Die Klimadebatte entkoppelt sich immer weiter von der Realität. Welche Blüten das treibt, zeigen ein paar Beispiele.
Können Sie sich vorstellen, dass eine Firma, die noch nie auch nur einen Jahresgewinn gemacht hat und aktuell bei einem Umsatz von 21 Milliarden eine Milliarde Verlust macht, mehr wert ist, als zwei Firmen zusammen, die 343 Milliarden Umsatz und Gewinne von in Höhe von 19 Milliarden pro Jahr machen? Nein? Ist aber so. Die erstgenannte Firma ist Tesla und die ist nun so viel wert, die VW und BMW zusammen, deren Geschäftszahlen ich hier addiert habe.
Wie unglaublich dieser Wahnsinn ist, sieht man daran, dass ich erst vor knapp zwei Wochen gemeldet habe, dass Tesla so viel wert ist, wie VW. Keine zehn Tage später sind die Aktien von Tesla so sehr im Wert gestiegen, dass alleine diese Steigerung dem Gesamtwert des BMW-Konzerns entsprochen hat.
Man muss kein Börsen- oder Wirtschaftsexperte sein, um zu verstehen, dass hier ganz massiv etwas nicht stimmt.
Die deutschen Autokonzerne sind massiv unter Druck. Das hat mit dem „Dieselskandal“ angefangen, der seinen Ursprung in den USA hatte. Die deutsche Regierung hat Milliarden-Strafen für die deutschen Konzerne und auch die Verhaftung deutscher Manager in den USA akzeptiert. Ich will jetzt gar nicht diskutieren, ob der Skandal gerechtfertigt war, oder nicht. Ich möchte eine andere Frage stellen: Könnte Deutschland wohl einfach so Milliarden-Strafen gegen US-Konzerne verhängen oder US-Manager in Deutschland einsperren?
Die Antwort ist nein. Wenn die EU auch nur versucht, US-Konzerne einfach dazu zu bewegen, „normale“ Steuern zu bezahlen, kommen aus Washington bereits massive Drohungen. Während die USA schon mit Sanktionen drohen, wenn zum Beispiel Frankreich die US-Internetkonzerne besteuern will, lässt Deutschland sich den Ruf seiner wichtigsten Industrie zerstören, ohne mit der Wimper zu zucken.
Und nicht nur das! Deutschland legt sogar selbst Hand an bei der Zerstörung seiner wichtigsten Industrie. In der EU werden ab 2020 Strafsteuern für Autos fällig, die zu viel CO2 in die Atmosphäre pusten:
„In einer Simulation hat das CAR (Center of Automotive Research) der Universität Duisburg-Essen errechnet, welches Ausmaß die Strafzahlungen annehmen könnten, wenn 2020 keine batterieelektrischen Fahrzeuge auf den Markt kämen: Für die BMW Group ermittelte das CAR in diesem Fall Kosten von rund 1,09 Milliarden Euro, für Mercedes und Smart 1,24 Milliarden Euro, für den Volkswagen-Konzern 3,98 Milliarden Euro.“
Solche EU-Regeln können nicht gegen den Willen Deutschlands durchgedrückt werden. Deutschland riskiert also den Motor seiner Wirtschaft, den Motor dessen, was vom deutschen Wohlstand noch übrig geblieben ist, ohne dass es den Menschen erklärt, wo denn der deutsche Wohlstand in Zukunft herkommen soll.
Und das geht, weil es ja für eine gute Sache geschieht: Für den Klimaschutz.
Unabhängig davon, wie man zum Thema Klimwandel steht, muss eines doch klar sein: Klimaschutz ist teuer, den muss man sich leisten können. Wenn aber Deutschland heute seinen Wohlstand verspielt, indem es seine wichtigste Industrie zerstört, dann muss man sich fragen, wo morgen das Geld für Klimaschutz herkommen soll. Strom und Heizung werden wir immer brauchen und bezahlen müssen wir dafür auch. Wenn wir aber einerseits durch die Energiewende Strom und Heizung immer teurer machen und gleichzeitig die traurigen Reste des Wohlstands vernichten, wird das zwangsläufig demnächst ein paar Probleme erzeugen.
Obwohl, was heißt demnächst? Bereits 2018 wurde 344.000 deutschen Haushalten der Strom abgeschaltet, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten, Tendenz steigend. Versuchen Sie mal, ohne Strom zu leben. Ich rede hier nicht nur von Licht, Internet und Fernsehen. Wie wollen Sie die Waschmaschine ohne Strom einschalten und wie wollen Sie Lebensmittel ohne Kühlschrank frisch halten? Das ist also wirklich keine Kleinigkeit, wovon wir hier reden.
