Lösch­orgien und Zensur bei YouTube, Facebook oder Twitter haben bald ein Ende

Die Geschäfts­mo­delle von YouTube, Facebook und Twitter basieren darauf, Content den Dritte erstellt haben, über ihre Platt­formen zu ver­breiten und Infor­ma­tionen über ent­weder die Nach­frager oder die Anbieter oder beide zu nutzen, um ein Geschäft zu machen. Facebook sammelt Infor­ma­tionen seiner Nutzer, ver­folgt deren Ver­halten und ver­kauft dann diese Infor­ma­tionen an Wer­be­partner, die als Ergebnis auf die jewei­ligen Nutzer zuge­schnittene Werbung ver­breiten können, oder an Markt­for­schungs­un­ter­nehmen, die mit Big Data ver­suchen, ein Geschäft zu machen. Twitter hat ein ähn­liches Geschäfts­modell, das von YouTube ist etwas wer­be­las­tiger, aber auch YouTube ist ein begie­riger Daten­sammler, was kein Wunder ist, denn YouTube gehört Google.

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Obwohl Platt­formen wie YouTube, Facebook und Twitter Infor­ma­tionen über ihre Nutzer sammeln und diese Infor­ma­tionen mit Dritten teilen, werden sie nach wie vor behandelt, wie ein Strom­an­bieter. Sie genießen eine recht­liche Aus­nah­me­po­sition unter US-Gesetz, die in Section 230 des Com­mu­ni­ca­tions Decency Acts geregelt ist. Die Crux der Regelung: YouTube, Facebook und Twitter werden im Wesent­lichen behandelt wie ein Tele­fon­un­ter­nehmen, das nicht dafür haftbar gemacht werden kann, dass Nutzer seines Service sich per Telefon zu einem Bom­ben­an­schlag ver­ab­reden. Auch für YouTube, Facebook und Twitter gilt diese Regel, die sie in ihrem Bereich rechtlich als Plattform oder Forum, nicht jedoch als Ver­ant­wort­licher für den Content, der auf ihren Platt­formen ver­breitet wird, behandelt.

Nun zeichnet das US-Ame­ri­ka­nische Recht eine im Ver­gleich zu Deutschland Beson­derheit aus. Mei­nungs­freiheit gilt in den USA unein­ge­schränkt. Und weil dem so ist, kann theo­re­tisch jeder, der auf YouTube etwas ver­breitet, was von YouTube gelöscht wird, gegen YouTube klagen, weil sein Recht auf Mei­nungs­freiheit ein­ge­schränkt wurde. Eine solche Klage hätte auch mit großer Wahr­schein­lichkeit Erfolg, gäbe es nicht Section 230 c2a und c2b, die Platt­formen wie YouTube, Facebook oder Twitter von den recht­lichen Folgen dieses Ein­griffs in die Mei­nungs­freiheit frei­stellen, wenn sie Inhalte löschen, die in Section 230 c2a beschrieben sind als “obscene, lewd, lasci­vious, filthy, exces­sively violent, harassing, or otherwise objectionable”.

Auf diesem Schutz ruhen sich YouTube, Facebook und Twitter seither aus, und auf diesen Schutz ist ihr wildes Löschen und Ein­greifen in den Content, der auf ihren Por­talen ver­breitet wird, zurück­zu­führen. YouTube hat sich gerade in letzter Zeit wieder damit her­vor­getan, Channel, die es seit Jahren gegeben hat, zu löschen. Die De-Mone­ta­ri­sierung von Kanälen, die sehr erfolg­reich sind, bei denen sich YouTube nicht scheut, Werbung ohne Ende zu schalten, den daraus geschöpften Gewinn aber nicht mit dem Betreiber der Kanäle teilt, weil der Betreiber, wie YouTube heu­chelt, gegen irgend etwas ver­stoßen soll, was nach Bedarf erfunden wird, diese De-Mone­ta­ri­sierung, sie ist so all­ge­gen­wärtig wie der Shadowban auf Twitter, mit dem Twitter ver­sucht, die Ver­breitung von Inhalten zu ver­hindern, die als Hassrede oder sons­tiger Unfug ange­sehen werden.

Dass die Methoden, mit denen die drei Platt­formen gegen die vor­gehen, auf deren Rücken sie ihren Gewinn gene­rieren, poli­tische Schlag­seite haben, ist seit langem bekannt. You­Tuber, die sich gegen die poli­tische Kor­rektheit ver­gehen, haben eine fast 100%-Wahrscheinlichkeit, de-mone­ta­ri­siert zu werden. Facebook-Nutzer, die posts ver­breiten, die einem Fak­ten­checker ideo­lo­gisch auf­stoßen, sehen sich in ihrer Reich­weite beschränkt oder werden von Facebook gesperrt, tem­porär oder dau­erhaft. Und während dies vor­nehmlich Nutzer trifft, die sich nicht an der Woken-Hys­terie betei­ligen, bleiben Aufrufe zu Straf­taten oder Ver­leum­dungen Dritter von linker Seite in der Regel ohne Konsequenz.

