Was will der Ver­fas­sungs­schutz vor wem schützen?

Der Feind steht rechts, ver­künden Hal­denwang und See­hofer unisono - Hier ein Blick auf die 110 Seiten zu aus­län­di­scher und isla­mi­scher Ideologie

(von Albrecht Künstle)

Bun­des­in­nen­mi­nister Horst See­hofer stellte am 9. Juli gemeinsam mit dem Prä­si­denten des Bun­des­amtes für Ver­fas­sungs­schutz, Thomas Hal­denwang, den Ver­fas­sungs­schutz­be­richt für das Jahr 2019 vor. Anders als in den letzten beiden Jahren sind 2019 die poli­tisch moti­vierten Straf­taten um 14,2 Prozent 2019 ange­stiegen. „Rechts­mo­ti­vierte Delikte stiegen um 9,4 Prozent“; also müssen Straf­taten anderer Poli­tik­be­reiche noch stärker zuge­nommen haben, oder nicht? Dennoch sind sich diese Herr­schaften einig, “Die Bekämpfung des Rechts­extre­mismus ist derzeit die größte sicher­heits­po­li­tische Her­aus­for­derung in Deutschland. Dem stellen wir uns ent­schieden ent­gegen“, wird ver­kündet, auf dass sich die Erwar­tungen der Bezahl­medien erfüllen mögen.

Ich will an dieser Stelle nicht auf den Links­extre­mismus ein­gehen, der auf den Seiten 32 bis 35 des Ver­fas­sungs­schutz­be­richt nur kurz gestreift wird und in der Pres­se­er­klärung keine zehn Zeilen aus­machte – obwohl er stärker anstieg. Im eigent­lichen Bericht nimmt der Links­extre­mismus immerhin 60 Seiten ein.

In meinem Statement geht es um den „Islamismus/islamischen Ter­ro­rismus“ sowie dieSicher­heits­ge­fähr­denden und extre­mis­ti­schen Bestre­bungen von Aus­ländern (ohne Isla­mismus)“, der immerhin 110 Seiten (!) erfor­derte. Schon das Inhalts­ver­zeichnis lässt tief blicken:

Islamismus/islamistischer Ter­ro­rismus 

  1. Überblick
  2. Ent­wick­lungs­ten­denzen
  3. Orga­ni­sa­tionen und Personenpotenzial
  1. Inter­na­tionale Kon­flikte und ihre Bedeutung für die Sicherheitslage
  2. Jihad-Schau­platz Syrien/Irak
  3. Jihad-Schau­platz Afghanistan/Pakistan
  4. Weitere Jihad-Schau­plätze
  5. Inter­net­pro­pa­ganda
  6. Rei­se­be­we­gungen
  7. Gefähr­dungs­po­tenzial

III. Sala­fis­tische Szene in Deutschland 

  1. Anti­se­mi­tismus im Islamismus 
  1. Ent­wick­lungen im lega­lis­ti­schen Spektrum 
  1. Staat­liche Maßnahmen 

VII. Über­blick mit Struk­tur­daten zu Beobachtungsobjekten

  1. „Isla­mi­scher Staat“ (IS)
  2. Kern-„al-Qaida“
  3. „Al-Qaida im isla­mi­schen Maghreb“ (AQM)
  4. „Al-Qaida auf der Ara­bi­schen Halb­insel“ (AQAH)
  5. „Al-Shabab“
  6. „Hai’at Tahrir al-Sham“ (HTS)
  7. „Tanzim Hurras al-Din“ (THD)
  8. „Hizb Allah“
  9. HAMAS
  10. „Tür­kische Hiz­bullah“ (TH)
  11. „Hizb ut-Tahrir“ (HuT)
  12. „Mus­lim­bru­der­schaft“ (MB)

12.1 „Deutsche Mus­li­mische Gemein­schaft e.V.“ (DMG)

  1. „Tab­lighi Jama’at“ (TJ)
  2. Ein­fluss regie­rungs­treuer Iraner auf in Deutschland lebende Schiiten

durch das „Isla­mische Zentrum Hamburg e.V.“ (IZH)

  1. „Milli Göruş“-Bewegung

15.1 Der „Milli Göruş“-Bewegung zuzu­ord­nende Vereinigungen

  1. „Furkan Gemein­schaft“
  2. „Hezb‑e Islami-ye Afgha­nistan“ (HIA)

Dann geht es weiter mit Nicht-isla­mi­schem Aus­län­der­ex­tre­mismus: 

Sicher­heits­ge­fähr­dende und extre­mis­tische Bestre­bungen von

Aus­ländern (ohne Isla­mismus) 

