Wie wertvoll eine Rolle Klopapier geworden ist, sieht man weltweit an maskierten Banden, die sich jetzt auf das neue „Luxusgut“ spezialisiert haben. Gab es 2019 noch eine weltweite Empörung darüber, dass Regenwälder abgeholzt oder in Brand gesteckt wurden, scheint es 2020 egal zu sein, wie viele Regenwälder für Klopapier abgeholzt werden.
Die Basis für Klopapier ist Holz. Holz besteht knapp zur Hälfte aus Zellulosefasern, dem wichtigsten Primärrohstoff für die Papierherstellung. Faser-Importe kommen aus Ländern, wo illegale Abholzungen normal sind. Schon immer hatte Deutschland mit den USA den höchsten weltweiten Papierverbrauch pro Kopf. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie ist das „weiße Gold“ zu einem MUSS geworden, obwohl es Alternativen gibt. Und so sterben für das Klopapier weiterhin viele Regenwälder, denn zur Deckung des „weißen Goldes“ baut die Industrie schnell wachsende Hölzer in zumeist ehemaligen Regenwaldgebieten an. Bereits vor dem Coronavirus hatten die öffentlichen Toiletten in China Probleme mit dem Klopapier, denn es war ein beliebtes „Mitbringsel „, kostet nichts und ist immer verfügbar. Bis die Regierung in China sogar Gesichtserkennungs-Technologie installierte, um die Toilettenpapier-Kleptomanie zu beenden. War Ihnen bekannt, dass 15% der Entwaldung allein auf Toilettenpapier zurückzuführen sind? War Ihnen bekannt, dass täglich etwa 40.000 Bäume gefällt werden, um das Toilettenpapier herzustellen? Wir haben uns für Sie auf Spurensuche begeben.
Der Krieg ums „weiße Gold“
Seit Jahren gibt es ein Problem auf den öffentlichen Toiletten in China. Füllt man die Behälter mit Toilettenpapier auf, dauert es manchmal nicht mal eine Minute und die neue Rolle ist verschwunden. Der Nächste steht dann ohne Papier da. Die öffentlichen Toiletten nutzen daher die neue Technik. Eine neue Software des Gerätes erinnert sich an die letzten Gesichter, und wenn die gleiche Person innerhalb einer bestimmten Zeit wieder erscheint, sorgt die automatische Rolle dafür, dass diese Person nicht an das Klopapier herankommt. Worüber man vor Jahren schmunzelte, ist seit dem Ausbruch von COVID-19 im Dezember 2019 ein weltweites Phänomen geworden – das Hamstern von Klopapier.
Im Februar 2020 haben in Hongkong, einer Stadt, die eh schon durch die Coronavirus-Panik gebeutelt war, bewaffnete Räuber Hunderte von Toilettenpapierrollen gestohlen. Sie wurden aber erwischt und müssen jetzt mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen. In Hongkong sind die Wohnungen eh schon sehr klein und trotzdem schaffen es Menschen, Toilettenpapier zu horten wie auf dem folgenden Foto zu sehen.
Doch mittlerweile wird, wie die Polizei bekanntgab, auch aus Deutschland Toilettenpapier aus Autos oder sogar aus Kellerräumen geklaut. Auch aus einer Tiefgarage entwendeten Unbekannte sowohl das für Toilettenbesucher bereitgestellte Papier als auch die Vorräte aus einem angrenzenden Lagerraum.
Die Wirtschaftlichkeit des „Kaufens von Toilettenpapier“
Betroffen von der neuen Coronavirus-Epidemie sind Produkte wie Masken und sogar Toilettenpapier. Diese beiden Produkte sind in vielen Ländern zu einer Mangelware geworden. Dass es zu Leerverkäufen von Masken kommt, ist nachvollziehbar, aber das Phänomen des Hortens von Toilettenpapier eher weniger. Doch genau dieses Phänomen tritt weltweit auf, ob in China, Japan, Italien, Deutschland, Hongkong, Singapur, Großbritannien und Australien. Warum gibt es so ein Phänomen? Versuchen wir, ökonomisch zu denken.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Krise zu einem Ausverkauf von Toilettenpapier führt. Wie cn.nikkei.com am 30. März 2020 berichtet, verursachte auch die Ölkrise der 1970er Jahre einen Panikkauf von Toilettenpapier, zum Beispiel in Japan.
