Viel Lärm um nichts

Januar 2020-Update zu den Macht­spielen in den USA

In diesem Beitrag werde ich zum Stand der Dinge hin­sichtlich der Abset­zungs­be­mü­hungen gegen Prä­sident Trump, zur Außen­po­litik der USA und zu den anste­henden Prä­si­dent­schafts­wahlen berichten. Die Abschnitte können, je nach Inter­es­senlage, auch einzeln gelesen werden.

(von Helmut Roewer)

1. Das Impeachment gegen Trump

Was bisher geschah. Seit nunmehr drei Jahren ist Donald Trump Prä­sident der USA. Sein Wahl­erfolg hatte die ton­an­ge­benden Eilten in den USA wie ein kalter Was­serguss getroffen. Seither ist kaum ein Tag ver­gangen, an dem nicht von Main­stream seine als sicher anzu­se­hende Amts­ent­hebung vor­aus­gesagt worden wäre. Erst war es Trumps angeb­liche Ver­stri­ckung als Mario­nette an den Fäden des Kreml.

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Als sich das nach der Pleite mit dem Bericht des Son­der­er­mittlers Mueller III im letzten Früh­sommer nicht mehr auf­recht­halten ließ, kam pass­ge­recht der Vorwurf, Trump sei ein Erpresser, der mit Hilfe gefü­giger Politha­lunken in der Ukraine unschuldige ame­ri­ka­nische Ehren­männer ver­folgen ließe, wie den ehe­ma­ligen Vize­prä­si­denten der USA und jet­zigen demo­kra­ti­schen Prä­si­dent­schafts­be­werber Joe Biden. Von Sep­tember bis Dezember 2019 ver­an­staltete das Reprä­sen­tan­tenhaus dank seiner demo­kra­ti­schen Mehrheit einen Zeu­gen­ver­neh­mungs-Marathon, der am 18. Dezember 2019 in den förm­lichen Beschluss ein­mündete, den Prä­si­denten mit dem Ziel der Amts­ent­hebung anzuklagen.

Dieser Impeachment-Beschluss bedurfte der ein­fachen Mehrheit. Sie wurde knapp erreicht. Bei der Abstimmung zeigte es sich, dass nur Demo­kraten dafür stimmten, aber nicht alle von ihnen und keiner von den repu­bli­ka­ni­schen Abge­ord­neten. Danach fand etwas Über­ra­schendes statt, nämlich gar nichts, denn die Spre­cherin des Hauses, Nancy Pelosi (von den Demo­kraten), hielt den Beschluss fest, anstatt ihn dem Senat zu übersenden.

Das war insofern ver­wun­derlich, da nach dem Beschluss der Ankla­ge­er­hebung die Feder­führung im Abset­zungs­prozess auf die andere Kammer des Kon­gresses, den Senat, übergeht. In dem jetzt anste­henden Ver­fahren, das wie ein ame­ri­ka­ni­sches Gerichts­ver­fahren aus­ge­staltet ist, agieren die Sena­toren als Geschworene unter dem Vorsitz des obersten Bundes-Richters, eine Dele­gation des Reprä­sen­tan­ten­hauses fun­giert als Staats­an­walt­schaft und der Ange­klagte wird durch seine Ver­tei­digung vertreten.

Nach über einem Monat Ver­zö­gerung ent­schloss sich Pelosi dann doch zur Unter­schrift unter die Ankla­ge­ar­tikel. Sodann brachte der Leiter der Sicher­heits­be­hörde des Kapitols (Ser­geant in Arms) dem Mehr­heits­führer des Senats eigen­händig die Ankla­ge­schrift. Seit knapp zwei Wochen läuft nunmehr das Ver­fahren vor dem Senat. Es wurde bislang durch den drei­tä­gigen Ankla­ge­vortrag und einen eben­solchen der Ver­tei­digung bestimmt.

Impeachment-Theater, 2. Akt, Kapitol, 16. Januar 2020: Der repu­bli­ka­nische Mehr­heits­führer im Senat, Chuck Grasley, schwört den obersten Richter des Supreme Court, John Roberts, in sein Amt als Vor­sit­zender des Amts­ent­he­bungs­ver­fahrens gegen den US-Prä­si­denten ein. Sodann schwört dieser die Sena­toren als die Geschwo­renen des Amts­ent­he­bungs­ver­fahrens in ihr Amt ein (Bilder: Snapshots des Senats-TV).

Bei nor­malem Verlauf der Dinge hätten das Amts­ent­he­bungs­ver­fahren jetzt zur End­ab­stimmung anstehen können. Doch hieran wurde es durch zwei Umstände gehindert: (1) die mensch­liche Eitelkeit einiger Sena­toren, (2) das Auf­treten eines neuen Belas­tungs­zeugen, der wie Kai aus der Kiste auftauchte.

