Neue Ideen für Afrika: Son­der­zonen statt Dead Aid

Nichts kenn­zeichnet das Scheitern der Ent­wick­lungs­hilfe besser als die nackten Zahlen. Als die afri­ka­ni­schen Länder um 1960 unab­hängig wurden, betrug der Anteil Afrikas am Welt­handel etwa 5,5 Prozent. Heute sind es nur noch 5 Prozent und das trotz Ver­vier­fa­chung der Bevöl­kerung. Während dieses Zeit­raums sind laut Weltbank mehr als tausend Mil­li­arden Dollar an Hilfs­geldern nach Afrika geflossen. Die aus Sambia stam­mende Öko­nomin Dambisa Moyo bezeichnet die west­liche Ent­wick­lungs­hilfe daher als Dead Aid und plä­diert für ihre Abschaffung.

(von Titus Gebel)

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Der geschil­derte Sach­verhalt bedeutet auch: Wenn Afrika morgen von der Land­karte ver­schwände, wären die Aus­wirkung auf die Welt­wirt­schaft mar­ginal. Bereits damit ist die Behauptung widerlegt, der west­liche Wohl­stand sei auf Kosten der Afri­kaner ent­standen. Das ist ange­sichts der genannten Zahlen den­knot­wendig aus­ge­schlossen. Der Rest der Welt braucht Afrika nicht, um Wohl­stand zu generieren.

Aber ange­sichts seiner Größe, Bevöl­ke­rungszahl, seines Roh­stoff­reichtums und auch der Ergie­bigkeit der Böden hat Afrika zwei­fellos erheb­liches Potenzial, das unge­nutzt brach liegt. Der ehe­malige deutsche Bot­schafter in Kamerun, Volker Seitz, hat mehrfach über­zeugend dar­gelegt, zuletzt hier, dass die bis­herige Ent­wick­lungs­hilfe kon­tra­pro­duktiv ist, weil sie die Eigen­in­itiative lähmt, Fehl­an­reize setzt, eher im Interesse der „Armuts­in­dustrie“ als der Ent­wick­lungs­länder liegt und Gelder letztlich in den Taschen klep­to­kra­ti­scher Poli­tiker landen. In der Tat ist das beharr­liche Fest­halten an dieser geschei­terten Politik sinnlose Ver­schwendung von Steu­er­geldern, für das die Ver­ant­wort­lichen eigentlich vom Sou­verän zur Rechen­schaft gezogen werden müssten.

Was tun? Einer­seits kann man sich auf den Stand­punkt stellen, dass die Afri­kaner für ihr Schicksal selbst ver­ant­wortlich sind und sich daher auch selbst helfen müssen. Das wird ange­sichts der dor­tigen Gebur­tenrate mit hoher Wahr­schein­lichkeit aller­dings dazu führen, dass der Migra­ti­ons­druck nach Europa noch zunehmen wird.

Trade statt Aid

Volker Seitz schlägt statt­dessen vor, auf eine stärkere Zusam­men­arbeit mit der Pri­vat­wirt­schaft vor Ort zu setzen, anstelle auf plan­wirt­schaft­liche Almo­sen­ver­teilung (in Tichys Ein­blick 08/2019 Geschäfte mit der Armut). Zwei­fellos ein lobens­werter Ansatz, aber „mit­hilfe der Auf­stellung von Busi­ness­plänen freies Unter­neh­mertum zu fördern und Arbeits­plätze zu schaffen“ wird eher nicht gelingen. Ein Busi­nessplan ist zunächst nichts als beschrie­benes Papier. Er kann noch so genial sein, wenn die realen Rah­men­be­din­gungen seine Umsetzung nicht zulassen, werden die gewünschten Ergeb­nisse nicht ein­treten. Und genau das ist das Problem. Ich möchte das einmal anhand von einigen prak­ti­schen Erfah­rungen schildern, die jeder Unter­nehmer in Afrika, egal ob Ein­hei­mi­scher oder Aus­länder, so oder in ähn­licher Form macht.

