Kürbis statt Kirche – Gedanken zu Hal­loween, Kirche und Zeitgeist

Nun stehen wir also wieder kurz vor der Gespens­ter­nacht, vor Hal­loween. Und niemand scheint mehr zu wissen, wo die Wurzeln dieses Tages liegen. Aber auch, wenn in diesem Jahr Corona einen großen Strich durch allzu offene Feiern macht, the Rummel goes on.

Ein kurzer Rückblick:

Eigentlich sollte es eine „stille Zeit sein“, die jetzt am Wochenende vor uns liegt. Wie es der Name schon sagt, wird am 1. November „Aller­hei­ligen“, der Hei­ligen,  gedacht. Man gedenkt nicht nur der (offi­ziell) hei­lig­ge­spro­chenen, sondern auch der Men­schen, von deren Hei­ligkeit nur Gott weiß. Aller­hei­ligen gehört übrigens zu den Höhe­punkten im katho­li­schen Kir­chenjahr – ebenso wie Weih­nachten oder die Kar­woche bis Oster­sonntag, was wohl fast niemand mehr weiß.

Einen Tag nach Aller­hei­ligen, am 2. November, findet der Aller­seelen-Tag statt. An Aller­seelen gedenkt man aller Toten und deren Seelen.

Wie aus Aller­hei­ligen und Aller­seelen Hal­loween wurde

Nach altem katho­li­schem Volks­glauben, der besonders in Irland ver­breitet ist, sollen am Abend vor Aller­hei­ligen die Seelen der Ver­stor­benen ins Fege­feuer auf­steigen. Dort sollen sie für kurze Zeit ver­weilen, bis sie geläutert sind und in den Himmel auf­steigen können. Man spricht auch von „All Hallows‘ Eve“ – oder eben heute in der modernen Form von Halloween.

Den Brauch und ihren Volks­glauben haben die iri­schen Aus­wan­derer mit nach Amerika genommen – genauso wie die Tra­dition, daß Kinder an Aller­seelen von Tür zu Tür gingen und um süße Kuchen oder Kekse gebeten haben.

Und damit sind wir beim heu­tigen „Hal­loween“.

Aller­dings hat sich Hal­loween mit zahl­reichen Partys und Ver­klei­dungs­wett­be­werben zu einem sehr kom­mer­zi­ellen und säku­laren Rummel ent­wi­ckelt – in diesem Jahr durch Corona wohl mit etwas „gebremsten Schaum“. Aber allein im letzten Jahr (2019) hat der Hal­loween dem Ein­zel­handel 320 Mio. € Umsatz gebracht, und auch in diesem Jahr winken schreck­ver­brei­tende Masken und Umhänge aus nahezu jedem Schau­fenster der Geschäfte!

Jeden­falls ist klar: Mit den ursprüng­lichen Wurzeln hat dieses „Fest“ heute nicht mehr viel gemein. (Rück­blick Ende)

An „Geister“ glaubten die Men­schen zu allen Zeiten, auch heute. Sie werden „beschworen“, und ihnen werden Feste gefeiert. Das gilt für die „guten Geister“. Die bösen Geister werden „aus­ge­trieben“. Und manches „geistert“ herum, bei dem man nicht weiß, ob gut oder böse. Kurz, die Geister, die wir riefen, werden wir nicht los. Ist das alles „geistfrei“, sinnfrei oder gottlos? Das mag jeder für sich selbst beant­worten. Ich bin kein Pastor.

„Holy smokie“ statt Geist Gottes – ein Superkommerz 

Doch halt! Wir sprechen zwar vom „Geist Gottes“, ersetzen aber immer mehr reli­giöse Feste durch kom­mer­zielle „Events“, die den kirch­lichen den Rang ablaufen. Und dann wundern wir uns, was es so alles gibt. Die Kirche müsse „neue kreative Ideen finden“, for­derte z. B. die Regio­nal­bi­schöfin der evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Kirche in Bayern, Susanne Breit-Keßler, im Deutsch­landfunk (30.10.14). Und Ex-Bischöfin Käßmann jammert in ihrer Kolumne in der „Bild am Sonntag“ (26.10.14), der Refor­ma­ti­onstag werde immer mehr von Hal­loween überlagert.

Kürbis statt Kirche, dunkle Geister statt Gott

Aber von der „Froh­bot­schaft des Herrn“ spricht niemand von ihnen mehr.

Da hatten die Kirchen wohl gedacht, mit eimer­weise Weih­wasser dem mit­tel­al­ter­lichen Spuk den Garaus gemacht zu haben, doch nun ziehen wir die Gespenster via Hal­loween wieder aus der Kiste. Albern – der Spuk wie auch die Reaktion der Kirchen!