(1) Es ist menschlich, allzu menschlich, dass die 100 Sena­toren, die bei diesem Amts­ent­he­bungs­ver­fahren die zen­trale Rolle spielen, in den Blick­punkt der öffent­lichen Bericht­erstattung gerückt sind. Zwar ist es so, dass die Repu­bli­kaner im Senat eine knappe Mehrheit haben, doch geht die Glei­chung Republikaner=Trump-Freund kei­neswegs auf. Es ist zwar kaum davon aus­zu­gehen, dass einer von diesen Anti-Trum­pisten für die Absetzung des Prä­si­denten stimmen wird, doch gibt das Ver­fahren auf andere Weise die Mög­lichkeit, sein Mütchen zu kühlen. Der Königsweg hierfür ist die Ver­fah­rens­ver­län­gerung durch das Auf­rufen und Anhören von Zeugen.

Die Mehrzahl der repu­bli­ka­ni­schen Sena­toren will das nicht. Sie hätten die Mög­lichkeit, mit einem Streich, nämlich mit ein­facher Mehrheit das Ver­fahren zu beenden und Trump frei­zu­sprechen. Das wäre ver­nünftig, denn die von der Ver­fassung vor­ge­schriebene Zwei­drit­tel­mehrheit für die Amts­ent­hebung wird unter keinem denk­baren Aspekt zustande kommen. Soweit der Gang der Handlung bis zu dieser Woche.

(2) Nunmehr ist dank der strikt auf Anti-Trump-Kurs fah­renden New York Times ein Über­ra­schungsgast auf die Bühne gehoben worden. Es ist der bis vor Kurzem im Amt gewesene Sicher­heits­be­rater des Prä­si­denten John Bolton, der laut Times seine Memoiren geschrieben hat, in denen er das gesetz­widrige Tun seines ehe­ma­ligen Chefs bestätige. Jetzt reden alle durcheinander.

Um zu ver­stehen, was hier abgeht, ist ein kurzer Blick auf diesen John Bolton nützlich. Ich habe bereits mehrere Male über ihn berichtet und fasse das hier zum kon­zen­trierten Konsum zusammen. Die Funktion des Sicher­heits­be­raters ist eine Art per­sön­liche Neben-Außen­re­gierung des Prä­si­denten. Seine Funktion ist die, die außen- und sicher­heits­po­li­ti­schen Vor­stel­lungen seines Chefs gegenüber den diversen zustän­digen Staats­stellen, vor allem aber dem Außen- und dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium und der CIA durchzusetzen.

Es liegt auf der Hand, dass die grund­le­genden Ein­stel­lungen von Prä­sident und Berater in den betref­fenden Poli­tik­feldern über­ein­stimmen müssen. Das schließt bei einem starken Prä­si­denten kei­neswegs aus, dass ihm sein Sicher­heits­be­rater hart­näckig wider­spricht. Wird dieser Wider­spruch indessen öffentlich for­mu­liert, so darf man davon aus­gehen, dass eine ver­trau­ens­volle Zusam­men­arbeit in diesem Kern­be­reich der US-Welt­macht­po­litik nicht mehr möglich ist. So war es auch im Sommer und Herbst 2019, als es mehrfach um die Frage ging, ob die USA im Mitt­leren Osten, vor allem gegen den Iran, den Han­dels­krieg in einen offenen mili­tä­ri­schen Kon­flikt aus­weiten sollten. Bolton befür­wortete das, Trump lehnte ab.

Als die Sache von Bolton öffentlich gemacht wurde, entließ Trump seinen Sicher­heits­be­rater Knall auf Fall. Der rächte sich, indem er seine Memoiren ver­fasste, für die sich ohne das Impeachment-Theater kaum jemand inter­es­sieren würde. So wie die Dinge liegen, ist das anders. Die Sache erinnert stark an die Ent­lassung des durchaus illoyalen FBI-Chef James Comey im Mai 2017, dessen Memoiren (A higher Loyality) vor knapp drei Jahren in der ersten Anti-Trump-Euphorie rei­ßenden Absatz fanden. Jetzt liegen sie auf den Wühltischen.

Um den Bolton-Komplex drehen sich nun die Auf­ge­regt­heiten, ob man ihn oder gar noch andere als Zeugen vor den Senat laden soll. Das würde das Ver­fahren arg in die Länge ziehen. Die Demo­kraten wollen das mit heißem Herzen, die Mehrzahl der Repu­bli­kaner will das nicht. Viele der repu­bli­ka­ni­schen Sena­toren fühlen sich zudem in ihrem eigenen, jetzt anste­henden Wahl­kampf beeinträchtigt.