  1. Stellen Sie sich vor, Sie müssten für jedes Produkt, das sie ein­führen, 16 ver­schiedene For­mulare aus­füllen und dazu zehn ver­schiedene Behörden auf­suchen. Einige Beamte machen Ihnen klar, dass sie die Bear­bei­tungszeit nur beschleu­nigen können, indem sie eine Zusatz­gebühr entrichten.
  2. Falls Sie ein geneh­mi­gungs­pflich­tiges Vor­haben, etwa einen Pro­duk­ti­ons­be­trieb, beginnen wollen, können Sie die erfor­der­lichen Antrags­un­ter­lagen nicht einfach per Post in die Haupt­stadt schicken. Denn mit hoher Wahr­schein­lichkeit werden die Unter­lagen dort nie ankommen. Jeg­liche Kor­re­spondenz muss per Kurier erfolgen.
  3. Falls sie alle Vor­aus­set­zungen für die Geneh­migung erfüllen, kommt es vor, dass Ihnen die Geneh­migung trotzdem nicht erteilt wird, ent­weder ohne Angabe von Gründen oder durch Erfindung von wei­teren Vor­aus­set­zungen, die keine gesetz­liche Grundlage haben. Rechts­an­sprüche sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, es sei denn, man hat per­sön­liche, gute Kon­takte zur Regierung.
  4. Sie können dagegen klagen, aber ent­weder wird der Prozess jah­relang ver­schleppt oder nimmt durch illegale Ein­fluss­nahme auf die Richter einen uner­war­teten Ausgang. Eine geordnete Streit­schlichtung in einem gere­gelten Ver­fahren ist nicht möglich, weder im Ver­hältnis zum Staat noch gegenüber pri­vaten Ver­trags­partnern oder in arbeits­recht­lichen Ange­le­gen­heiten. Kleinere Unter­nehmen und Gewer­be­trei­bende können sich aber keine teuren Schieds­ge­richts­ver­fahren leisten.
  5. Sie erhalten auch keinen Betriebs­kredit zu akzep­tablen Kon­di­tionen, weil sie keine Sicher­heiten bieten können. Denn ob das Grund­stück, auf dem sich Ihr Betrieb befindet, tat­sächlich Ihnen gehört, ist unklar. Zwar haben Sie es ord­nungs­gemäß erworben und sind im Register als Eigen­tümer ein­ge­tragen, doch machen mehrere andere Par­teien geltend, dass ihnen das­selbe Recht zustünde. Frühere Regis­ter­blätter und Ein­träge sind ver­schwunden. Der rechts­ver­bind­liche Eigen­tums­erwerb ist massiv erschwert oder hoch­komplex. Dadurch kann kein Fremd­ka­pital auf­ge­nommen werden, das dann in den Betrieb inves­tiert werden oder für Neu­grün­dungen ver­wendet werden könnte. Das ist ein ele­men­tares Problem vieler Ent­wick­lungs­länder; darauf hat ins­be­sondere der perua­nische Autor Her­nando de Soto („The Mystery of Capital“) wie­derholt hingewiesen.
  6. Ein­hei­mische Mit­ar­beiter raten davon ab, bei Ein­brüchen und Gewalt­taten die Polizei zu rufen, weil diese selbst ein grö­ßeres Problem dar­stellt als gewöhn­liche Kri­mi­nelle. Poli­zisten sind oft schlecht bezahlt und bessern ihr Salär mit Schutz­geld­erpres­sungen und anderen Vor­teils­an­nahmen auf. Nicht jedes Unter­nehmen kann sich aber einen pri­vaten Sicher­heits­dienst leisten.
  7. Sämt­liche Ver­träge mit dem Staat und die Gesetze, die Ihre wirt­schaft­liche Tätigkeit regeln, sind nach dem nächsten Regie­rungs­wechsel obsolet. Eine lang­fristige Rechts­si­cherheit und damit Plan­barkeit ist nicht gegeben. Daher bleiben Inves­ti­tionen aus.

Der letzt­ge­nannte Punkt kann dadurch über­wunden werden, dass ins­be­sondere größere Vor­haben über inter­na­tionale Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen und Schieds­ge­richts­klauseln abge­si­chert werden. Dieser Weg ist aller­dings inlän­di­schen Unter­nehmen ver­sperrt. Das­selbe gilt für die chi­ne­sische Variante, bei der klar aus­ge­handelt wird, unter welchen Bedin­gungen chi­ne­sische Unter­nehmen im Land tätig sein dürfen. Ver­stöße dagegen durch den Part­ner­staat führen zum Verlust von China als Inves­ti­tions- und Han­dels­partner und sind daher selten. Tat­sächlich hat das wirt­schaft­liche Enga­gement Chinas, trotz klaren Eigen­in­ter­esses, in Afrika in wenigen Jahren mehr Ent­wick­lungs­fort­schritte bewirkt als Jahr­zehnte plan­wirt­schaft­licher Ent­wick­lungs­hilfe zuvor.