  1. Überblick 
  2. Ent­wick­lungs­ten­denzen
  3. Ent­wicklung des Personenpotenzials
  1. „Arbei­ter­partei Kur­di­stans“ (PKK)
  2. Reak­tionen der PKK in Deutschland auf die Ent­wick­lungen in der

Türkei und im Norden Syriens

  1. Ver­samm­lungs­ge­schehen mit PKK-Bezug in Deutschland
  2. Rekru­tie­rungs­maß­nahmen
  3. Akti­ons­ver­halten der PKK-Jugendorganisation
  4. Hier­ar­chische Orga­ni­sa­ti­ons­struktur der PKK
  5. Finan­zielle Situation
  6. Medi­en­wesen der PKK
  7. Straf­ver­fahren gegen Funk­tionäre der PKK
  8. Gefähr­dungs­po­tenzial

III. „Revo­lu­tionäre Volks­be­frei­ungs­partei-Front“ (DHKP‑C)        

  1. Tür­ki­scher Rechts­extre­mismus („Ülkücü“-Bewegung)
  1. Über­blick mit Struk­tur­daten zu Beobachtungsobjekten
  1. „Arbei­ter­partei Kur­di­stans“ (PKK)

1.1 „Komalen Ciwan“/„Tevgera Ciwanen Şoreşger“ (TCŞ)

1.2 „Demo­kra­ti­sches Gesell­schafts­zentrum der Kur­dInnen in

Deutschland e.V.“ (NAV-DEM)

1.3 „Kon­fö­de­ration der Gemein­schaften Kur­di­stans in Deutschland e.V.“

(KON-MED)

1.4 „AZADI Rechts­hil­fe­fonds für Kur­dinnen und Kurden in

Deutschland e.V.“ (AZADI e.V.)

  1. „Revo­lu­tionäre Volks­be­frei­ungs­partei-Front“ (DHKP‑C)
  1. „Tür­kische Kom­mu­nis­tische Par­tei­/­Mar­xisten-Leni­nisten“

(TKP/ML) bezie­hungs­weise „Par­tizan“

  1. „Mar­xis­tische Leni­nis­tische Kom­mu­nis­tische Partei“ (MLKP)
  1. Tür­kische Rechts­extre­misten („Ulkucu“-Bewegung)

5.1 „Föde­ration der Tür­kisch-Demo­kra­ti­schen Idea­listen vereine in

Deutschland e.V.“ (ADUTDF)

5.2 „ATİB – Union der Tür­kisch-Isla­mi­schen Kul­tur­vereine in

Europa e.V.“ (ATİB)

5.3 Weitere „Ulkucu“-Strukturen und unor­ga­ni­sierte Anhänger

  1. „Volks­front für die Befreiung Paläs­tinas“ (PFLP)
  1. Grup­pie­rungen des extre­mis­ti­schen Sikh-Spektrums

7.1 „Babbar Khalsa Inter­na­tional“ (BKI)

7.2 „Babbar Khalsa Germany“ (BKG)

7.3 „Sikh Fede­ration Germany“ (SFG)

7.4 „Sikh Fede­ration Inter­na­tional Germany“ (SFIG)

Inter­essant wäre zu wissen, wie See­hofers Grund­ge­setz­schutz den reli­giösen und aus­län­di­schen „ismus“ ein­stuft; rechts, links oder ignorant unpo­li­tisch? Jeden­falls verfügt der Islam in Deutschland mit seinen 19 beob­ach­teten Orga­ni­sa­tionen über einige „Flügel“ mehr als die AfD. Aber hier versagt wohl das Polit­latein dieser Herren und weicht einer Art Sprach­lo­sigkeit. Und werden die über 28.000 beob­ach­teten Isla­misten und die fast 29.000 ander­weitig aus­län­di­schen Extre­misten dieses Jahr 2020 noch still­halten? Was wird der „Ver­fas­sungs­schutz“ wohl in einem Jahr berichten müssen? Und werden die Allahu Akbar-Rufer von Stuttgart im nächsten V‑Bericht erwähnt werden?

Und die Beob­achtung der vielen auf­fällig gewor­denen nam­haften tür­ki­schen DiTiB-Moschee-Vereine sucht man ver­geblich im „Ver­fas­sungs­schutz­be­richt“. Viel­leicht weil er ohnehin 400 Seiten umfasst und das Papier für die 2.000 Moschee­vereine mit 1.000 Kader­schmieden nicht aus­ge­reicht hätte. Oder weil sich deren Lands­leute nach ihrer Eta­blierung in der Polizei und Bun­deswehr auch schon im Bereich dieser Behörde des „Bun­des­mi­nis­te­riums des Innern für Bau und Heimat breit­ge­macht haben? Das wird man doch noch fragen dürfen.