Und der Haupt­be­troffene? Er bemerkte lako­nisch via Twitter: Wenn ich auf Bolton gehört hätte, wären wir längst im dritten, vierten oder fünften Welt­krieg angekommen.

2. Der Präsidentenwahlkampf

In den USA eilen seit Monaten die Vor­boten der kom­menden Prä­si­dent­schafts­wahlen – sie finden Anfang November statt – durchs Land. Was sonst die große Show ist, leidet augen­fällig unter den Schlag­zeilen des Impeach­ments. Das heiß, Trump beherrscht die poli­tische Bühne, die ihm von den ihm feind­lichen Demo­kraten bereitet worden ist. So entgeht dem breiten Publikum, was sich bei den Demo­kraten tut. Diese sind weit davon ent­fernt, einen ein­deu­tigen Favo­riten für das Prä­si­den­tenamt prä­sen­tieren zu können. Ich erspare dem Leser, ihn mit Namen, Pro­grammen und Bio­gra­phien zu behelligen.

Bes­ten­falls mag inter­essant sein, dass das Par­tei­estab­lishment und er selbst den ehe­ma­ligen Vize­prä­si­denten der USA, Joe Biden, für den geeig­netsten Kan­di­daten halten. Für Trump ist auch dies wie ein Geschenk, denn Biden und sein Sohn Hunter Biden haben eine denkbar offene Flanke. Sie betrifft in der Amtszeit des Vaters als Vize unter Obama die Geschäfts­trans­ak­tionen des Sohnes in der Ukraine und in China.

Auch der nächs­ter­folg­ver­spre­chende Kan­didat, Bernie Sanders, ist für Trump eher ein Geschenk, denn er ist nominell ein Unab­hän­giger, in Wirk­lichkeit jedoch ein Hardcore-Sozialist, dessen Wahl­kampf­mu­nition aus einer Art Freibier für alle besteht. Dass auch noch der Mil­li­ardär und Medi­en­un­ter­nehmer Bloomberg seinen Hut in den Ring geworfen hat und Hillary Clinton über ein Comeback sin­niert, will ich wenigstens erwähnt haben.

3. Der Grenzzaum

Meile um Meile wird der von Trump bereits im seinem Wahl­kampf vor vier Jahren the­ma­ti­sierte Grenzzaum nach Süden Wirk­lichkeit. Alle Ver­suche des Reprä­sen­tan­ten­hauses, ihn hieran zu hindern, schlugen bislang fehl. Die vom Kon­gress ver­wei­gerten Haus­halts­mittel hat Trump aus dem Ver­tei­di­gungsetat ent­nehmen lassen. Ein Versuch, ihn mit Hilfe der Gerichte zu stoppen, schlugen vor dem Obersten Gericht (Supreme Court) fehl.

Der Grenzzaun zeigt viel­fältige Wirkung. Er signa­li­siert nach innen: keine Ille­galen mehr, unsere eigenen Arbeits­plätze zuerst, und nach außen: Bleibt zuhause Leute, es hat keinen Zweck. Wie wenig der Zaun die außen­po­li­ti­schen Bezie­hungen der USA stört, zeigt sich, dass soeben das nord­ame­ri­ka­nische Han­dels­ab­kommen neu ver­handelt und abge­schlossen wurde. Die Ver­trags­partner Canada und Mexico, die – innen­po­li­tisch betrachtet – alles andere als Freunde der Trump-Politik sind, haben sich kei­neswegs abhalten lassen, mit den USA han­delseins zu werden. Das nationale Hemd saß ihnen näher als ihr inter­na­tio­na­lis­ti­scher bzw. radikal-libe­raler Rock. Mexico ist hierbei so weit gegangen, den USA zuzu­si­chern, keine Tran­sitwege für durch­zie­hende Völ­ker­schaften mehr zu dulden. Es sieht ganz danach aus, als werde jetzt an der mexi­ka­ni­schen Süd­grenze bereits Ernst gemacht.

Ich erspare mir nutzlose Anmer­kungen, ob das nicht ein Vorbild für Europa sein müsste, spe­ziell für Deutschland.

4. Mitt­lerer Osten

Auch ohne einen mili­tä­ri­schen Kon­flikt zuzu­lassen, haben die USA klar­ge­stellt, dass sie mit Hilfe von Mord­kom­mandos jedermann und überall auf der Welt zu exe­ku­tieren gewillt sind, der sei­ner­seits durch Gewaltakte ame­ri­ka­nische Inter­essen bedroht.

Diese durch Taten unter­mauerte Ansage ist so dras­tisch, dass der Iran vor einem offenen Kon­flikt zurück­ge­schreckt ist. Dass die Gefahr von Anschlägen bevorzugt gegen US-Ein­rich­tungen und US-Ame­ri­kaner hier­durch nicht kleiner geworden ist, will ich zumindest erwähnt haben.