Software ist wich­tiger als Hardware

Es gibt aber noch einen dritten Weg. Er lehnt sich an ein Konzept des Wirt­schafts­no­bel­preis­trägers Paul Romer an. Dieser hat erkannt, dass der recht­liche und admi­nis­trative Rahmen, sozu­sagen die „Software“, darüber ent­scheidet, ob eine Gesell­schaft wirt­schaft­lichen Auf­schwung und damit Erfolg hat oder nicht. Die richtige „Software“ ist viel wich­tiger als die „Hardware“, also die Zur­ver­fü­gung­stellung von Infra­struktur, das Häu­ser­bauen oder Brunnenbohren.

Nun sind die Ver­hält­nisse in vielen Ent­wick­lungs­ländern derart, dass trotz Vor­han­den­seins von einigen fähigen Indi­viduen und Unter­neh­mer­typen eine groß­flä­chige Reform ent­weder gänzlich aus­ge­schlossen ist oder ihre Umsetzung vor Ort scheitert. Warum dies so ist, soll an dieser Stelle nicht weiter ver­tieft werden. Nehmen wir es einfach als gegeben hin. Romer schlägt daher vor, nach dem Vorbild Hong­kongs soge­nannte Charter Cities ein­zu­richten, die eine autonome Rechts­ordnung haben (in Form einer Charta, daher der Name) und ins­be­sondere eigene Ver­wal­tungs­beamte, die diese umsetzen. Nach Romers ursprüng­lichem Modell ent­sendet ein Indus­trie­staat diese Beamten und eta­bliert seine Rechts­ordnung. Er nennt dies bei­spielhaft „Kanada schafft ein neues Hong Kong auf Kuba“. Das Problem dabei ist, dass kein Staat gerne eine Art fremdes Hoheits­gebiet im eigenen Land hat und dies den üblichen Ver­däch­tigen wieder Munition für Neo­ko­lo­nia­lismus-Vor­würfe liefert.

Die Lösung dieses Pro­blems ist die Eta­blierung privat ver­wal­teter Son­der­zonen nach dem Konzept Freier Pri­vat­städte. Freie Pri­vat­städte sind eine Art Son­der­wirt­schaftszone plus, teil­au­tonome Gebiete, welche von einem inter­na­tional agie­renden Betrei­ber­un­ter­nehmen mit dessen Per­sonal ­­­nach weltweit bewährten Rechts- und Ver­wal­tungs­stan­dards geführt werden. Für einen Jah­res­beitrag gewähr­leistet die private Betrei­ber­ge­sell­schaft als „Staats­dienst­leister“ Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum. Dies umfasst eine Basis-Infra­struktur, Polizei, Feu­erwehr, Not­fall­rettung, einen recht­lichen Rahmen sowie eine unab­hängige Gerichts­barkeit, damit Bewohner ihre berech­tigten Ansprüche in einem gere­gelten Ver­fahren durch­setzen können. Alle Bewohner erhalten von der Betrei­ber­ge­sell­schaft einen schrift­lichen „Bür­ger­vertrag“, der die gegen­sei­tigen Rechte und Pflichten abschließend regelt. Dieser umfasst die vom Betreiber zu erbrin­genden Leis­tungen und die dafür zu bezah­lende über­schaubare Gegen­leistung, daneben die gel­tenden Regeln und die unver­äu­ßer­lichen Rechte der Bewohner. Strei­tig­keiten über Inhalt und Aus­legung des Bür­ger­ver­trages erfolgen vor eigenen, unab­hän­gigen Gerichten. Die Teil­nahme ist rein frei­willig und kann vom Bewohner jederzeit beendet werden.

