich schädlich auf das Ansehen des Straf­ge­setzes aus, denn ein Rechts­system lebt davon, als unpar­teilich wahr­ge­nommen zu werden, als Nor­men­sammlung, deren Anwendung ohne Ansehen von Person, Gesinnung oder Schuh­größe erfolgt. Para­graph 88a, also das unter Strafe-Stellen der Befür­wortung von Straf­taten, habe sich auf das geistige Klima, die Mei­nungs­freiheit und das Ansehen des Straf­rechts in gleicher Weise schädlich aus­ge­wirkt, eben weil der Para­graph in der Öffent­lichkeit als par­ti­ku­lares Recht, das dazu dient, Mei­nungs­freiheit und bestimmte Formen der poli­ti­schen Äußerung zu unter­drücken, wahr­ge­nommen worden sei.
Aus­ein­an­der­set­zungen in diesem Bereich, so schreiben die dama­ligen Abge­ord­neten, müssten poli­tisch geführt werden. Das setzt natürlich die Kom­petenz, die Fähigkeit und die Wil­ligkeit zu poli­ti­scher Aus­ein­an­der­setzung voraus. Alle drei Eigen­schaften sind bei heu­tigen Polit-Dar­stellern offen­kundig nicht mehr vor­handen, weshalb sie zum Hilfs­mittel der Feigen und oft auch Min­der­be­mit­telten der staat­lichen Gewalt greifen. Weil sie sich im poli­ti­schen Diskurs nicht durch­setzen können, wollen sie den poli­ti­schen Diskurs durch das Straf­recht zu ihren Gunsten ver­ändern. Die Bedenken, die frühere Poli­tiker, die zur poli­ti­schen Aus­ein­an­der­setzung noch fähig waren, noch teilten, nämlich dass ein poli­ti­scher Miss­brauch des Straf­rechts, das Ansehen des gesamten Rechts­systems beschädigt, dass die Mei­nungs­freiheit durch Rege­lungen wie § 130b in ernste Gefahr gebracht, ja beschädigt werde, diese Bedenken haben die heu­tigen Polit­dar­steller nicht.
Man hat fast den Ein­druck, ihr Ziel sei gerade die Zer­störung der Mei­nungs­freiheit, weil sie sich im Wett­bewerb der Mei­nungen der Kon­kurrenz nicht gewachsen fühlen.

Quelle: sciencefiles.org