Dazu gibt es sogar eine Theorie des Nobelpreisträgers und Mathematikers John Forbes Nash Jr. Er beschäftigte sich u. a. mit dem Mechanismus des „schlechten Gleichgewichts“ – „Nash-Gleichgewicht“. Nash wurde u. a. auch durch den Film „A Beautiful Mind“ von 2001 mit Russell Crowe in der Hauptrolle bekannt.
Am Beispiel Toilettenpapier erklärt: Toilettenpapier ist normalerweise in einem guten „Gleichgewichtszustand“ und es reicht für alle. Doch plötzlich bekommt man das Bedürfnis, es kaufen zu müssen, bevor auch andere es kaufen. Nach einer bestimmten Zeit heizt sich die Sorge auf, dass andere Menschen sich beeilen, um genau dieses Produkt zu bekommen – so kommt es zu einem schlechten Gleichgewicht: Jeder glaubt, das Richtige zu tun, jeder beeilt sich, um es zu kaufen – bis das Produkt nicht mehr verfügbar ist.
Wie kann man vom „schlechten Gleichgewicht“ wieder zum „guten Gleichgewicht“ zurückkehren? Dazu sagt Professor Akira Matsui von der Universität Tokio, dass zu diesem Zeitpunkt die Rolle der Information sehr wichtig ist. Der Übergang von einem Gleichgewicht zum anderen wird von den Erwartungen bestimmt, wie andere handeln. Es ist notwendig, dass jeder das Gefühl bekommt, dass „Hamstern“ bedeutungslos ist.
Einfach erklärt: Jeder braucht Klopapier – da die Medien verkündeten, dass es in Ländern zu einem Hamsterkauf von Toilettenpapier gekommen ist, begann das Spiel. Jeder will der Sieger dieses Spieles sein – und stürzt sich auf das Einfachste was da ist – Klopapier. Kennt jeder, braucht jeder.
Regenwälder sterben für Klopapier
Im letzten Jahr war es in allen Medien zu lesen: Der Amazonas, die Lunge des Planeten, geht in Flammen auf. Es gab weltweites Entsetzen, denn Nachrichten sind auf der ganzen Welt mittlerweile gleich. Die gleichen Schlagzeilen sorgen dafür, dass Panik oder Entsetzen gleicher Massen gut gestreut werden. Siehe #PrayforAmazonia – Amazonas, die Lunge unseres Planeten brennt für das „weiße Gold“? – Amazon, the lung of our planet is burning for sugarcane?
Plötzlich waren die Regenwälder und ihr Niedergang zum Hauptthema geworden. Doch spätestens, als niemand mehr berichtete, verflog auch das Interesse. Das Thema mit dem Niedergang der Regenwälder ist nicht neu, denn bereits vor Jahren gab es Aufrufe: Regenwälder sterben für Klopapier. Und wir erklärten Ihnen bereits 2017: Klopapier aus sibirischem Holz.
Der Grund war der Boom auf Toilettenpapier in China durch die wachsende Mittelschicht. Normalerweise gehörte China eher zu denen, die am wenigsten Toilettenpapier benötigten. Nachdem es den Papierherstellern in China immer schlechter ging, stiegen sie auf Haushaltspapier um, wozu auch Toilettenpapier gehört. Das Holz, welches China für die Herstellung benötigt, kommt u. a. aus den sibirischen Wäldern. Die chinesische Grenzstadt Suifenhe ist der Hafen, wo fast alles an Holz aus Sibirien landet. Russland ist der weltgrößte Exporteur von Holz, wobei die illegalen Abholzungen ein stark wachsendes Problem darstellen.
Holz ist eindeutig Suifenhes Gold und stammt hauptsächlich vom nahen Nachbarn Russland
Chinas Papierindustrie ist modern, hoch maschinell und gekoppelt mit billigen Arbeitskräften. So hat das Land es geschafft, zur zweitgrößten Papierindustrie der Welt aufzusteigen. Trotz ihrer großen inländischen Rohmaterial-Verarbeitung werden erhebliche Mengen an Fasern, Halb-Zellstoff und Papierprodukten aus aller Welt importiert. Nicht nur Chinas Eigenverbrauch steigt seit Jahren an, auch die Exporte.
