Die Krise im Iran war auch im russischen Fernsehen Thema und war ein „guter“ Anlass, einmal einen Blick auf die US-Politik und ihre Folgen zu werfen. Ein solches Bild würde das deutsche Fernsehen nie zeigen, obwohl alles wahr ist und offen zu Tage liegt.
Der Bogen, den die russische Sendung „Nachrichten der Woche“ in dem Beitrag gespannt hat, ist weit und folgt dabei einem roten Faden: Den Folgen der US-Einmischungen in andere Länder, egal, ob durch Krieg, Sanktionen oder verdeckte Operationen. Da man so etwas in Deutschland nie zu sehen bekommen würde, habe ich den Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Gleich am Tag der Tragödie der ukrainischen Boeing und als die Ursache noch unbekannt war, sprach Präsident Putin den Führern der Ukraine und des Iran sein Beileid aus und übermittelte den Angehörigen und Freunden der Opfer Worte des Mitgefühls und der Unterstützung.
„Russland teilt die Trauer derer, die ihre Lieben verloren haben, und wünscht ihnen Kraft und Mut“, sagte Putin.
Die Tragödie der abgestürzten ukrainischen Boeing über Teheran erinnert an ähnliche Geschichten mit den gleichen Ländern: USA, Iran, Ukraine. Leider gab es solche Fälle bereits.
So hat das US-Militär 1988 versehentlich einen iranischen Airbus A‑300 abgeschossen, der von Teheran nach Dubai flog. Damals, es war der 3. Juli 1988, wurde das Flugzeug Opfer einer Boden-Luft-Rakete, die von dem US-Marinekreuzer „Vincennes“ abgefeuert wurde. Es wurden alle Passagiere des iranischen Passagierflugzeugs und die Besatzung – insgesamt 290 Menschen – getötet. Die Tragödie ereignete sich über dem Persischen Golf. Als Grund für den Start der Rakete gegen ein ziviles Flugzeug wurde im offiziellen Bericht der psychologische Zustand der Besatzung des amerikanischen Raketenkreuzers genannt, die angeblich unter großem Druck in einer Kampfsituation handelte, und die Ähnlichkeit der Flugbahn des zivilen Flugzeugs mit der Flugbahn eines angreifenden iranischen Kampfjets. Der Kreuzerkommandant erhielt später den Orden der Ehrenlegion für diese Zeit seines Dienstes und die Vereinigten Staaten haben sich noch nicht einmal offiziell entschuldigt. Präsident Reagan nannte das Vorgehen der Besatzung „gerechtfertigt“.
Wenn wir über die Ukraine selbst sprechen, hält sie in der Tragödie um die malaysische Boeing MH17, die während der heißen Phase des Bürgerkriegs über ukrainischem Territorium abgeschossen wurde, immer noch Beweise gegen sich selbst zurück. Wir haben schon oft darüber berichtet. Und es ist offensichtlich, dass die Ukraine für das Unglück verantwortlich ist, weil sie ihren Luftraum über dem Kriegsgebiet nicht für zivile Flüge geschlossen hat.
Es gibt jedoch noch einen weiteren – absolut eindeutigen – Fall. Es ist absolut unstrittig, dass das ukrainische Militär 2001 ein russisches, ziviles Passagierflugzeug über dem Schwarzen Meer abgeschossen hat. Das geschah am 4. Oktober 2001 während militärischer Übungen auf der Krim, die damals noch als ukrainisch galt. Das Flugzeug vom Typ Tu-154M war auf dem Weg von Tel Aviv nach Nowosibirsk. Die Rakete vom Typ S‑200 wurde von der 96. Luftverteidigungsbrigade der Ukraine abgeschossen. Keiner der Passagiere und Besatzungsmitglieder überlebte, alle 78 Menschen kamen ums Leben. Der damalige Präsident der Ukraine, Kutschma, entließ seinen Verteidigungsminister Kuzmuk, meinte aber, dass aus den Geschehnissen keine Tragödie gemacht werden sollte: „Schauen Sie, was auf der ganzen Welt vor sich geht, in Europa. Wir sind nicht die ersten und nicht die letzten, wir sollten daraus keine Tragödie machen“, sagte Kutschma damals. Später weigerte sich die Ukraine, ihre Schuld rechtlich anzuerkennen, obwohl sie an die Familien der Opfer im Rahmen des zwischenstaatlichen Abkommens Entschädigungen gezahlt hat.
