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Chi­ne­sische Oppo­si­tio­nelle aus HongKong erhält Asyl in Deutschland – Peking ist verärgert

Hongkong war bis zum 1. Juli 1997 bri­ti­sches Hoheits­gebiet und Kron­ko­lonie des bri­ti­schen Königs­hauses. Das Gebiet war aber für 99 Jahre gepachtet und China ver­langte die Rückgabe, was auch 1997 in einem fei­er­lichen Akt geschah. Die Men­schen in Hongkong waren weniger glücklich darüber. Viele von ihnen haben kon­ter­re­vo­lu­tionäre Fami­li­en­tra­di­tionen, denn als am 01. Oktober 1949 die Kom­mu­nisten im chi­ne­si­schen Bür­ger­krieg siegten und die Volks­re­publik China aus­riefen, flohen Hun­dert­tau­sende in die bri­tische Kron­ko­lonie und viele nicht-chi­ne­sische Firmen ver­legten eiligst ihren Sitz nach Hongkong, um vor dem Zugriff der Kom­mu­nisten in Sicherheit zu sein.

Hongkong wurde zum sicheren Hafen und Asyl für ehe­malige Auf­stän­dische des Taiping, für Kai­ser­treue, und jene Kom­mu­nisten, die nach der Ver­folgung von Chiang Kai-shek (ein Gegen­spieler Mao Zedongs) fliehen mussten. Die Hong­konger haben also eine lange Tra­dition eines sehr reser­vierten Ver­hält­nisses zu Peking.

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1997 hieß der große Vor­sit­zende in der Volks­re­publik China noch Deng Xiaoping. Er ent­wi­ckelte für den Zusam­men­schluss Hong­kongs mit der Volks­re­publik die „Ein Land – zwei Systeme“-Doktrin, die Hongkong sehr weit­ge­hende Auto­nomie zusi­cherte. Die Son­der­ver­wal­tungszone Hongkong (Special Admi­nis­trative Region (SAR)) ent­stand. Viele Hong­konger wan­derten ins Ausland aus, weil sie der Zen­tral­macht in China nicht ver­trauten. Nach den Vor­fällen vom Tian-Anmen-Platz (Platz des himm­li­schen Friedens) ver­ließen wieder viele Chi­nesen die Mega­stadt Richtung Aus­tralien und Sin­gapur. Das Miss­trauen gegen die kom­mu­nis­tische Führung ist bis heute immens.

Das hat seinen Grund. Man befürchtet, dass die Son­der­rechte der Bürger Hong­kongs immer weiter aus­ge­hebelt werden. Tat­sächlich wurde 2019 die Hong­konger Stadt­re­gierung unter Chief Exe­cutive Carrie Lam Cheng Yuet-ngor dazu gebracht, ein Aus­lie­fe­rungs­gesetz zu beschließen, das es den Hong­konger Behörden ermög­licht, in Hongkong befind­liche Per­sonen, gegen die die Volks­re­publik den Vorwurf einer Straftat erhebt, nach China aus­zu­liefern. Das war bis dahin nicht möglich. Dar­aufhin gab es heftige Demons­tra­tionen mit zwei Mil­lionen Men­schen, so dass sich die Stadt­re­gierung genötigt sah, das Gesetz „auf Eis“ zu legen.

In diesem Sommer, im Juni 2020 beschloss der Volks­kon­gress in Peking, Hongkong ein soge­nanntes „Sicher­heits­gesetz“ auf­zu­er­legen, was dem Hong­konger Grund­gesetz als Anhang hin­zu­gefügt wurde. Dieses Gesetz soll alles, was Peking als sepa­ra­tis­tisch, ter­ro­ris­tisch oder sub­versiv ein­stuft, unter Strafe stellen. Dar­unter fallen auch „heim­liche Absprachen mit Kräften aus dem Ausland“. Für diese Akti­vi­täten kann eine Haft­strafe von „lebens­länglich“ als Höchst­strafe ver­hängt werden. Der genaue Wortlaut dieses Sicher­heits­ge­setzes ist nicht ver­öf­fent­licht worden.

Der öster­rei­chische Standard schrieb:

„Der Stadt­staat sei ‚von eska­lie­render Gewalt trau­ma­ti­siert, die von Ausland ange­heizt wurde‘, sagte Lam. Sie übernahm damit die Argu­men­tation der chi­ne­si­schen Regierung, die Pro­teste für Demo­kratie im ver­gan­genen Jahr als Resultat aus­län­di­schen Ein­flusses gebrand­markt hatte. Belege für diese Behauptung gibt es kaum. Rede‑, Ver­samm­lungs- und Pres­se­freiheit würden gewahrt bleiben, behauptete Lam. Wie das mit dem Gesetz in Ein­klang zu bringen ist, das oppo­si­tio­nelle Tätigkeit als ‚sub­versive Akti­vi­täten‘ kri­mi­na­li­siert, verriet sie nicht.“

Die Partei Demo­sisto, die maß­geblich die For­de­rungen nach Demo­kratie und Freiheit in der Öffent­lichkeit vor­trägt, löste sich nach Inkraft­treten des Sicher­heits­ge­setzes auf, um eine Ver­folgung und Ver­haftung der Mit­glieder zu verhindern.