Was ist der Vorteil einer pri­vaten Ver­waltung? Vor allem, dass die Anreize für den Betreiber grund­ver­schieden von denen poli­ti­scher Systeme sind. Erstens hat er ein unmit­tel­bares wirt­schaft­liches Eigen­in­teresse am Erfolg des Gemein­wesens. Zweitens kann er, wie jeder Ver­trags­an­bieter, für Fehler haftbar gemacht werden, er kann seine Ver­ant­wortung nicht ver­schleiern oder auf Dritte abwälzen und trägt somit ein eigenes wirt­schaft­liches Risiko. Drittens stellt er sich dem direkten Wett­bewerb. Er kann die Kunden nicht zwingen, sein Produkt abzu­nehmen, sondern muss allein durch die Attrak­ti­vität seines Angebots und sein ver­trags­treues Ver­halten Nach­frager finden.

Dieses Grund­modell kann auf Son­der­zonen in Afrika über­tragen werden, um vor Ort einen ver­läss­lichen recht­lichen Rahmen und Sicherheit zu bieten, der nicht nach dem nächsten Regie­rungs­wechsel wieder ver­schwindet. Der­artige Son­der­zonen, ob man sie nun als Super­wirt­schafts­zonen, Wohl­stands­zonen oder sonstwie bezeichnet, schaffen die Mög­lichkeit, unkom­pli­ziert Grund­ei­gentum zu erwerben und Waren ein- und aus­zu­führen sowie rechts­sicher Firmen zu gründen und zu betreiben. Das sind genau die Vor­aus­set­zungen, welche in diesen Ländern meist fehlen und eine wirt­schaft­liche Ent­wicklung behindern. Son­der­zonen haben also beste Vor­aus­set­zungen dafür, poten­zi­ellen Migranten in ihren eigenen Kul­tur­kreisen ein sicheres Leben und ein wirt­schaft­liches Fort­kommen zu sichern. Sie ziehen darüber hinaus Unter­nehmen aus der Nach­bar­schaft und aus der ganzen Welt an, die an sta­bilen Rah­men­be­din­gungen und neuen Märkten inter­es­siert sind, die frag­lichen Gegenden aber bisher auf­grund von poli­ti­schen Risiken gemieden haben.

Völ­ker­rechtlich wären solche Son­der­zonen nach wie vor Teil des Gast­ge­ber­staates, stellten tech­nisch aber Son­der­ver­wal­tungs­zonen da, die eigene Regeln, eigene Gerichts­barkeit und auch eigene Sicher­heits­kräfte unter­halten. Ver­gleichbar ist etwa der Status, den Hongkong oder Macau gegenüber China haben. Dieses Regime kann zunächst für eine bestimmte Zeit fest­ge­schrieben werden, die aus­rei­chend lang ist, um Bewohnern und Inves­toren Sicherheit zu geben, bei­spiels­weise 50 oder 99 Jahre. Im Anschluss daran wird z.B. eine Volks­ab­stimmung über das weitere Schicksal der Zone anbe­raumt. Letztlich hängt es davon ab, was auf dem Ver­hand­lungswege mit dem Gast­ge­ber­staat erreichbar ist und welche Anreize dieser hat, einem solchen Abkommen zuzu­stimmen. Staaten können für ein solches Konzept gewonnen werden, wenn sie sich finan­zielle, wirt­schaft­liche oder poli­tische Vor­teile davon ver­sprechen (und nur dann). So hat sich um die Stadt­staaten Hongkong, Sin­gapur oder Monaco ein Gürtel von dicht besie­delten und wohl­ha­benden Gegenden gebildet. Diese neu ent­stan­denen Wohl­stands­ge­biete gehören aber zu den umlie­genden Staaten. Wenn nun in einem vormals struk­tur­schwachen Gebiet der­artige Bal­lungs­ge­biete ent­stehen, dann wäre dies auch für den Gast­ge­ber­staat ein gutes Geschäft. Man stelle sich vor, ein neues Hongkong oder Dubai ent­stünde im Mit­tel­meerraum! Dies brächte für alle in der Nähe befind­lichen Gemein­wesen erheb­liche positive Effekte.