Und bei der über Teheran abstürzten ukrainischen Boeing ist der Zufall natürlich nur ein Teil der Erklärung. Im Laufe des Nervenkrieges, den Amerika dem Iran aufgezwungen hat, hätte noch ganz anderes geschehen können. Und es kann noch viel mehr geschehen, wenn die globale Konfrontation weiterhin verstärkt und die Abrüstungsverträge gekündigt werden. Übrigens hat Putin wiederholt vor der Gefahr gewarnt, die entsteht, wenn die verbleibende Zeit, um den Knopf zu drücken, immer weiter abnimmt. Das liegt an den immer höheren Geschwindigkeiten der Raketen, an der zunehmenden Automatisierung und der Nutzung künstlicher Intelligenz. Das heißt, die Folgen sind es wert, darüber nachzudenken.
Die USA haben nicht über die Folgen nachgedacht, als sie 2011 die Zerstörung Libyens einleiteten. Zuerst wurde der Führer des Landes, Gaddafi, nach den NATO-Bombardements gelyncht und jetzt weiß die ganze Welt nicht, wie sie dort Frieden und Ordnung wiederherstellen kann. Die gegenwärtige Generation der Libyer kann vom Wohlstand der vorherigen Generation nicht einmal träumen.
Die Vereinigten Staaten haben auch nicht über die Folgen nachgedacht, als sie 2003 in den Irak einmarschiert sind. Zuerst begann US-Präsident George W. Bush mit der Unterstützung von Großbritanniens damaligem Premierminister Tony Blair grundlos, den Irak zu bombardieren. Zwei Anschuldigungen waren das offizielle Motiv für die Aggression. Erstens war der irakische Tyrann Saddam Hussein sehr gefährlich, weil er über Massenvernichtungswaffen verfügte. Erinnern Sie sich, wie der US-Außenminister im UN-Sicherheitsrat ein Fläschchen mit weißem Pulver geschüttelt hat? Zweitens wurde der irakische Tyrann Saddam Hussein mit den Terroristen von al-Qaida in Verbindung gebracht, die die Zwillingstürme in New York zerstört und sogar Flugzeug ins Pentagon geschickt haben. Damals wurden bei diesen Terroranschlägen in Amerika 3000 Menschen getötet.
Dafür, so wurde beschlossen, wollte man sich an dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein rächen. Als Folge der anglo-amerikanischen Bombardierung und der militärischen Invasion sind im Irak hunderttausende Menschen ums Leben gekommen, die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt. Sie haben beim Töten nicht mitgezählt. Saddam Hussein selbst wurde auf Entscheidung eines Sondertribunals unter amerikanischer Besatzung gehängt, wie im Mittelalter. Einen Vorwand hat man gefunden. (Amn. d. Übers.: Im Beitrag wird ein Video von Saddams Hinrichtung gezeigt) Hier in einem düsteren Keller warf man Saddam Hussein ein Seil um den Hals, dann wurde er auf die Luke geschubst. Es gibt keine Rechtfertigung für Barbarei.
Später stellte sich heraus, dass sich der Verdacht über Saddam Husseins Verbindungen zu Al-Qaida nicht erhärten ließ. Und nach Massenvernichtungswaffen wurde der ganze, besetzte Irak durchsucht, aber die wurden nicht gefunden. Das weiße Pulver in Colin Powells Fläschchen entpuppte sich als Fälschung. Das heißt, sowohl die Gründe für die Invasion, als auch für die Zerstörung des Staates erwiesen sich als falsch. Aber dank der Vereinigten Staaten haben sich die Strukturen der IS-Terroristen aus der zerstreuten irakischen Armee gebildet. Irgendwann waren bis zu 40 Prozent des Irak unter der Kontrolle des IS und im benachbarten Syrien würde ohne Russlands Hilfe längst die schwarze Flagge über Damaskus wehen. Amerika wäre es recht.
