Noch haben wir nicht die Wahl, aber auch aktuelle Umfrageergebnisse und „Politbarometer“ versprechen nichts Gutes. Man mag von der Methode und den Ergebnissen von Wahlumfragen halten, was man mag, an einem gewissen Trend wird man nicht vorbeisehen können.
Die Wahl ist das Lebenselixier der Demokratie und soll in einer parlamentarischen Demokratie über Regierung und über Opposition entscheiden. In der Vergangenheit bestand nach den Wahlergebnissen immer eine gewisse Aussicht auf eine Lagerbildung mit entsprechender Regierungsbildung: hie das bürgerliche, eher konservative Lager – da das linksliberale oder sozialistische. Seltene Ausnahmen bestätigten die Regel.
Überwiegend war und ist immer noch eine Mehrheit des „bürgerlichen Lagers“ festzustellen, was unsereinen beruhigen möchte.
Als die FDP aus dem Bundestag flog, kam es zur großen Koalition, die im Grunde von beiden Seiten nicht geliebt wurde.
Derzeit – und es war 2017 schon so, haben CDU/CSU und FDP und – was natürlich verdrängt wird – mit der AfD eine ausreichende „Lagermehrheit“; sofern die FDP nicht wieder unter 5 % „abschmiert“, dazu die aktuelle Talfahrt der Grünen anhalten möchte. Unabhängig von jeglichem Trend wird es jedoch höchstwahrscheinlich wieder einen CDU-Kanzler geben. Also blickt man auf die Personen, welche die Nachfolge der „ewigen Kanzlerin“ antreten sollen.
Personalien
Der Weg dahin soll über das Amt des Parteivorsitzenden der CDU führen. Nach den aktuellen Umfragetrends grätscht da aber ein CSU-ler dazwischen. Nach dem letzten Runenorakel ist Söder der einzige Unions-Macker, welcher gewissermaßen „papabile“ wäre, um andere aus dem Feld zu schlagen. Söder gegen Scholz, Söder gegen Habeck oder Baerbock usw., Laschet, Merz und Röttgen würden gegen Söder deutlichst „abloosen“.
Bleiben wir bei den Spekulationen um den nächsten CDU-Vorsitzenden – oder -„Sitzende“.
Laschet hat sich mit seinem schwachen und ungeschickten Lavieren in der Corona-Krise selbst ausgeschlossen. Gut so, denn der Lascho aus NRW erschien nicht nur mir als der unappetitlichste Wiedergänger von Merkel.
Merz präsentierte sich zuletzt immer als Scheinriese und wird sogar von seinen bisherigen Sympathisanten immer mehr als „falscher Fuffziger“ erkannt. Ich setzte auch mal Hoffnungen in Merz. Aber wer sich den Grünen an den Hals wirft, kann nur ein Verräter an einer freiheitlichen und sozialen Marktwirtschaft sein, wie er auch durch jüngste Betrachtungen zur Wirtschaftspolitik bestätigt. Weg mit diesem Machtschleimer!
In die gleiche Kategorie fällt Röttgen, einstmals „Muttis Klügster“. Eine solche Firmierung ist aber für viele schon ein starkes Ausschlusskriterium.
Spahn? Der hat sich auch nicht unbedingt als der große Macher und Durchblicker erwiesen, und hat er nicht sein Schicksal an den Laschen aus NRW geknüpft?
Der CDU – damit deren Delegierten und Mandatsträgern – ist nicht zu trauen. Es kann durchaus sein, dass irgendein Kasper aus der Kiste wie Ralph Brinkhaus, oder ein besonders Grünen-kompatibler Heini – Pardon: Daniel – aus dem hohen Norden plötzlich nach oben gehievt wird.
Den CDUlern ist alles zuzutrauen, sogar, dass sie die Von der Leyen (re)aktivieren oder gar, wenn Söder abspringt, auch die Merkel inständig nochmal um eine erneute Kanzlerkandidatur ankriechen. Letzteres könnte nur durch ein ehrliches medizinisches Bulletin verhindert werden.
Aktuell ist ja eine widerliche Schleimtour von Söder bei Merkel zu beobachten. Die NZZ faselt schon: „Königin Angela und Kronprinz Markus“. Der Zitteraal wird von Söder in einer Kutsche durchs Land karriolt und am Dienstag (14. Juli) findet eine Kabinettssitzung mit Ehrengast Angela Merkel im prunkvollen Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee statt. Will sich Söder dort von Merkel die Salbung zum Kanzlerkandidaten der Union abholen? Oder führt der „größte Kotzbrocken der deutschen Politikszene“ anderes im Schilde, heckt neue „Schmutzeleien“ aus?