Der Aufbau einer Basis-Infra­struktur, von Sicher­heits­kräften, einer Ver­waltung und einer Gerichts­or­ga­ni­sation erfordert einen erheb­lichen Finan­zie­rungs­aufwand. Auf­grund der poli­ti­schen Kom­po­nente des Vor­habens liegt es nahe, dass poten­zielle Ein­wan­de­rungs­länder finan­zielle Unter­stützung leisten, etwa als Kre­dit­geber für die Betrei­ber­ge­sell­schaft. Dies wäre durchaus kein schlechtes Geschäft. Schät­zungen zufolge belaufen sich die Kosten der seit 2015 nach Deutschland statt­fin­denden Mas­sen­zu­wan­derung auf min­destens 30 Mil­li­arden EUR pro Jahr. Davon könnte man gleich mehrere Son­der­zonen in den betrof­fenen Gebieten auf­bauen, die sich nach einer Anlaufzeit – im Gegensatz zu reinen Auf­fang­lagern – selber tragen und im Erfolgsfall sogar die Zuwen­dungen zurück­zahlen können.

Die Ver­wal­tungs­tä­tigkeit ein­schließlich der städ­ti­schen Dienst­leis­tungen wird vom Betreiber selbst durch­ge­führt oder an einen ein­schlägig erfah­renen Gene­ral­un­ter­nehmer ver­geben, der sich wie­derum Unter­auf­trag­nehmern bedient, welche die ein­zelnen Sparten (Müll­abfuhr, Stra­ßenbau usw.) abdecken. Dies ent­spricht dem Sandy Springs-Modell, benannt nach der gleich­na­migen Stadt nahe Atlanta, USA, die sämt­liche öffent­lichen Auf­gaben pri­va­ti­siert hat und nach zehn Jahren das Fazit ziehen konnte, dass die Qua­lität städ­ti­scher Leis­tungen durchweg gestiegen, die Kosten aber je nach Sparte um 10–40% gesunken sind. Auch private Sicher­heits­dienst­leister sind bereits in Poli­zei­funktion im Einsatz, wenn es etwa darum geht, Sicherheit und Ordnung in Son­der­wirt­schafts­zonen zu gewähr­leisten. Der Betreiber der Zone stellt zudem ein Zivil­rechts­system samt Gerichten zur Ver­fügung. Die Idee ist, ein bewährtes Rechts­system zu über­nehmen, das Inves­toren Sicherheit bietet und geeignet ist, wirt­schaft­liche Pro­spe­rität zu fördern, etwa das deutsche BGB oder eng­li­sches Common Law. Auch für einen der­ar­tigen Import fremder Rechts­systeme gibt es bereits funk­tio­nie­rende Prä­ze­denz­fälle, wie etwa die Son­der­wirt­schafts­zonen Dubai Inter­na­tional Financial Center und Abu Dhabi Global Market beweisen, die beide auf Common Law beru­hende Rechts­ord­nungen ein­schließlich Gerichten ein­ge­führt haben.

Es ist wichtig, dass solche Son­der­zonen auch Anreize für die Ansiedlung höher Gebil­deter, Unter­nehmer und Inves­toren bieten. Zonen, deren Ein­wohner aus­schließlich oder weit über­wiegend aus Analpha­beten bestehen, werden keinen Erfolg haben. Von daher muss jede ein­zelne Zone die Mög­lichkeit haben, sich ihre Bewohner selbst aus­zu­wählen, um eine gesunde Mischung aus Quan­tität und Qua­lität zu erreichen. Flo­riert die Son­derzone später, werden auto­ma­tisch weitere Arbeits­plätze für Unge­lernte entstehen.

Die Betrei­ber­ge­sell­schaft wird sicherlich die ersten Jahre vor­fi­nan­zieren müssen. Aber wenn sie einen Deckungs­beitrag auf 100.000 Ein­wohner berechnet hat und es kommen dann 200.000, macht sie Gewinn, weil Polizei, Justiz und Infra­struktur nicht ebenso ver­doppelt werden müssen, um das gleiche Dienst­leis­tungs­niveau zu bieten. Will man kein Bei­trags­modell, dann können indi­rekte Steuern erhoben werden, ins­be­sondere Mehr­wert­steuern oder maß­volle immo­bi­li­en­be­zogene Steuern wie Grund­er­werb­steuern oder Grund­steuern. Die Betrei­ber­ge­sell­schaft hat idea­ler­weise anfangs das Grund­ei­gentum auf dem Gebiet der Son­derzone erworben. Allein durch die spätere Wert­stei­gerung von Grund und Boden dürften eine Gewinn- und eine Quer­fi­nan­zierung anderer Bereiche dar­stellbar sein. Wird besonders hoher Über­schuss erwirt­schaftet, können die Bei­träge gesenkt werden.