Die Praxis, unerwünschte Regierungen zu stürzen, ist für die Vereinigten Staaten nach wie vor aktuell. Nicht überall klappt es, aber der Wunsch, ihre Leute an die Stelle von denen zu stellen, die ihnen nicht gefallen, ist lebendig, auch unter Vorwänden und ohne geografische Einschränkungen.
Ein klassisches Beispiel ist die politische Hinrichtung von Dominique Strauss-Kahn. Der sehr wahrscheinlich nächste Präsident Frankreichs wurde in New York durch einen Fall um ein schwarzes Dienstmädchen erledigt. Das Polizeifoto von Strauss-Kahn hat ihn für immer aus der Politik entfernt. Das war 2011.
Im Mai vergangenen Jahres musste der österreichische Vizekanzler Strache nach dem aktiven Eingreifen von Geheimdiensten zurücktreten, gefolgt von Kanzler Kurz selbst. Erst vor kurzem kehrte Kanzler Kurz ins Amt zurück, sein ehemaliger Stellvertreter Strache ist für immer politisch begraben.
Aber zurück in den Irak. Die Amerikaner handelten dort und dachten nicht an die Folgen, sei es aus Dummheit oder wegen übermäßigem Selbstvertrauen. Durch die Absetzung Saddam Husseins, der sich auf die Elite der sunnitischen Minderheit im Irak stützte, brachten die Vereinigten Staaten die dortige Mehrheit an die Macht. Jetzt regieren die Schiiten und in vielerlei Hinsicht haben sich die Beziehungen zum Iran inzwischen deutlich verbessert. Gerade erst stimmte das irakische Parlament für den Abzug ausländischer Truppen aus dem Land. Trump lachte nur als Antwort.
„Wir haben dort einen extrem teuren Luftwaffenstützpunkt. Sein Bau hat Milliarden von Dollar gekostet, lange bevor ich Präsident war. Wir werden nicht gehen, bevor sie dafür bezahlt haben“, sagte der US-Präsident.
Zudem drohte Trump Bagdad mit Sanktionen. Das bedeutet, die Amerikaner haben das Land besetzt und zerstört, den Präsidenten gehängt, einen blutigen internen Krieg provoziert und jetzt fordern sie den Irak auf, die Kosten zu tragen! Ist das nicht der Gipfel des Zynismus? Sie sollten sich lieber entschuldigen und beim Aufräumen helfen. So steht es jedoch nicht in den amerikanischen Regeln. Ihre Norm ist die Missachtung der Kultur anderer Menschen, der Würde der anderen, der Geschichte der anderen.
Auf dem Höhepunkt der Spannungen mit den Iran zum Beispiel drohte Trump, dessen Kulturstätten zu zerstören. „Wir haben 52 iranische Einrichtungen ausgesucht, von denen einige sehr hoch und wichtig für den Iran und seine Kultur sind. Der Angriff auf sie und auf den Iran selbst wird sehr schnell und sehr hart sein“, twitterte Trump.
Im Grunde handelt er in der besten Tradition seines Landes, wenn er mit Kriegsverbrechen droht. Diese arrogante amerikanische Ignoranz betrifft nicht nur die fremde Kultur, sondern die Kultur insgesamt, weil die alte Kultur des Iran das Erbe der ganzen Menschheit ist, denn es geht um eine Zivilisation, die älter ist, als das alte China und das antike Griechenland.
