Jah­res­pres­se­kon­ferenz: Putin im O‑Ton über die Sanktionen

Der Klas­siker bei Pres­se­kon­fe­renzen von Putin sind Jour­na­lis­ten­fragen zu den Sank­tionen gegen Russland. Eine solche Frage durfte auch bei der Jah­res­pres­se­kon­ferenz nicht fehlen und ich habe die Frage und Putins Antwort übersetzt. 

Beginn der Übersetzung:

Jour­nalist: Guten Tag, Herr Prä­sident! Jewgeni Gusew ist mein Name. Ich ver­trete das Mul­ti­media-Infor­ma­ti­ons­zentrum Izvestia und Kanal 5.

Es geht um Sank­tionen und poli­ti­schen Druck seitens der Euro­päi­schen Union. Gerade erst wurden mehrere rus­sische Kanäle, dar­unter unser Fünfter Kanal, in Lettland ver­boten. Die Situation ist sehr unan­genehm. Ehrlich gesagt, gibt es jetzt auch in Estland einen Kon­flikt und auch in anderen Ländern.

Sie wissen, dass sich die Situation in letzter Zeit nicht ver­bessert hat, sie hat sich nur noch ver­schlimmert. Wir sehen das im Ver­hältnis der Euro­päi­schen Union zu Russland. Glauben Sie, dass sich das zum Bes­seren ändern kann, zumal wir alle die Sinn­lo­sigkeit dieser Sank­tionen ver­stehen? Wie stark ist der Druck auf Russland und was sind die Folgen? Danke.

Wla­dimir Putin: Wir haben dieses Thema schon oft dis­ku­tiert. Es gibt unter­schied­liche Ein­schätzung über die Aus­wir­kungen dieser Sank­tionen auf alle, die an diesem unan­ge­nehmen Prozess beteiligt sind. Die Euro­päische Union hat knapp 50 Mil­li­arden Euro ver­loren. Für die Bun­des­re­publik hat die Weltbank meiner Erin­nerung zufolge die Ver­luste auf 750 Mil­lionen pro Monat oder so etwas beziffert.

Die Ver­luste sind groß. Es geht nicht nur um Geld und Zahlen. Es geht um Arbeits­plätze und den Verlust von Märkten, ein­schließlich des rus­si­schen Marktes. Andere Teil­nehmer der inter­na­tio­nalen Wirt­schafts­be­zie­hungen kommen nun auf unseren Markt.

Im Prinzip sind wir für eine voll­ständige Nor­ma­li­sierung, zumal die Sank­tionen ja effektiv nicht funk­tio­nieren. Es gibt auch Nach­teile für uns, aber es gibt auch Vor­teile, sie sind auch offen­sichtlich. Nehmen wir die Ent­wicklung der Land­wirt­schaft, was für ein Ent­wick­lungs­sprung dort getan wurde: Wir haben in dem Bereich für 24 Mil­li­arden Waren expor­tiert, das ist einfach unglaublich! Niemand hätte das vor ein paar Jahren geglaubt. Wir haben Kosten und riesige Summen für Import­sub­sti­tution aus­ge­geben. Aber was für ein Ergebnis!

Zum Bei­spiel gab es noch nie eine Pro­duktion für Hub­schrau­ber­mo­toren in Russland. Jetzt gibt es Fabriken, auch und vor allem in St. Petersburg. Wir hatten keine Pro­duktion von Motoren für Schiffe in Russland. (Anm. d. Übers.: Diese Motoren hat Russland früher aus der Ukraine bezogen, was seit dem Maidan jedoch vorbei ist. In der Ukraine sind durch die Export­verbote der neuen Regierung ganze Indus­trie­zweige zusam­men­ge­brochen und Russland hat nun eigene Indus­trien geschaffen) Es stellte sich heraus, dass das eine ganz eigene Branche ist. Jetzt haben wir sie und zwar Motoren der neu­esten Gene­ration, die sehr effektiv sind. Wir haben eine ganze Industrie geschaffen, inklusive Wis­sen­schaft, Aus­bildung und Pro­duktion. Im Bereich der Ver­tei­digung haben wir einen rie­sigen Sprung gemacht. Es ist noch alles nicht geschafft, aber der Fort­schritt ist offensichtlich.

Es wäre natürlich besser, poli­tisch moti­vierte Beschrän­kungen in der Wirt­schaft los­zu­werden. Das fügt dem Welt­handel und der Welt­wirt­schaft enormen Schaden zu. Zum Bei­spiel haben die USA Sank­tionen gegen China ver­hängt – die Zoll­schranken sind auch nichts anderes, als Sank­tionen – und das trifft die gesamte Welt­wirt­schaft, der welt­weite Handel hat sofort abgenommen.

Wenn das so wei­tergeht, wird er auch weiter fallen. Aber es scheint Gott sei Dank einige Fort­schritte in ihrer Beziehung gegeben zu haben. Und wir leiden auch dar­unter, weil es uns betrifft, es betrifft die Nach­frage nach unseren wich­tigsten Exportgütern.

Daher ist das nichts Gutes, aber unsere Wirt­schaft, das kann ich mit voller Ver­ant­wortung sagen, hat sich an externe Schocks ange­passt und auch unsere nationale Währung ist übrigens viel sta­biler geworden. In diesem Sinne gibt es eine gewisse „Ent­flechtung“ unserer Wirt­schaft und unserer natio­nalen Währung von den welt­weiten Ölmärkten.

Ende der Übersetzung


Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Auch über die Sank­tionen finden sich dort viele Zitate aus den letzten Jahren.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“