Andere Anreiz­struktur

Die private Struktur der Zone ver­meidet die Gefahr, dass im Falle eines Wahl­sieges der Gewinner eine ihm nahe­ste­hende Gruppe begünstigt oder ein Regime instal­liert, das die Sta­bi­lität gefährdet oder Unter­nehmen und Inves­toren ver­treibt. Dies ist leider kein Ein­zelfall, wie die Erfah­rungs­werte ins­be­sondere aus Afrika zeigen. Sys­tem­be­dingt werden poli­tische (oder reli­giöse) Kon­flikte in der Son­derzone erst gar nicht geschaffen.

Trotzdem sind die ver­trag­lichen Rechte und die Men­schen­rechte der Bewohner gewähr­leistet. Denn sämt­liche Maß­nahmen der pri­vaten Ver­waltung unter­liegen den ver­trag­lichen Ver­ein­ba­rungen und können daher auch vor den Gerichten über­prüft werden. Daneben ist denkbar, dass Gast­ge­ber­staat, Schutz­mächte und die Bewohner Abge­ordnete in eine öffent­liche Über­wa­chungs­kom­mission ent­senden, die Sorge trägt, dass der Betreiber die per Bür­ger­vertrag zuge­si­cherten Rechte auch einhält. Neben der Ein­haltung grund­le­gender Men­schen­rechte ist wichtig, dass die im Bür­ger­vertrag garan­tierte Rechts­po­sition und die ent­spre­chenden Pflichten nicht ein­seitig zum Nachteil der Bewohner geändert werden.

Wirt­schaft­liche Ent­wicklung, Sicherheit und Sta­bi­lität gehen insoweit poli­ti­scher Par­ti­zi­pation vor. Diese kann in einer zweiten Phase ein­ge­führt werden, etwa nach zehn Jahren, wobei die Bewohner dann z.B. den City Manager bzw. Bür­ger­meister wählen oder im Wege des Refe­rendums Maß­nahmen oder Regel­än­de­rungen der Ver­waltung ablehnen können.

Es ist weiter vor­stellbar, dass die Ein­wohner über die Zuteilung von Anteilen an der Betrei­ber­firma im Laufe der Zeit selbst deren Mit­ei­gen­tümer werden. Dadurch würde ein Inter­es­sen­gleichlauf erzielt, da die Bewohner dann nicht nur Mit­sprache- und Mit­ent­schei­dungs­recht auf den Gesell­schaf­ter­ver­samm­lungen des Zonen­be­treibers hätten, sondern auch ein wirt­schaft­liches Interesse am Pro­spe­rieren der Son­derzone. Die Akti­en­vergabe kann etwa an eine Min­dest­ver­weil­dauer in der Zone gekoppelt werden, an die pünkt­liche Bezahlung der Bei­träge oder ähn­liche Kri­terien, die Anreize zum Wohl­ver­halten schaffen.

Auf­grund der garan­tierten Sicherheit, der Bindung an Recht und Vertrag, der per­sön­lichen und wirt­schaft­lichen Frei­heiten, der Nicht­zu­lassung poli­ti­scher Kon­flikte und der Abwe­senheit von Kor­ruption spricht alles dafür, dass solche Gemein­wesen wachsen und gedeihen werden. Sie können vielen Men­schen eine Per­spektive bieten, die sie ander­weitig nicht haben.

Erster Pra­xistest in Honduras

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Der mit­tel­ame­ri­ka­nische Staat Hon­duras ist das erste Land der Welt, das sich auf ein solches Modell ein­lassen möchte. Es hat dazu eigens die Ver­fassung geändert und ein ein­schlä­giges Gesetz geschaffen, damit soge­nannte Zonen für wirt­schaft­liche Ent­wick­lungen und Arbeits­plätze (ZEDEs) ent­stehen können. Diese müssen die Ver­fassung und inter­na­tionale Abkommen beachten, die Hon­duras geschlossen hat, ver­fügen im Übrigen aber über eigene Gesetz­ge­bungs­kom­petenz, ein eigenes Grund­stücks- und Han­dels­re­gister, eigene Sicher­heits­kräfte und sogar eigene Gerichte. Die Initiative dazu ging von hon­du­ra­ni­schen Poli­tikern und Regie­rungs­ju­risten aus, die zu der Erkenntnis gelangt waren, dass das Land, in dem der Begriff Bana­nen­re­publik geboren wurde, aus vie­lerlei Gründen kaum refor­mierbar ist. Auch Paul Romer war zeit­weilig als Berater involviert.