Während die Ärmsten in Deutschland ohne Strom leben, wird den Energiekonzernen das Geld nur so nach geworfen. Der gerade beschlossene Kohleausstieg ist nichts weiter, als eine Gewinngarantie für die Energiekonzerne, die den Strompreis weiter hochtreiben wird. Die Konzerne verdienen, während immer mehr Menschen ohne Strom dasitzen und ein paar fehlgeleitete Kids hüpfen Freitags in erwartungsvoller Vorfreude auf die weitere Entwicklung durch die Innenstädte.
Wie absurd das Ganze ist, zeigt auch die Debatte um Siemens in den letzten Wochen. Siemens hat irgendwo in Australien Ampeln gebaut und das ist ein Problem, das in Deutschland die Schlagzeilen beherrscht. Ich gebe zu, das war leicht polemisch, es waren natürlich keine Ampeln, sondern eine Signalanlage für eine Zugstrecke. Also Ampeln für Züge.
Und diese Züge transportieren Kohle. Deshalb steht Siemens in der Kritik. Wohin soll das führen? Wird es morgen Proteste vor dem Mercedes-Werk geben, weil eine Bergbaufirma LKW bei Mercedes kauft, die Kohle auch nur transportieren können?
Bei Siemens geht es noch weiter, wie man im Spiegel lesen konnte:
„Eine klare Vorstellung davon, wie weit unternehmerische Verantwortung fürs Klima gehen muss, hat indes Linken-Chef Bernd Riexinger. Er forderte, Siemens von Staatsaufträgen in Deutschland auszuschließen. „Auf politischer Ebene müssen Konzerne für klimaschädliche Unternehmenspolitik im Ausland zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Riexinger der „Augsburger Allgemeinen“. „Ein Ansatzpunkt kann sein, Konzerne, die im Ausland an klimaschädlichen Projekten verdienen, von staatlichen Aufträgen auszuschließen.“ Siemens baut unter anderem den ICE für den staatseigenen Konzern Deutsche Bahn“
Man muss diesen Gedanken mal zu Ende denken. Weil Siemens irgendwo in der australischen Pampa eine Signalanlage aufstellt (die sonst ein anderer Konzern aufstellen würde), soll die Bahn keine ICE mehr bei Siemens kaufen dürfen. Aber die Bahn braucht Schnellzüge. Sollen die dann in Zukunft in Frankreich, Japan oder China gekauft werden? Damit würde man Siemens bestrafen, keine Frage. Aber was wird aus den Arbeitsplätzen, die am ICE hängen?
Was ist aus einem Land geworden, in dem Politiker, die sich zum Wohle der Menschen im Land engagieren sollen, offen fordern, man solle notfalls die eigenen Leute in die Arbeitslosigkeit entlassen und Arbeitsplätze im Ausland mit Staatsaufträgen fördern? Wenn man diese Vorschläge von Politikern in Deutschland zu Ende denkt, dann läuft es einem eiskalt den Rücken herunter.
Und besonders abstrus ist es, wenn man sich den Flugverkehr anschaut. Inzwischen gibt es das Wort „Flugscham“ in Deutschland und jeder, der in ein Flugzeug steigt, soll ein schlechtes Gewissen haben. Das mag sinnvoll sein oder nicht, aber wenn dabei von Politik und Medien und vor allem von den hüpfenden Aktivisten der Eindruck erweckt wird, der Flugverkehr würde dadurch weniger, dann ist das einfach nur Unsinn. Allen deutschen Klimadiskuissionen zum Trotz gehen Experten davon aus, dass sich die Zahl der Flugpassagiere in den nächsten 20 Jahren weltweit verdoppeln wird.
Die Klimadiskussion mag ja von edlen Motiven geleitet sein, aber es scheint eine sehr deutsche Diskussion zu sein. Der Rest der Welt will mehr fliegen, baut Kohlekraftwerke (mit oder ohne die Hilfe von Siemens) und so weiter und so fort.
Deutschland hatte in der Geschichte schon oft das Gefühl, entgegen aller Vernunft, gegen den Rest der Welt und gegen allen Realitätssinn im Alleingang die Welt retten zu wollen. Funktioniert hat das nie und es hat auch noch nie etwas Gutes bewirkt. Aber die Deutschen versuchen schon wieder, alleine die Welt vor einer „Bedrohung“ zu retten.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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