Zum Beispiel hat der Iran Dutzende von UNESCO-Weltkulturerbestätten. Unter ihnen ist die größte Lehmfestung der Welt in Bam, aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Ist Trump bereit, dort zuzuschlagen? Im Iran sind auch einzigartige armenische Schreine. Zum Beispiel das Kloster von St. Stepanos aus dem 9. Jahrhundert im Tal des Flusses Arax. Oder das Kloster St. Thaddeus aus dem 7. Jahrhundert. Schlägt er die kaputt? (Anm. d. Übers.: Im Beitrag werden alle diese beeindruckenden, antiken Kulturschätze gezeigt)
Das ist das Mausoleum der makellosen Fatima in Kuma aus dem 9. Jahrhundert, daran wurde über Jahrhunderte gebaut. Ein Meisterwerk der islamischen Architektur und eine Ruhestätte für Generationen von Scheichs. Sind auch sie im Fadenkreuz der USA? Hat Trump nicht über die Reaktion der gesamten islamischen Welt nachgedacht? Was wird dann passieren?
Im Iran liegt auch die antike Stadt Pasar Gada aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Als Alexander der Große im 4. Jahrhundert dort war und erfuhr, dass seine Soldaten das Grab des persischen Königs Kyrus II., des Großen, geplündert hatten, befahl der griechische Feldherr, die Schuldigen hinrichten zu lassen.
Und natürlich liegt nicht weit von Pasar Gada, auch im Iran, die Hauptstadt des antiken Persien, Persepolis, aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Malerische Ruinen einer Stadt, wo es Wasserversorgung und Kanalisation bereits vor zweieinhalbtausend Jahren gab. Stehen sie auch auf der Liste der US-Ziele im Iran? Tatsächlich waren die Perser die ersten in der Geschichte der Menschheit, die hier lernten, systematische Aufzeichnungen auf den Gebieten Medizin, Astronomie und Mathematik zu machen, und die ersten, die eine Art Bibliothek einrichteten. Und Farsi, die Sprach der Region, war im Mittelalter international und wurde entlang der gesamten Seidenstraße verstanden. Der Präsident der Vereinigten Staaten spricht mit tiefer Verachtung über all dies. Als selbst in den Reihen des US-Militärs ein Murren aufkam, weil sie keine Kulturgüter bombardieren wollten, war Trump verärgert. Dabei ist das nichts Besonderes. Es ist nur ein Beispiel für koloniales Denken, wenn andere Völker und ihre Kultur notorisch niedriger gestellt werden, als die eigene. Auch wenn sie zehnmal älter sind.
Und wenn wir schon Parallelen ziehen, auch nach all den Gräueltaten der Hitler-Faschisten in der Sowjetunion haben die sowjetischen Truppen nie den Befehl erhalten, Kulturgüter in Deutschland zu zerstören. Aber die Amerikaner und die Briten taten es. Aus militärischer Sicht zumindest war es sinnlos, Dresden kurz vor Kriegsende zu bombardieren. Und das deutsche Würzburg im alten Franken? 12 Jahrhunderte Geschichte, die über Nacht durch einen englischen Feuersturm auslöscht wurden. Unerbittliche und sinnlose Barbarei.
Kulturgüter waren jedoch im 21. Jahrhundert während Feindseligkeiten schon ein Ziel. 2001 wurden im afghanischen Bamian-Tal auf Befehl des Taliban-Führers Mullah Omar riesige Buddha-Statuen gesprengt. Und jetzt haben die Barbaren des IS mit Vorschlaghämmern und Bohrern Museumsexponate im irakischen Mossul zerstört. Dort sprengten Fanatiker die Zentralbibliothek und mit alten Werken über Philosophie, Kultur und Geschichte wurden Kamine geheizt. Das war erst vor etwa 5 Jahren. Und jetzt kommt die Drohung, Kulturgüter im Iran zu zerstören, bereits aus den Vereinigten Staaten.
Und natürlich ist es unmöglich, nicht an die Zerstörung von Denkmälern in Syrien zu erinnern. Alleine das antike Palmyra. Die Barbaren des IS sprengten dort den zentralen Neph und hätten noch mehr zerstört, wenn Russland nicht gewesen wäre. Syrien und die ganze Menschheit sind Russland dankbar für die Tatsache, dass es gelungen ist, die Barbaren-Terroristen zu stoppen und die antiken Wunder zu retten.
Ende der Übersetzung
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“