Menschen, die „klarträumen“ können, werden auch „Oneiraut“ genannt. Das kommt aus den altgriechischen Wörtern „oneiros“, der Traum und „nautes“, Seefahrer, also so eine Art „Traumnautiker“, und es trifft die Sache recht gut. Denn ein luzider Traum oder Klartraum ist etwas ganz anderes als ein normaler Traum. Es gibt dafür drei Merkmale: 1) der Träumende ist sich vollkommen bewusst, dass er träumt und schläft, sieht aber alles ganz real und mit absoluter detailgenauer Klarheit. 2) Der Träumende kann bewusst den Traum gestalten und lenken. 3) Der Träumende kann sich nach dem Aufwachen genau an den Traum erinnern.
Klarträumer sagen übereinstimmend aus, dass ein luzider Traum von Gefühlen grenzenloser Freiheit begleitet ist. Die Wahrnehmung ist absolut real. Gerüche, Farben, Details, alles ist geradezu hyperreal. Wer träumt zu fliegen, fühlt den Wind in den Haaren, hört die Geräusche von „unten“, auf dem Boden empordringen, kann in der Luft stehenbleiben und weitergleiten, wenn er möchte. Es ist so, als wäre man mit Superkräften ausgestattet.
Der amerikanische Mathematiker, Psychologe und Unternehmer Stephen LaBerge schrieb seine Doktorarbeit über luzide Träume und konnte in diesem Zusammenhang wissenschaftlich nachweisen, dass es diese Art von Träumen gibt. Er selbst konnte sich sehr oft in diese Klarträume begeben. Mit Messgeräten wurden seine Schlafphasen gemessen, und während er sich nachweislich im REM (Rapid Eye Movement) Schlaf befand, konnte er seine Augen in einem vorher abgesprochenen Muster hin- und herbewegen, das nicht zufällig entstehen konnte und unverwechselbar war. Klarträume sind ganz offensichtlich ein besonderer Bewusstseinszustand. Wissenschaftler und Traumforscher interessieren sich besonders über die Möglichkeiten, die Klarträume zur Erforschung von Geist-Körper-Beziehungen und Bewusstseinszuständen liefern.
“Laut einer kürzlich durchgeführten Übersichtsstudie haben 55% der Erwachsenen mindestens einen klaren Traum erlebt, und 23% erleben regelmäßig (einmal pro Monat oder öfter) klare Träume.”
Viele Menschen suchen nach Möglichkeiten, diese Klarträume herbeizuführen, aus unterschiedlichen Gründen. Entweder, weil sie einfach dieses unglaubliche Freiheitsgefühl lieben oder weil sie dann praktisch ihren eigenen Kinofilm mit sich selbst in der Hauptrolle erleben dürfen. Andere suchen in solchen luziden Träumen, in denen man geistig furchtlos und vollkommen frei ist, nach Lösungen für Probleme oder Heilung von Traumata. Manche erleben auch in solchen Klarträumen Hinweise und Berührungspunkte mit anderen Wesen oder Seelen oder erhalten ihrer Meinung nach Botschaften aus anderen Dimensionen. Das Üben des Klarträumens hat in vielen Völkern eine jahrtausendealte Tradition und gehört zu den schamanistischen Praktiken. Auch Aristoteles beherrschte das gut. Die Buddhisten Streben das luzide Träumen wegen der überragenden, geistigen Klarheit in diesem Bewusstseinszustand an. Es soll Menschen geben, die in diesem Zustand Kontakt mit Verstorbenen herstellen können und deren Wissen teilen. Manche Seher sollen ihre Sehungen während solcher Träume erfahren.
Bisher war es aber reine Glückssache, ob man einen solchen Klartraum erreichen konnte, doch jetzt haben sich Wissenschaftler darangemacht zu ergründen, mit welchen Techniken man ziemlich sicher einen luziden Traum erleben kann.
In Australien hat sich Dr. Denholm J. Aspy und sein Team von der School of Psychology der Universität von Adelaide darangemacht, das zu erforschen. Einen luziden Traum kann man heute auch im Schlaflabor auch sehr genau im Muster der gemessenen Hirnaktivität des Träumenden erkennen. Sie ereignen sich, während das Gehirn im sogenannten „Gamma-Frequenzband“ sendet.