Diese ideo­lo­gische Schieflage von YouTube, Facebook und Twitter hat den US-Prä­si­denten Donald Trump auf den Plan gerufen, und er hat eine Exe­cutive Order erlassen, die den Schutz, den YouTube, Facebook und Twitter in Section 230 Com­mu­ni­ca­tions Decency Act genießen, besei­tigen soll. Wir haben Ende Mai darüber berichtet.

Nun liegen die Aus­füh­rungs­be­stim­mungen für die neue Regelung, die die National Tele­com­mu­ni­ca­tions and Infor­mation Admi­nis­tration (NTIA) erar­beitet hat, vor und die FCC, die Federal Com­mu­ni­ca­tions Com­mission, die als aus­füh­rendes Organ für die ent­spre­chenden Gesetze fun­giert, hat den Prozess der öffent­lichen Kon­sul­tation am 3. August eröffnet. Er wird bis zum 15. Sep­tember andauern. Die Aus­füh­rungs­be­stim­mungen, die vor­nehmlich eine Klärung von Section 230 dar­stellen, basieren auf einer Reihe von Offen­kun­dig­keiten, die damit beginnen, dass seit 1996, dem Jahr, in dem der Com­mu­ni­ca­tions Decency Act ver­ab­schiedet wurde und heute, viel Zeit ver­gangen ist und die Geschäfts­mo­delle, die Platt­formen wie YouTube, Facebook oder Twitter anwenden, nicht mehr mit denen, die Unter­nehmen im Jahr 1996 ange­wendet haben, ver­gleichbar sind. Deshalb müsse der Com­mu­ni­ca­tions Decency Act in Section 230 an diese Ver­än­de­rungen ange­passt werden. Hinzu kommt, dass Unter­nehmen wie Facebook, Twitter oder Google quasi-Monopole errichtet haben, die nicht nur den Wett­bewerb erschweren, wenn nicht ver­hindern, sondern es auch neuen Wett­be­werbern sehr schwer bis weit­gehend unmöglich machen, auf dem jewei­ligen Markt ein Standbein zu ent­wi­ckeln bzw. kon­kur­rieren zu können.

Vor dem Hin­ter­grund dieses Quasi-Monopols, so schreibt die NTIA, sei es bedenklich, dass Platt­formen wie die genannten poli­tische Neu­tra­lität nicht nur ver­missen ließen, sondern aktiv gegen poli­tische Mei­nungen vor­gingen, mit denen sie nicht über­ein­stimmen: “when large powerful social media com­panies censor opi­nions with which they dis­agree, they exercise a dan­gerous power. They cease func­tioning as passive bul­letin boards and ought to be viewed and treated as content creators (7).

Platt­formen wie YouTube, Twitter oder Facebook löschen Inhalte, sie ergänzen Hin­weise, dass irgend ein daher­ge­lau­fender Fak­ten­checker meint, an dem vor­lie­genden Inhalt etwas aus­zu­setzen zu haben, sie setzen Algo­rithmen ein, die dafür sorgen, dass die Reich­weite bestimmter poli­ti­scher Mei­nungen ein­ge­schränkt werden, sie greifen in den Content ein, ver­ändern, löschen, redi­gieren und ergänzen den Content, kurz: Sie ver­halten sich wie Her­aus­geber einer ideo­lo­gisch gebun­denen Zeitung, nicht wie neu­trale Platt­formen und deshalb ver­dienen sie auch den Schutz von Section 230 nicht mehr.

Die Neu­for­mu­lierung von Section 230 Com­mu­ni­ca­tions Decency Act lässt keinen Zweifel daran, dass Prak­tiken wie Fak­ten­checker-Wurm­fort­sätze auf Facebook, die Ein­schränkung von Reich­weiten, weil Inhalte nicht poli­tisch korrekt sein sollen, oder ein “unab­hän­giger Fak­ten­checker”, wie es auf Facebook so schön ver­logen heißt, einen Inhalt auf­getan hat, der ihm ideo­lo­gisch nicht gefällt, nicht mehr unter Section 230 gedeckt sind. Die ent­schei­dende Passage, in der das “Prinzip des guten Sama­riters”, des Löschens in “Good Faith”, wie es im US-Ori­ginal heißt, neu­ge­fasst und so bestimmt wird, dass die besagten Prak­tiken her­aus­fallen, liest sich so:

“(e) “good faith”
A platform rest­ricts access to or avai­la­bility of spe­cific material (including, without limi­tation, its scope or reach) by itself, any agent, or any unre­lated party in “good faith” under 47 U.S.C. § ©(2)(A) if it:

v. rest­ricts access to or avai­la­bility of material or bars or refuses service to any person con­sistent with publicly available terms of service or use that state plainly and with par­ti­cu­larity the cri­teria the inter­active com­puter service employs in its content mode­ration prac­tices, including by any par­tially or fully auto­mated pro­cesses, and that are in effect on the date such content is first posted;

vi. has an objec­tively reasonable belief that the material falls within one of the listed cate­gories set forth in 47 U.S.C. § 230©(2)(A);

vii. does not restrict access to or avai­la­bility of material on deceptive or pre­textual grounds, and does not apply its terms of service or use to restrict access to or avai­la­bility of material that is simi­larly situated to material that the inter­active com­puter service inten­tio­nally declines to restrict; and 

viii. sup­plies the inter­active com­puter service of the material with timely notice describing with par­ti­cu­larity the inter­active com­puter service’s reasonable factual basis for the rest­riction of access and a meaningful oppor­tunity to respond, unless the inter­active com­puter service has an objec­tively reasonable belief that the content is related to cri­minal activity or such notice would risk imminent phy­sical harm to others”.