Wahl- und Machtstrategische Überlegungen
Unabhängig von den entscheidenden und eigentlich erbärmlichen Personalien ist letztlich die Wahlarithmetik entscheidend.
„Nach den Wahlen 2009 im Saarland und 2019 in Bremen gab es weder für Rot-Rot noch für Schwarz-Gelb eine Mehrheit. Im ersten Fall votierten die Grünen für ein Bündnis mit der CDU und der FDP, im zweiten Fall für eines mit der SPD und der Partei Die Linke. Die Grünen hatten sich vor der Wahl jeweils bedeckt gehalten. Und bei der Bundestagswahl 2021 droht erneut ein solches Szenario. Damit wären die Grünen das, was die Liberalen nie waren: das Zünglein an der Waage!“ So der Politologe Eckardt Jesse – und: „Entwertet ist so die Stimme des Wählers. Dieser muss aber das «letzte Wort» behalten.“
Der Wähler hat z.B. der AfD faktisch ein „Mitspracherecht“ eingeräumt, das aber von den „Edel-Demokraten“ im Bundestag ignoriert wird.
Wie es aussieht, wird wohl die AfD eher im Bundestag verbleiben, als man das für die FDP prognostizieren könnte. Bleibt die FDP über 5%, ergäbe sich, wie schon erwähnt, eine gewisse sichere bürgerliche Lagermehrheit.
Die AfD wird man weiter am Katzentisch sitzen lassen und propagandistisch verteufeln.
Es sei aber die Überlegung erlaubt, warum keine Minderheitsregierung – auch unter gelegentlicher Duldung der AfD? Das sei einfach mal so dahin gesagt.
Bei allen Verlautbarungen von potentiellen „Kanzlerkandidaten“ der CDU hat das aber wohl keine Chance auf Billigung. Und Minderheitsregierungen haben in der Bundesrepublik Deutschland keine Tradition und erfahren törichterweise auch keine Akzeptanz, bei Parteipolitikern wie von Politikwissenschaftlern.
Die machtstrategischen Auspizien sind nicht hoffnungsstimmend. Die Grünen, der marxistisch-sozialistische, politische „Flugzeugträger“ des neuen Deutschlands, werden wohl die Geschicke unseres Landes noch mehr als schon bisher bestimmen und umkrempeln.
Es sei denn, die CDU besinnt sich endlich und tatsächlich auf ihre eigentlichen antisozialistischen Traditionen und Werte.
Große Hoffnung darf man nicht haben, denn das politische Getriebe und der demokratische Rahmen haben sich dank des Versagens der Eliten – ich meine eher absichtlich – elementar gewandelt.
Kein Ausweg?
Wir haben einen Tiefpunkt der politischen Kultur und den Debatten erreicht, einen Tiefpunkt der Demokratie, an dem sich Politiker, Medien und die „kulturellen Eliten“ hemmungslos beteiligen. Den „Mächtigen“ geht es nicht mehr um das Große und Ganze und das Eigene von Volk, Staat und Gesellschaft. Nicht mehr um die „Bändigung des Leviathans“, nicht mehr darum, „in der Demokratie zwischen divergierenden und konkurrierenden Kräften zu vermitteln, im „Volk“ für Frieden und Ausgleich zu sorgen“.
In kommunikativer Inkompetenz und politischer Tollheit wurde eine immer kleinteiligere Zersiedelung des gesellschaftlichen Zusammenhalts erzeugt. Das Synonym dafür lautet „Identitätspolitik“, die eine gewollte „Alle gegen alle“-Mentalität produziert. Es ist das aktuelle und das Zukunfts-Konzept des herrschenden linksliberalen Milieus.
Man inszeniert „olympische Wettkämpfe in der Disziplin Diskriminierung … , in denen sich einschlägig Betroffene um die Spitzenränge in der Opferhierarchie streiten.“ schreibt ein Kommentator, und „Hervorstechendes Merkmal in diesen identitätspolitischen Gefechten ist der Alleinvertretungsanspruch der eigenen Wahrheit, mit der jede gesellschaftliche Debatte im Keim erstickt werden soll“.