Demo­sisto teilte auf Facebook und Twitter die Auf­lösung mit:

„Nach vielen internen Bera­tungen haben wir beschlossen, uns auf­zu­lösen und unter den gege­benen Umständen alle Tätig­keiten als Gruppe ein­zu­stellen”, erklärte die Partei am Dienstag. Mit dem Sicher­heits­gesetz sei es nur ver­ständlich für Anhänger der Demo­kra­tie­be­wegung, sich um ihr Leben und ihre Sicherheit zu sorgen.“

Es gibt zwar immer noch Akti­vis­ten­gruppen in Hongkong, doch deren Tätig­keitsfeld hat sich aus den beschrie­benen Gründen zu einem großen Teil auf Bemü­hungen ver­lagert, Oppo­si­tio­nelle gegen die Regierung in Peking ins Ausland zu bringen, um ihr Leben zu schützen oder sie vor einer lebens­langen Haft­strafe zu bewahren. Die Gruppe „Haven Assis­tance“ hatte auf ihrer Face­book­seite mit­ge­teilt, dass die 22jährige Oppo­si­tio­nelle „Elaine“ nun in Deutschland offi­ziell einen Asyl­status zuer­kannt bekommen habe. „Elaine“ hatte schon Ende 2019 poli­ti­sches Asyl in Deutschland bean­tragt und war im November hierher geflohen, nachdem sie auf einer Demo in Hongkong vor­über­gehend ver­haftet worden war. Gegenüber der dpa sagte sie: „Ich bin der deut­schen Regierung dankbar, dass sie mir alles zur Ver­fügung gestellt hat, was ich brauche.“ Aus­künfte über ihren Auf­ent­haltsort gab sie nicht. Sie fügte noch hinzu, dass sie sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Familie in Hongkong mache.

Elaine erhielt ihren Asyl­be­scheid am 14. Oktober. Diese Infor­mation stammt aus der Asyl­sta­tistik des Bun­des­amtes für Migration und Flücht­linge, die der dpa vorliegt:

„Nach den Zahlen des Bun­desamts wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres ins­gesamt drei Ent­schei­dungen über Asyl­an­träge von Bürgern der ehe­ma­ligen bri­ti­schen Kolonie Hongkong getroffen. Zwei fielen negativ aus, eine wurde im Sep­tember positiv ent­schieden. Zudem könnten sich weitere Fälle von Flücht­lingen aus Hongkong in der Sta­tistik für chi­ne­sische Staats­bürger ohne Son­der­status ver­stecken. Für ganz China inklusive Hongkong wurde zwi­schen Januar und Sep­tember in ins­gesamt 61 von 416 Fällen Asyl gewährt.“

Diese Asyl­ge­währung könnte zu Span­nungen zwi­schen Deutschland und der Volks­re­publik China führen. Die Hong­konger Regierung soll nach Infor­ma­tionen den deut­schen Gene­ral­konsul in Hongong, Dieter Lamlé, zu einem Gespräch ein­be­stellt haben.

Bereits 2018 hatten zwei sehr bekannte poli­tische Akti­visten aus Hongkong in Deutschland Asyl erhalten. Einer von ihnen ist der 27-jährige Ray Wong. Er stu­diert zurzeit in Göt­tingen Politik. Schon damals for­mu­lierte die chi­ne­sische Führung in Peking ihren Protest unge­wöhnlich deutlich. Diese Aner­kennung eines Flücht­lings­status lehne die chi­ne­sische Regierung ent­schieden ab. Aus­län­dische Regie­rungen hätten sich nicht ein­zu­mi­schen in die inneren Ange­le­gen­heiten zwi­schen Hongkong und Peking. Auch der chi­ne­sische Außen­mi­nister Wang Yi hatte sich Anfang Sep­tember bei einem Besuch in Berlin jede Ein­mi­schung von außen ver­beten. Das Vor­gehen Chinas in Hongkong falle „in die Kate­gorie China-interner Angelegenheiten“.

Diese Bemerkung ent­behrt, mit Verlaub, nicht einer gewissen Komik. Ist es doch gerade das Grund­prinzip des inter­na­tional aner­kannten und in der Genfer Flücht­lings­kon­vention nie­der­ge­schrie­benen Rechtes auf Asyl, dass poli­tisch ver­folgte Per­sonen, die aus ihrem Land, in dem sie in Gefahr sind, fliehen und um Schutz und Auf­nahme in einem anderen Land bitten, wo sie sicher sind. Jedes Asyl wäre dann ja – so gesehen — eine Ein­mi­schung in die inneren Ange­le­gen­heiten des Her­kunfts­landes des Asylsuchenden.