Das ZEDE-Regime gilt auch bei Auf­hebung des ent­spre­chenden Gesetzes für 50 Jahre weiter. Hon­duras ist zudem Mit­glied der Zen­tral­ame­ri­ka­ni­schen Frei­han­delszone CAFTA, die ein eigenes Kapitel zum Inves­to­ren­schutz bei recht­lichen und tat­säch­lichen Maß­nahmen vor­sieht, sowie ent­spre­chende Schieds­ge­richts­ver­fahren. Egal wer in Hon­duras regiert, einen Rauswurf auf der CAFTA kann sich das Land nicht leisten. Ein erfolg­reicher Prä­ze­denzfall könnte hin­gegen einen ähn­lichen Effekt haben wie die erste chi­ne­sische Son­derzone in Shenzen. Viele weitere folgten, und im Grunde hat sich China über diese Son­der­wirt­schafts­zonen zum wirt­schaft­lichen Riesen entwickelt.

Das erste ZEDE-Projekt in Hon­duras ist in diesem Jahr als Public-Private-Part­nership-Modell gestartet. Das Management der pri­vaten Betrei­ber­ge­sell­schaft ist bunt gemischt. Es stammt aus USA, Gua­temala, Deutschland, Bra­silien und Hon­duras. Das Rechts­system wird ein Common Law System sein mit (pen­sio­nierten) Richtern aus Aus­tralien und den USA. Die Finan­zierung erfolgt bislang aus­schließlich über private Inves­toren. Auch deutsche Firmen haben Interesse an einer Nie­der­lassung signa­li­siert, eine Zusam­men­arbeit mit der Tech­ni­schen Uni­ver­sität München wurde ein­ge­leitet. Die staat­liche US-Ent­wick­lungsbank OPIC hat Unter­stützung für ein erstes Vor­haben zugesagt. Die Son­derzone wird auf unbe­wohntem Ter­ri­torium errichtet, damit sicher­ge­stellt ist, dass aus­schließlich Frei­willige teil­nehmen, die einen ent­spre­chenden Vertrag erhalten. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Hon­du­raner, ist im Prinzip aber für alle offen. Die offi­zielle Anwerbung erster Bewohner soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Der Berater der Bun­des­kanz­lerin für Afri­ka­fragen, Günter Nooke, hat jüngst vor­ge­schlagen, den Ansatz von Son­der­zonen als „Inseln der guten Regie­rungs­führung“ einmal zu ver­suchen. Wie nicht anders zu erwarten, stieß das beim Ent­wick­lungs­hilfe-Estab­lishment auf wenig Gegen­liebe. Privat geht gar nicht und es sollen „keine Par­al­lel­struk­turen“ auf­gebaut werden. Doch nach nunmehr 60 Jahren des Schei­terns sollte man sich ein­ge­stehen: Ohne Par­al­lel­struk­turen wird es nicht gehen. Einen Versuch ist es allemal wert. Und viel­leicht können wir auch für unsere eigenen Systeme etwas daraus lernen.

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Titus Gebel ist Unter­nehmer und pro­mo­vierter Jurist. Er gründete unter anderem die Deutsche Roh­stoff AG. Er möchte mit Freien Pri­vat­städten ein völlig neues Produkt auf dem „Markt des Zusam­men­lebens“ schaffen, das bei Erfolg Aus­strah­lungs­wirkung haben wird. Zusammen mit Partnern arbeitet er derzeit daran, die erste Freie Pri­vat­stadt der Welt zu ver­wirk­lichen. Im April 2018 ist sein Buch „Freie Pri­vat­städte – mehr Wett­bewerb im wich­tigsten Markt der Welt“ erschienen.


Quelle: misesde.org