Die „Internationale Lucid Dreams Induction Study“ (internationale Studie zum Induzieren luzider Träume) ILDIS untersuchte und verglich dabei die Wirksamkeit fünf verschiedener Kombinationen von solchen Techniken. Tatsächlich konnte er nachweisen, dass solche Techniken wirken und eine wesentlich höhere Rate solcher luzider Träume erreichen. Die Forscher unterschieden dabei zwischen der mnemonischen Herbeiführung von luziden Träumen (MILD) und der sensorisch initiierten Herbeiführung luzider Träume (SSILD).
Es gab bei der Studie 355 Teilnehmer. Die meisten waren keine Schüler oder Studenten (71,8%). 69 Teilnehmer waren Studenten oder Schüler (19,4%) und 31 Teilnehmer waren nicht berufstätig, also arbeitslos oder Rentner 8,7%). Vor dem Test füllten die Probanden einen Fragebogen aus. Im Anschluss führten sie eine Woche lang eine Art Logbuch für Schlaf- und Traumerinnerungen aus, bevor sie dann eine weitere Woche lang die Techniken der klaren Trauminduktion übten.
In der neuen Studie untersuchte und verglich Dr. Aspy fünf verschiedene Kombinationen klarer Trauminduktionstechniken:
(i) Reality Testing (RT), eine Technik, bei der Ihre Umgebung mehrmals täglich überprüft wird, um festzustellen, ob Sie träumen oder nicht;
(ii) Wake Back to Bed (WBTB) — Nach fünf Stunden aufwachen, für kurze Zeit wach bleiben und dann wieder einschlafen, um anschließend sofort in eine REM-Schlafperiode überzugehen. Die REM-Schlafphase ist besonders günstig für Träume.
(iii) MILD, eine Technik, bei der man nach fünf Stunden Schlaf aufwacht und sich dann bewusst vornimmt, sich daran zu erinnern, dass man träumt, bevor man wieder einschlafen kann, indem man den Satz „Wenn ich das nächste Mal träume, werde ich mich daran erinnern, dass ich einen Traum träume“ stets bewusst behält.
(iv) SSILD, eine Technik, bei der Sie nach fünf Stunden Schlaf aufwachen und Ihre Aufmerksamkeit dann immer wieder jeweils 20 Sekunden lang auf visuelle, akustische und körperliche Empfindungen richten, bevor Sie wieder einschlafen. Diese Technik ähnelt der Achtsamkeitsmeditation, verschiebt aber immer wieder den Fokus auf andere Wahrnehmungen.
(v) Hybridtechnik, bei der Elemente von MILD und SSILD kombiniert werden — wobei wie bei der SSILD-Technik die Aufmerksamkeit wiederholt auf visuelle und physische Empfindungen gerichtet wird. Die Teilnehmer wiederholen auch den Satz „Wenn ich das nächste Mal träume, werde ich mich daran erinnern, dass ich träume“ jedes Mal, wenn sie ihr Bewusstsein verlagern.
Die Methoden der MILD-Technik und der SSILD-Technik waren etwa gleich effektiv. Die Hybridtechnik (v) zeigte keine höhere Wirksamkeit oder andere Vorteile.
Wirklich wichtig war für den Erfolg eigentlich die Fähigkeit, sich exakt an den Traum zu erinnern und innerhalb von zehn Minuten nach dem Ausüben der Techniken auch einzuschlafen. Die Schlafqualität litt in keinem Fall unter den Klarträumen. Die Techniken waren unabhängig davon wirksam, ob die Probanden vorher schon luzide Träume erlebten oder wie oft sie diese hatten. Der Unterschied war signifikant: Klarträume stellten sich in 45,8% der Fälle ein, wenn die Teilnehmer die MILD-Technik abgeschlossen hatten und dann innerhalb von 5 Minuten einschliefen. Eine wahrscheinliche Erklärung sehen die Forscher darin, dass eine schnelle Rückkehr in den Schlaf die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die MILD-Erinnerungs-Absicht im REM-Schlaf bestehen bleibt und Klarheit auslöst.
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