Lasst uns die Zwangs­fi­nan­zierung des öffentlich-recht­lichen Rund­funks beenden!

Derzeit pro­du­ziert der öffentlich-recht­liche Rundfunk nicht nur Schlag­zeilen, sondern ist selbst Gegen­stand dieser Schlag­zeilen. Ein Bei­spiel dafür ist die Dis­kussion in Groß­bri­tannien, dort ist die Ein­führung eines Sub­skrip­ti­ons­mo­dells für die BBC im Gespräch und heftig umstritten.

(von Rainer Fassnacht)

In Deutschland hat der WDR mit einer als Satire eti­ket­tierten Moder­ni­sierung des Liedes „Meine Oma fährt im Hüh­ner­stall Motorrad“ große Auf­merk­samkeit erregt. Ins­be­sondere dessen Refrain „Meine Oma ist ‚ne alte Umweltsau“ sowie die Tat­sache, dass das Lied von einem Kin­derchor vor­ge­tragen wurde, trug dazu bei.

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Das Ende 2019 ver­öf­fent­lichte Video führte zu zahl­reichen Klagen. Nun berichtet der WDR, dass die Staats­an­walt­schaft Köln am Mittwoch dem 05.02.2020 mit­teilte, dass keine aus­rei­chenden Anhalts­punkte für den Tat­be­stand einer straf­baren Belei­digung fest­ge­stellt wurden.

In der Zeit zwi­schen der Aus­strahlung und der Mit­teilung der Staats­an­walt­schaft fokus­sierte sich die Medi­en­be­richt­erstattung auf drei Punkte:

  • Was darf Satire?
  • Wird ein Gene­ra­tio­nen­kon­flikt kreiert oder angeheizt?
  • Recht­fertigt das Ziel „den Kli­ma­wandel bekämpfen“ den Einsatz von Kindern?

Die Posi­tionen zur ersten Frage reichten von „Satire darf alles“ bis zu „Men­schen mit Tieren gleich­zu­setzen ist ein Nazi-Werkzeug und daher unakzeptabel“.

Die Posi­tionen zur zweiten Frage reichten von „der Beitrag macht nur auf einen Kon­flikt auf­merksam, der bislang unter­drückt wurde“ bis zu „es gibt über­haupt keinen Generationenkonflikt“.

Die Posi­tionen zur dritten Frage reichten von „der Kampf gegen den Kli­ma­wandel recht­fertigt jedes Mittel“ bis zu „Kinder zu instru­men­ta­li­sieren ist durch nichts zu rechtfertigen“.

Die Fokus­sierung der Medi­en­be­richt­erstattung auf diese Fragen lenkt davon ab, dass eine ganz andere – ins­be­sondere für Anhänger der Öster­rei­chi­schen Schule rele­vante – Frage in den Vor­der­grund gestellt werden müsste:

Ist die in Deutschland anzu­tref­fende Zwangs­fi­nan­zierung des öffentlich-recht­lichen Rund­funks (ÖRR) über­haupt zu rechtfertigen?

Dazu ein Blick in die Geschichte: Nach dem zweiten Welt­krieg sorgten die West-Alli­ierten für eine Demo­kra­ti­sierung Deutsch­lands. Ein Mittel dazu sollte eine staatsfern zu erfol­gende Finan­zierung des ÖRR in Ver­bindung mit dem Auftrag zu poli­ti­scher Unab­hän­gigkeit und Neu­tra­lität sein.

Ein tech­ni­scher Aspekt kam hinzu, denn nur bestimmte Aus­schnitte des Fre­quenz­spek­trums sind für Rundfunk geeignet. Daher waren Fre­quenzen für kon­kur­rie­rende Radio­sender knapp. Dieser Aspekt sprach vor­der­gründig für die Eta­blierung einiger weniger Anbieter mit regio­nalen Zustän­dig­keiten. So ent­standen die Rund­funk­an­stalten, wie z.B. der West­deutsche Rundfunk (WDR), welcher den umstrit­tenen Beitrag ausstrahlte.

Inzwi­schen hat sich die Welt gewandelt. Die Fre­quenz­knappheit hat an Bedeutung ver­loren und eine große Zahl von Anbietern nutzt diverse Kanäle, um Infor­ma­tionen und Mei­nungen zu ver­breiten. Trotzdem gibt es wei­terhin die Zwangs­fi­nan­zierung des ÖRR.

In Deutschland muss jeder Haushalt den Rund­funk­beitrag zahlen. Auch Haus­halte ohne Emp­fangs­geräte oder jene, die das Angebot des ÖRR niemals nutzen, sind zwangsverpflichtet.

Was aber pas­siert, wenn private, alter­nativ finan­zierte Anbieter mit solchen „Staats­funk­an­stalten“ konkurrieren?

Erstens geht die Kon­su­men­ten­sou­ve­rä­nität ver­loren. In einer freien Markt­wirt­schaft ent­scheidet nämlich der Kunde durch seine Hand­lungen, welcher Anbieter sich halten kann und welcher nicht. Strahlt ein Sender Bei­träge aus, welche den Kunden nicht gefallen (oder – wie im vor­lie­genden Fall – von einigen als belei­digend wahr­ge­nommen werden) ver­zichten Kunden auf dessen Angebot.