Seit China vor zwei Jahrzehnten damit begann, den kommerziellen Holzeinschlag auf seine eigenen natürlichen Wälder zu beschränken, wandte es sich zunehmend Russland zu und importiert riesige Mengen Holz, um den Rohstoffbedarf seiner Konzerne, auch für Papier zu decken. In Russland kommt es mittlerweile zu Auseinandersetzungen, weil die Behörden in Russland die Umweltschäden in Sibirien ignoriert haben. Anwohner und Umweltschützer beklagen, dass der Holzeinschlag die russischen Wassereinzugsgebiete negativ beeinträchtigt und die Lebensräume des gefährdeten Sibirischen Tigers und Amur-Leoparden zerstört.
Genau wie der Amazonas ist die gestresste Taiga einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt. Nicht zuletzt illegaler Holzeinschlag, getrieben von der Nachfrage des weltweit größten Holzimporteurs: China
2019 drohte der Minister für Umweltressourcen, Dmitry Kobylkin mit dem Verbot von Holzexporten nach China, wenn das Land den illegalen Handel nicht bekämpft. Im August 2019 deckten die Behörden in Irkutsk eine illegale Holzsendung nach China auf und veranlassten sie, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten. Die russischen Behörden sind jedoch teilweise mitschuldig. Korruption ist angeblich unter Staatsbeamten und den Politikern, die sie schützen, weit verbreitet und füllen dabei ihre eigenen Taschen. Irkutsk wurde von der lokalen Presse als „Paradies für die Taiga-Mafia“ bezeichnet. Ein Gericht hat den regionalen Forstminister Serguey Sheverda zu einer Freiheitsstrafe von einem halben Jahr verurteilt, weil er den illegalen Holzeinschlag erleichtert hatte, indem er fälschlicherweise 120 Hektar Wald im Naturschutzgebiet Tukolon als krank ausgewiesen hatte. Die Schäden wurden auf mehr als 11,6 Millionen US-Dollar geschätzt.
Nicht nur Sibirien
Die gestiegene Nachfrage nach Holz in China ist weltweit für die zunehmende Abholzung verantwortlich – von Peru über Papua-Neuguinea, Mosambik bis Myanmar. Um Chinas Hunger nach Holz zu stillen, werden Regenwälder auch auf den Salomonen geplündert!
Vor allem nutzt China die finanzielle Situation der armen Länder, die dringend Geld brauchen. China vergibt Kredite und nutzt dafür die Ressourcen, die in China erschöpft sind.
Im Jahr 2004 belegte China mit 49,5 Millionen Tonnen den zweiten Platz, der größten Produktionsländer von Papier. Nur elf Jahre später hat sich die wachsende chinesische Papierindustrie mehr als verdoppelt und produzierte 2015 107,100 Millionen Tonnen Papier. Darin enthalten sind 8,850 Millionen Tonnen Haushalts- und Toilettenpapier. Chinas Papierexportverkäufe stiegen ebenfalls mit einem Plus von 46,1% von 2011 bis 2015. Und schon da war Chinas Version, Deutschland als größten Papierexporteur zu überholen.
Die Zellstoffproduktion ist ein direkter und indirekter Entwaldungstreiber
Täglich werden etwa 40.000 Bäume für Toilettenpapier und Papiertücher gefällt. Jeder fünfte Baum weltweit wird für etwas gefällt, das Sie verwenden und Sekunden später wegwerfen.
Wie gut sich ein Holz für die Herstellung von Zellstoff als Grundlage für die Papierproduktion eignet, hängt nicht nur davon ab, um welchen Baum es sich handelt, sondern über welche Eigenschaften die Zellstofffasern verfügen. Eucalyptus globulus zum Beispiel, hat besonders dicke Zellwände.
Wir hatten Ihnen an dem Beispiel Chile erläutert, was es bedeutet, wenn einheimische Bäume gefällt und statt dessen Eukalyptus und Kiefer in Monokultur für die Papierindustrie angebaut werden. Kiefern und Eukalyptus wachsen sehr schnell. Sie werden nach 10 bis 12 Jahren gefällt, schaffen Arbeitsplätze und stehen an zweiter Stelle bei Exportprodukten aus Chile vor allem nach China, Japan und in die USA.