Kinder und Jugend­liche würden relativ immer auf­dring­licher, legte die baye­rische Bischöfin nach. „Man wird quasi wie von Stra­ßen­räubern über­fallen.“ Sie selbst lasse sich „ungern von der Industrie ver­laden“ und feiere auch nicht Valentins- und Muttertag.

„Es ist ja wirklich ein Superkommerz!“

So einfach ist das – jeden­falls nach dem Tun­nel­blick der Frau Bischof. Daß „der Kommerz“ lediglich den Gesetzen des Marktes folgt – nämlich Angebot und Nach­frage – scheint der frommen Frau kein Gedanke wert zu sein. Statt­dessen meint sie: „Neue kreative Ideen ent­wi­ckeln (…) und den Kindern viel­leicht auch so ein paar Kekse zu schenken“. Ein Fest mit Spuk wie im Mit­tel­alter sei rückwärtsgewandt.

„Diese Welt ist so gebaut, dass wir eigentlich das Böse nach allen Kräften ver­treiben sollten und uns über­legen sollten, was ist denn eigentlich ein Mensch.“ Stolze Worte, maue Taten!

Kein attrak­tives Angebot

Ja, ver­ehrte Frau Lan­des­bi­schöfin, wo hakt´s denn? Wenn die Kirche kein attrak­tives Angebot macht – oder aber ihr viel­leicht attrak­tives Angebot nicht erklären kann – schafft der Markt eine neue Nach­frage. Und die heißt seit einigen Jahren „Hal­loween“.

Eine zunehmend säkulare Gesell­schaft schafft sich ihre Fei­ertage selbst, „vor allem mit der Betonung auf Spaß, alles muß irgendwie lustig sein, Spaß machen, fröhlich sein. (…) Die Kirche müsse den exis­ten­zi­ellen Bezug der reli­giösen Feste klarer machen. Dann kämen mehr Men­schen in die Kirche“, meint die fromme Frau Bischöfin.

Nun kommen wir der Sache schon näher. Was erleben denn die Men­schen, so sie „in die Kirchen kommen“? Wo ist da noch von einem gelebten Geist Gottes die Rede? Regiert da nicht eher der Zeit­geist? Da wird nicht mehr gepredigt, wie schön Gottes Schöpfung ist. Da ist nicht mehr von Glück und Freude die Rede, schon gar nicht von Frohsinn. Da ist nicht von Liebe (auch zu sich selbst) die Rede, sondern von Selbsthaß – bei den Pro­tes­tanten fast zum Kult erhoben.

Da wird nicht gepredigt, da wird indok­tri­niert, da wird der Gen­derwahn zur Kult­figur, der Zeit­geist zum bes­seren Gott. „Die Welt ist schlecht, und der Kapi­ta­lismus ist schuld daran.“

Keine Welt des Staunens

Diese „neue christ­liche Bot­schaft“ zieht sich durch die evan­ge­lische genauso wie durch die katho­lische Kirche. Der Femi­nismus hat sein neues Reich gefunden, ein sehr irdisches.

Wenn Papst Franz Armut gera­dewegs zu einer Tugend überhöht, braucht er sich nicht zu wundern, daß kri­tische Men­schen dies nicht gerade als Berei­cherung ihres Lebens­sinnes emp­finden. Können wir uns nicht mehr freuen (dürfen)?

Es werden nicht mehr Geschichten aus der Bibel vor­ge­tragen, keine Gleich­nisse mehr erzählt und erklärt – wenn, dann sucht man nur die Bibel­stellen, die das poli­tisch Unkor­rekte, das Schlechte schlechthin, an den Mann und an die Frau bringen können.

Das jedoch bindet keine Gläu­bigen, das fas­zi­niert keine Kinder. Kinder suchen eine Welt des Staunens, des Lernens, des sich langsam Öffnens. In der Kirche heute erfahren sie keine „Froh­bot­schaft“, sondern das, was den Gut­men­schen das Sod­brennen ins Gesicht brennt.

Für die christ­lichen Kirchen ist der Hal­loween-Spuk kein Spaß. Sie fürchten um ihre beiden Fei­ertage, den evan­ge­li­schen Refor­ma­ti­onstag und das katho­lische Hochfest Aller­hei­ligen. Sind das Feste der Trauer oder der Freude? Luther war ein fröh­licher Mensch, der den Herrgott liebte, aber auch das Leben in all seinen Facetten – Wein, Weib und gutes Essen. Und die Hei­ligen waren auch nicht nur heilig, sondern Men­schen von Fleisch und Blut, viele von ihnen den irdi­schen Genüssen nicht abhold.