Die Musik spielt hier in den Absätzen vii und viii:

vii regelt, dass Löschungen, die auf einem Vorwand beruhen oder der “Täu­schung” der Kon­su­menten dienen (die also z.B. den Raum der poli­ti­schen Ideen falsch dar­stellen), aus­ge­schlossen sind. Was man sich hier­unter vor­zu­stellen hat, wird im nächsten Satz deutlich, denn ein Vorwand liegt dann vor, wenn Material gelöscht wird, das nicht gegen die Geschäfts­be­din­gungen der Plattform ver­stößt oder ver­gleich­bares Material NICHT gelöscht wird. Wenn also Facebook einen Post löscht, der den Besitz von Waffen pro­pa­giert, einen Post der den Besitz von Waffen ver­bieten will, aber nicht, dann ver­stößt Facebook gegen Punkt vi und der Schutz der Plattform vor Haftung für die eigene Lösch­aktion, den Section 230 bislang bereit­ge­stellt hat, ent­fällt. Jeder, der Opfer einer solchen Löschung wird, kann Facebook in den USA auf Scha­dens­ersatz verklagen.

Absatz viii schließt aus, dass Nutzer morgens ihren Com­puter ein­schalten und fest­stellen, auf YouTube, Twitter oder Facebook gesperrt zu sein. Wenn Facebook, YouTube oder Twitter in Zukunft ein Konto löschen wollen, dann müssen sie dem davon Betrof­fenen dies recht­zeitig mit­teilen, ihm die Gele­genheit geben, sich dazu zu äußern bzw. dagegen zu wehren, sofern nicht von dem Konto eine unmit­telbare Bedrohung für Leib und Leben von anderen ausgeht.

Ins­gesamt gesehen dürfte sich, wenn die Petition for Rule­making of the National Tele­com­mu­ni­ca­tions and Infor­mation Admi­nis­tration vom 27. Juli in Kraft tritt, für YouTube, Facebook und Twitter einiges massiv ändern. Mit jeder Lösch­aktion setzen sie sich dann der Gefahr aus, vor einem US-Gericht auf Scha­dens­ersatz und wegen Verstoß gegen das First Amendment der US-Con­sti­tution ver­klagt und mit hoher Wahr­schein­lichkeit ver­ur­teilt zu werden.

First Amendment
Con­gress shall make no law respecting an estab­lishment of religion, or pro­hi­biting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.

Die span­nende Frage, die sich mit dieser Neu­re­gelung von Section 230 Com­mu­ni­ca­tions Decency Act ver­bindet, wird sein, wie sich diese Neu­re­gelung mit den Ein­griffen in die Mei­nungs­freiheit ver­trägt, die in Deutschland gesetzlich fest­ge­schrieben sind, denn das deutsche Recht ist in einer Prä­misse inkom­pa­tibel mit dem US-Recht. Währen in den USA Mei­nungs­freiheit der Aus­gangs­punkt ist, und (fast) jeder Versuch (Aus­nahmen in Section 230 c2a), sie ein­zu­schränken, vor Gericht mit einer Nie­derlage dessen, der sie ein­ge­schränkt hat, endet, ist in Deutschland Mei­nungs­freiheit durch ein Recht, das zu sagen, was nicht durch Gesetz aus­ge­schlossen ist, ersetzt worden. Deshalb defi­nieren deutsche Gesetze, was nicht gesagt werden darf, während US-Gesetze defi­nieren, unter welchen Umstände jemand, der einen anderen an der Aus­übung seines Rechts auf Mei­nungs­äu­ßerung gehindert hat, straffrei bleiben kann (das sind die oben genannten sehr wenigen Umstände). Beide Rechts­tra­di­tionen sind inkom­pa­tibel. Der Kon­flikt für Facebook, YouTube und Twitter daher so vor­her­sehbar wie die Ent­scheidung, vor der sie stehen werden: Halten sie Fak­ten­che­ckern und z.B. deut­schem Recht die Stange und sehen einer Flut von Klagen vor US-Gerichten ent­gegen oder ent­scheiden Sie sich für die Mei­nungs­freiheit und ris­kieren den Kon­flikt mit den euro­päi­schen Stofftigern?

Eigentlich nicht wirklich eine offene Entscheidung.
Fak­ten­checker, das kann man fest­stellen, sind Aus­lauf­mo­delle. Die ganzen Absol­venten, die bei diversen Fak­ten­check-Pro­fi­teuren derzeit miss­braucht werden bzw. sich miss­brauchen lassen, sollten sich schleu­nigst nach einem anstän­digen Job umsehen.

ntia_petition_for_rulemaking_7.27.20


Quelle: sciencefiles.org