Die SPD liefert das Paradebeispiel für diesen Wandel. Sie hat sich von ihrer eigentlichen „Mandantschaft“ und Wählern abgewandt. Arbeiter und wirklich sozial Benachteiligte interessieren nicht mehr. Aus dem Klassenkampf des 19. und 20. Jahrhunderts hat man sich in die globalisierte Identitätspolitik begeben.
„Strukturelle Diskriminierung, struktureller Rassismus – so reden linke Machtmenschen, die mit metaphysischen Phrasen die Diskurshoheit erobern wollen“. Um neue Wählerschichten zu erschließen, beteiligt man sich aktiv an dem Bemühen, immer neue Problemgruppen zu definieren, die dann mit propagandistischer Aufmerksamkeit, Fördergeldern und durch sozialdemokratische Ministerinnen und beamtete Diskriminierungsbeauftragte bei Laune gehalten werden. Man bemüht sich um Schwule, Lesben und „Transgenderte“, die klassische Familie wird geächtet und bekämpft, wie der „alte weiße Mann“. „Schwarze Leben“ und migrantische „Benachteiligte“ haben Vorrang vor allen anderen. Mit Eingriffen in die Hochschul- und Bildungspolitik werden Bekloppte, Rechen‑, Lesen- und Rechtschreib-Schwache als förderungswürdig hochgepuscht, intelligente und geschickte Schüler und „Studierende“ im Abseits gelassen. So wie es Methode wurde, alle wirklichen Leistungsträger in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zurückzusetzen.
Die angeblich konservative Union beteiligte und beteiligt sich unter Merkels Ägide aktiv an dem Regelwerk eines gesellschaftlichen Desasters.
Allen politischen Parteien kann man inzwischen unterstellen, man möchte am liebsten Bertold Brechts rigorosem Rat folgen, das eigene Volk aufzulösen und ein anderes zu wählen, wenn in Einstimmung des von ihnen Vorgegebenen das nicht gelingt.
Wirtschaftliche Stagnation, wachsende soziale Spaltung und „progressive“, weiterhin überwiegende identitätspolitische Projekte, die den Wähler eigentlich am Allerwertesten vorbeigehen müssten, werden wohl die Politik über 2021 hinaus bestimmen. Wenn es nicht zu grundsätzlichen Einsichten und Wendungen kommt. Wenn nicht auch hier sich die Masse der Wähler dem verachteten „Rechtspopulismus“ zuwendet.
Leider vermisst man hier häufig konkrete politische Vorschläge als progressive Alternativen zum herrschenden politischen, technokratischen Status Quo, der von den Krallen der herrschenden Kamarilla festgehalten wird.
Reichen ideelle Forderungen nach Sinn und Zusammenhalt unter Berufung auf eigentlich unvergängliche Werte aus? Sowie nach Eliten, die nicht „kosmopolitisch-mobil“, sondern an einen konkreten Ort – und somit an das Schicksal normaler Menschen – gebunden sind?
Man denke darüber nach, was wird unsere Kinder und Enkel ereilen?
Sie werden diese verhältnismäßige „Tranquillität“ und Friedfertigkeit, die – cum grano salis – unsere Generation erleben durfte, nicht mehr am eigenen Leib erfahren. Ohne dies in einen absoluten Wert erheben zu wollen.
Was wird mit den so selbstverständlichen angesehenen Freiheitsrechten weiterhin geschehen?
Man denke darüber nach, wie werden wir noch oder unsere Nachfahren mit dieser gegebenen „Verfasstheit“ umgehen – umgehen können oder wollen? Artikel 20 des Grundgesetzes:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
Und besonders damit:
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Man kann nicht anders, als in eine Falle zu tappen: Was „diese Ordnung“ ist, bestimmen die Herrschenden. Wir haben es zuhauf erfahren können, die Um- oder Entwertung von verfassungsgemäß „garantierten“ Werten.
Es wird noch gefährlicher werden – auch für Leib und Leben – als schon bisher, sich dem Diktat der herrschenden Politik und deren Interpretation von unseren Grundrechten widersetzen zu wollen.
Und so habe ich mich schon mehrfach gefragt, ob nicht „der Waldgang“ – das „geistig-politische Partisanentum“ – die bessere Alternative ist, als das Eintreten für einen öffentlichen und aggressiven Widerstand; zumindest für meine Generation, die ohnehin bald abtreten wird.
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„altmod“ ist Facharzt und Blogger (http://altmod.de/) sowie seit vielen Jahren Kolumnist bei conservo
Dieser lesenswerte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com
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