Überall Kata­strophen-Sze­narien

Wir aber erleben heute all­überall den erho­benen Zei­ge­finger. Überall droht Ungemach, drohen Kata­strophen aller Art. Ist die Eine nicht ein­ge­treten, steht die Nächste schon bereit. Diese Welt wird doch wohl klein­zu­kriegen sein! Zumindest kann man sie kleinreden.

Die Apo­ka­lypse ist nur noch eine Frage der Zeit, ver­künden sie – bei Corona gerade erst wieder mit „Wonne“ insze­niert. Wie soll da Freude aufkommen?

Wo ist der Anreiz dafür, in die Kirche zu gehen? Ist es nicht viel lus­tiger, in bunten Kla­motten allerlei Scha­bernack zu treiben? Dank geschickter Mar­ke­ting­stra­tegien hat sich der vor allem in den USA populäre Brauch innerhalb weniger Jahre auch hier­zu­lande eta­bliert. Kostüme, Masken und jede Menge Deko, ein gigan­ti­sches Geschäft für viele Branchen! Und auch die Kür­bis­bauern ver­dienen kräftig mit.

Martin Luther muß es geahnt haben. Ihm schreibt man eine weise Erkenntnis zu: „Aus einem ver­zagten Hintern kommt kein fröh­licher Furz!“ Die Kirchen haben vor lauter Fixiertsein auf den Zeit­geist ver­gessen, die Men­schen mit­zu­nehmen. Die Kirche darf aber aus ihrem recht ver­stan­denen Selbst­ver­ständnis heraus keine Kirche der Gut­men­schen sein, sondern der Men­schen aller Art, gerade auch der Sünder. Und hat nicht Jesus gesagt, ihm sei ein reuiger Sünder lieber? Ich kann die „Worte zum Sonntag“, die all­mor­gendlich Gewis­sensnöte ver­brei­tenden „Gedanken in den Tag“ und ähn­liche „Froh­bot­schaften“ nicht mehr hören.

Wenn Men­schen Tag und Nacht dafür anstehen, den neu­esten Harry Potter zu erstehen, muß was an der kirch­lichen Bot­schaft fehlen. Kein Wunder, daß im Mut­terland der Refor­mation, wo Welt­ge­schichte geschrieben wurde, Men­schen über­haupt nicht mehr wissen, was da geschehen ist vor fast 500 Jahren. Alle diese fröm­melnden Gut­men­schen treiben die Men­schen eher aus den Kirchen, als sie hin­ein­ziehen könnten.

Mora­lin­saure „Ver­kün­digung“

Es ist billig, nun der Wer­be­industrie und einem raf­fi­niertem Mar­keting die Schuld an dem neuen Kar­neval in die Schuhe zu schieben. Da wird ganz einfach Ursache und Wirkung ver­wechselt. Hal­loween ist vor diesem Hin­ter­grund auch Aus­druck einer Spaß­ge­sell­schaft, die das Nach­denken ver­lernt hat. Die Kar­ne­va­li­sierung der Gesell­schaft schreitet voran. Auch vor diesem Hin­ter­grund ist die mora­lin­saure „Ver­kün­digung“ (ins­be­sondere der pro­tes­tan­ti­schen) Kirchen eine der Ursachen dafür. Die Men­schen weichen den ernsten Fragen des Lebens aus, auch weil man ihnen in den Got­tes­häusern keine Ant­worten mehr gibt, sondern lieber Vor­würfe erhebt.

Kurz, der Refor­ma­ti­onstag und andere christ­liche Fei­ertage sind ganz einfach zu kopf­lastig und zu indok­tri­nierend für die Men­schen. Freudige Emo­tionen werden damit nicht geweckt.

Eine Chance erhalten die Kirchen erst, wenn sie den Gläu­bigen (erst recht den abge­fal­lenen) nicht nur Büßer­haltung ver­mittelt, sondern auch die Ein­stellung, daß Men­schen mit Herzen, Mund und Händen, mit allen Sinnen ihren Glauben leben können – und nicht nur mit dem Kopf. Viel­leicht haben Sie über die kom­menden Tage ein wenig Zeit, inne­zu­halten und ein wenig nach­zu­sinnen, ob uns nicht der Sinn nach (Lebens-)Freude abhan­den­ge­kommen ist.

Ich wünsche Ihnen gerade deshalb eine frohe Woche.

Peter Helmes


Dieser lesens­werte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com