Das pas­siert beim ÖRR aber nicht. Selbst dann, wenn der Sender mehr oder weniger kom­plett und über lange Zeit an den Wün­schen und Bedürf­nissen der Kunden vorbei sendet, wird dieser Anbieter weiter zwangs­fi­nan­ziert und ver­schwindet nicht vom Markt.

Zweitens ist es für die Politik inter­essant, den ÖRR für poli­tische Bot­schaften zu nutzen. Der Ein­fluss der Par­teien auf die Sen­de­an­stalten ist nicht zu unter­schätzen. Auf­grund eines Urteils des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts darf bei­spiels­weise „nur“ ein Drittel der Mit­glieder des obersten Auf­sichts­gre­miums bei den öffentlich-recht­lichen Rund­funk­an­stalten staatlich oder staatsnah sein.

Aller­dings bleibt dabei unbe­rück­sichtigt, dass gesell­schaft­liche Gruppen, die nicht als staatlich oder staatsnah ein­ge­stuft werden – bei­spiels­weise die Gewerk­schaften –, recht ein­deutig bestimmte poli­tische Posi­tionen bevor­zugen. Daher geht der tat­säch­liche par­tei­po­li­tische Ein­fluss über das vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt fest­ge­legte Drittel hinaus.

Ein wei­teres Indiz für das starke Interesse der Politik, Ein­fluss auf Medien zu gewinnen, sind direkte und indi­rekte finan­zielle Betei­li­gungen der Par­teien an Zei­tungen. Ein Bei­spiel dafür ist die Deutsche Druck- und Ver­lags­ge­sell­schaft mbH, eine Medi­en­be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft, die sich zu 100 % im Eigentum der SPD befindet.

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Alter­native, private Anbieter könnten vom Markt ver­schwinden oder poli­ti­scher Ein­fluss­nahme wider­stehen. Dagegen ist im zwangs­fi­nan­zierten ÖRR oder in jenen Medien, welche den Par­teien direkt oder indirekt, ganz oder anteilig zuge­hörig sind, kri­tische Distanz nicht ungefährlich.

Drittens ver­stärken sich diese beiden Punkte gegen­seitig. Die Zwangs­fi­nan­zierung ist vom poli­ti­schen Wohl­wollen abhängig. Das poli­tische Wohl­wollen kann durch Berück­sich­tigung der Wünsche der Politik auf­recht­erhalten werden. So wird der ÖRR zunehmend zu einem poli­ti­schen Ver­stärker statt zu einem kri­ti­schen Beobachter.

Die Ein­richtung des ÖRR und dessen Zwangs­fi­nan­zierung war ursprünglich als Mittel gedacht, um deren poli­tische Unab­hän­gigkeit und Neu­tra­lität zu gewähr­leisten. Heute zeigt sich, dass genau das Gegenteil des Gewünschten ein­ge­treten ist.

Wer die Öster­rei­chische Schule der Natio­nal­öko­nomie kennt, ist von der Ent­wicklung nicht über­rascht. Macht statt Markt, Zwang statt frei­wil­liger Indi­vi­du­al­ent­scheidung führt unwei­gerlich zu einem sub­op­ti­malen Ergebnis und uner­freu­lichen Nebenwirkungen.

Das WDR-Video ist nur ein Bei­spiel für die resul­tie­renden Fehl­ent­wick­lungen; ein anderes sind die wirklich „bemer­kens­werten“ außer­ta­rif­lichen Ver­gü­tungen in der ARD.

Wett­bewerb sorgt für ein gutes Preis-Leis­tungs-Ver­hältnis aus Kon­su­men­ten­per­spektive, feh­lender Wett­bewerb ver­hindert genau dies. Es ver­wundert daher nicht, dass der – dem Wett­bewerb durch Zwangs­fi­nan­zierung ent­zogene – ÖRR sowohl durch ein „part­ner­schaft­liches“ Ver­hältnis zur Politik, als auch durch über­höhte Kosten gekenn­zeichnet ist: Die Pro-Kopf-Finan­zierung für die öffentlich-recht­lichen Sender in Deutschland liegt bei 102 Euro und damit 50 Euro über dem euro­päi­schen Durchschnitt.

Die Dis­kussion um die „alte Umweltsau“ ist daher lediglich ein kleines Symptom einer deutlich grö­ßeren Fehl­ent­wicklung. Die Ursache dieser Fehl­ent­wicklung liegt in der Zwangs­fi­nan­zierung des ÖRR – hier gilt es anzusetzen.

Die bri­tische Dis­kussion über die künftige Finan­zierung der BBC ist ein Schritt in diese Richtung; ein Schritt, der in Deutschland noch aussteht.

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Rainer Fass­nacht ist gelernter Kaufmann, Diplom-Ökonom und Wirt­schafts­prak­tiker. Er lebt in Berlin und ist fami­li­en­ge­schichtlich mit Öster­reich ver­bunden, genau wie als Ver­treter der von Carl Menger begrün­deten Öster­rei­chi­schen Schule. Mit seinem Buch „Unglaub­liche Welt: Eta­tismus und indi­vi­duelle Freiheit im Dialog“ möchte er, auch Social-Media-geprägten Lesern, die Ideen der öster­rei­chi­schen Schule näher­bringen. Auch in seinen sons­tigen, unter anderem vom Aus­trian Eco­nomics Center in Wien ver­öf­fent­lichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der indi­vi­du­ellen Freiheit ein.


Quelle: misesde.org