- Diese Monokulturen nehmen den nativen Wäldern den Platz weg und bringen so die einzigartige Artenvielfalt um.
- Ein Eukalyptusforst lässt nur wieder Eukalyptus nachwachsen. Als Wald ist er gewissermaßen tot“
- Eukalyptusbäume brauchen viel Wasser. Ein erwachsener Eukalyptusbaum „trinkt“ täglich bis zu 40 Liter Wasser. Rund um die Plantagen sinkt der Grundwasserspiegel, die Felder vertrocknen. Chile leidet seit vielen Jahren an Dürre und Wassermangel. Um einen Kubikmeter Holz zu bekommen, benötigt man 240.000 bis 717.000 Liter Wasser! Siehe: Bis jetzt 480.000 Hektar verbrannt…Was sind die Hintergründe der Waldbrände in Chile?
Um Toilettenpapier für die Welt zu produzieren, entstehen in Brasilien Eukalyptusplantagen
Eine Untersuchung von Mongabay hat ergeben, dass globale Verbraucher, die Toilettenpapier und Taschentücher von Markenherstellern kaufen, möglicherweise unabsichtlich Landkonflikte, Umweltverbrechen und den Verlust einheimischer Vegetation in Brasilien auslösen.
Für die meisten von uns ist der Terror, den die Bürger von Forquilha erlebt haben, wahrscheinlich abgelegen und nicht mit unserem täglichen Leben verbunden. Aber die Gewebekonsumenten der USA und der Europäischen Union am Ende der Eukalyptus-Lieferkette können unabsichtlich zu Landkonflikten, Landdiebstahl, gewaltsamer Vertreibung traditioneller Gemeinschaften und der illegalen Rodung großer Teile der einheimischen Vegetation in Brasilien führen. Die Eukalyptusplantagen des Landes sind in erster Linie im Besitz von Suzano, Brasiliens fünftgrößtem Unternehmen, das mit dem Kauf von Fibria, einem weiteren großen brasilianischen Zellstoffproduzenten, im Wert von 12 Milliarden US-Dollar begann. Nach Abschluss dieser Fusion wurde Suzano zum größten Zellstoff- und Papierunternehmen der Welt.
Woher bekommt USA Toilettenpapier?
Im Jahr 2018 waren Kanada (87.000 Tonnen), China (55.000 Tonnen) und Mexiko (53.000 Tonnen) die Hauptlieferanten von Toilettenpapier in die USA, die zusammen 93% der Gesamtimporte ausmachten.
Top Toilettenpapier importierende Länder der Welt (2018)
1. USA (375 Mio. USD)
2. Deutschland (320 USD)
3. Niederlande (164 Mio. USD)
4. Kanada (157 Mio. USD)
5. Frankreich (142 Mio. USD)
6. Norwegen (129 Mio. USD)
7. Dänemark (128 Mio. USD)
8. Sonderverwaltungszone Hongkong (126 Mio. USD)
9. Belgien (110 Mio. USD)
10. Irland (98 Mio. USD)
11. Tschechische Republik (96 Mio. USD)
12. Saudi-Arabien (96 Mio. USD)
Schon lange ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, welche Alternativen es für Klopapier gibt
Der Waschlappen ist zum Beispiel eine Lösung. Es gibt auch Toilettenpapier aus Bambus, kommt zwar ebenfalls aus Asien, doch Bambus ist die am schnellsten wachsende Pflanze unserer Erde und reichlich vorhanden. Eine andere Lösung wäre Hanf-Toilettenpapier, es ist nicht nur ökologischer sondern auch gesünder, weil es frei von Bleichmitteln und anderen Chemikalien ist, die zur Verarbeitung normaler Alternativen verwendet werden.
Bedenken Sie: Papier besteht zu einem großen Teil aus Zellstoff. Dieser wird aus Holz gewonnen. Knapp jeder 5. der jährlich gefällten Bäume weltweit liefert Holz für die Produktion von Zellstoff für Papier.
Jeder fünfte Baum weltweit wird für etwas gefällt, das Sie verwenden und Sekunden später wegwerfen – und nun können sich viele Menschen weltweit fragen, wie viele Bäume sie gehamstert haben.
Netzfrau Doro Schreier
Quelle: netzfrauen.org
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