5. Die Welt des Donald Trump

Durch nichts ist in letzter Zeit die Welt des Donald Trump besser illus­triert worden als durch seine Rede auf dem sog. Welt­wirt­schafts­forum in Davos vor einigen Tagen. Das, was er der Welt, vor allem aber den Ame­ri­kanern zu Hause mit­zu­teilen hatte, war eine Bot­schaft, die diesen Namen ver­dient: Mein Ziel war und ist es, die US-ame­ri­ka­nische Bin­nen­wirt­schaft wie­der­her­zu­stellen zum Wohle seiner Bewohner und auch zum Wohl aller Länder, die mit den USA Handel treiben wollen. Er, Trump, lehne es ab, den Kata­stro­phen­pro­pheten von vor­gestern – gemeint waren, ohne sie expressis verbis anzu­sprechen, die Klima-Hys­te­riker – hin­ter­her­zu­laufen. Die Welt hätte ganz andere Pro­bleme, die wolle er lösen.

Zum Auf­tritt des US-Prä­si­denten gehört auch sein Timing. Er reiste genau an dem Tag nach Davos, als sich in Washington D.C. seine Feinde im Senat ver­sam­melten, um ihre Ankla­ge­schrift zu ver­lesen. Besser konnte Trump kaum signa­li­sieren: Leute, für euern Hokus­pokus habe ich keine Zeit. Ich muss jetzt regieren.

Das war ein erfri­schender Auftakt für den Kosmos der Mil­li­ardäre und ihrer Hof­schranzen, die mit ihren Pri­vatjets nach Davos ange­reist waren. Was dann zwei Deutsche – einer auf der Bühne und einer am Rande – zu Trump zu bemerken wussten, war nur noch eines: peinlich. Ich notierte in mein Sudelbuch:

  1. Januar 2020 

Medi­en­ge­schnatter um die Äuße­rungen des Grü­nen­vor­stehers zu Donald Trump. Dieser sei der Gegner, er „steht für all die Pro­bleme, die wir haben“. Wie wahr, wie wahr, der grüne Tie­fen­denker hat recht. Für ihn ist Trump das Problem schlechthin, denn es gibt aktuell keinen Poli­tiker, der so wir­kungsvoll in Wort und Tat die grün-sozia­lis­ti­schen Uto­pisten ad absurdum führt.

Pro­ble­me­macher Trump (2): Er degra­diert die mit 1.700 Pri­vatjets nach Davos ange­reisten Meister-Leader zu Figuren zweiter Klasse. Nach seiner Äußerung „Wir müssen die ewigen Pro­pheten des Unter­gangs und die Vor­her­sagen einer Apo­ka­lypse ablehnen“ müsste der Rest der Mann­schaft, wenn er einen Zipfel Selbst­achtung hätte, nur noch die Board Cases packen und davonschweben.

  1. Januar 2020 

O tempora, o mores. Ich weiß nicht was mich stärker stört: die Zustände oder das Gejammer über dieselben.

Ein Hoff­nungs­strahl drängt sich durch das dräuende Ungemach. Meine „Emo­tionen sollen mit Fakten ver­söhnt werden“. So die Füh­rerin gestern in Davos. Emo­tionen mit Fakten ver­söhnen? So grund­legend habe ich selten jemanden nicht ver­standen. Oder redet sie irre?

Füh­re­rin­nen­weisheit (2): „Die gesamte Art des Wirt­schaftens und des Lebens, wie wir es uns ange­wöhnt haben, werden wir in den nächsten 30 Jahren ver­lassen.“ Wir ver­lassen die Art des Lebens? Meint sie den Tod? Das träfe auf mich wie auch auf sie zu.

Bis dahin aller­dings will ich noch die eine oder andere Zeile geschrieben haben.

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Dr. Helmut Roewer wurde nach dem Abitur Pan­zer­of­fizier, zuletzt Ober­leutnant. Sodann Studium der Rechts­wis­sen­schaften, Volks­wirt­schaft und Geschichte. Nach dem zweiten juris­ti­schen Staats­examen Rechts­anwalt und Pro­motion zum Dr.iur. über ein rechts­ge­schicht­liches Thema. Später Beamter im Sicher­heits­be­reich des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­riums in Bonn und Berlin, zuletzt Minis­te­ri­alrat. Frühjahr 1994 bis Herbst 2000 Prä­sident einer Ver­fas­sungs­schutz­be­hörde. Nach der Ver­setzung in den einst­wei­ligen Ruhe­stand frei­be­ruf­licher Schrift­steller und Autor bei con­servo. Er lebt und arbeitet in Weimar und Italien.


Dieser lesens­werte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com