„Vier Fäuste für ein Halleluja“ – was haben wir gelacht. Bei „Five Eyes für eine Total-Ausspionierung, da vergeht einem das Lachen. Die „Five Eyes“ sind eine Allianz der Geheimdienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands. Dieser „Club der Geheimdienste“ arbeitet eng zusammen beim Austausch von Daten und nachrichtendienstlichen Informationen und dürfte das leistungsfähigste, globale Spionagenetzwerk sein. Jetzt streckt es seine Finger noch weiter aus und will kompletten Zugriff auf What‘sApp und andere bisher verschlüsselte Messengerdienste.
Dieser Spionageverbund existiert seit dem zweiten Weltkrieg. Anfangs waren es nur die USA und Großbritannien. Mittlerweile sind es die fünf oben erwähnten, und es werden wohl in Kürze mit Indien und Japan noch mehr werden. Deutschland ist kein Teil dieses elitären Clubs, gehört aber, wie auch andere europäische und asiatische Staaten, zu den „tertiären Partnern“ hinter den sekundären Partnern, wie Australien, Neuseeland und Kanada.
Sie alle zapfen schon lange weltweit die Kommunikationskanäle an. Allen voran das Internet, klinken sich da in Diskussionsforen ein, die ihnen interessant erscheinen, durchsuchen Facebook & Co. nach Daten und filtern die Inhalte nach Suchbegriffen und Verknüpfungen.
Da haben wir gerade das unglaubliche Possentheater mit der DSGVO hinter uns gebracht, wo vom kleinsten Häkelkränzchen bis zum Hintertupfinger Brauchtums- und Schützenverein jeder fürchten musste, bei den kleinsten, unbewussten Verstößen schon ruinöse Strafen zu riskieren – und jetzt sind persönliche Daten auf einmal keinen Pfifferling mehr wert? Überall auf der Welt werden die Bürger immer mehr reglementiert, überwacht, durch Strafen diszipliniert und zensiert. Man muss furchtbar aufpassen, welche Witze noch erlaubt sind. Muss man jetzt auch noch fürchten, dass die harmlosen What‘sApp-Scherzchen, die im Familien- und Freundeskreis kursieren, zu Strafanzeigen wegen irgendeiner konstruierten „Hassrede“ oder „Falschinformationen bei Corona“ führen?
Aber nein! Da wollen uns die globalen Spionagedienste gleich beruhigen:
„In einer Erklärung betonen die Five-Eyes-Mitgliedsstaaten USA, Vereinigtes Königreich, Australien, Kanada und Neuseeland zwar, wie wichtig der Schutz der Privatsphäre im Internet sei. Zugleich verweisen sie darauf, dass dies nicht dazu führen dürfe, dass illegale Aktivitäten im Netz stattfinden. Daher fordern sie, Zugang zu Messenger-Diensten wie WhatsApp und Facebook zu erhalten. Diese – wie auch andere – Messenger-Dienste verwenden für die Kommunikation zwischen den Gesprächspartnern eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Das macht ein ‚Lauschen‘ von außen für Sicherheitsbehörden und Geheimdienste schwierig.“
Bisher hatte sich der EU-Ministerrat ja sehr bedeckt gehalten, ob uns die Totalausspionierung ins Haus steht. Ein geleaktes Dokument aus dem Ministerrat offenbart aber, dass dieser schon bis zur Halskrause im Sack der „five Eyes“ steckt. Die Europol unterstützt dabei den Vorstoß des britischen Geheimdienstes GCHQ (Government Communications Headquarters), die von den Messengerdiensten benutzte Ende-zu-Ende (E2E) Verschlüsselung mit „Nachschlüsseln“ oder „Generalschlüsseln“ aufzumachen und ungehindert Einsicht in jede Kommunikation zu erhalten.
Die Sache geht bereits Ihren Gang. Der EU-Ministerrat hat die Spionage schon abgenickt und sich gegen den Schutz einer sicheren Verschlüsselung der Kommunikation ausgesprochen. Wie immer werden Lippenbekenntnisse abgegeben, um die Menschen irgendwie zu beruhigen – wenn die denn überhaupt mitbekommen, was ihnen da gerade wieder zugemutet wird. Auf Seite 1 des Dokuments lesen wir unter Punkt 1:
- We continue to support strong encryption. Encryption is an anchor of confidence in digitalisation and protection of fundamental rights and should be promoted and developed. …
Übersetzung:
(„Wir unterstützen starke Verschlüsselung auch weiterhin, Verschlüsselung ist ein Anker des Vertrauens in die Digitalisierung und der Schutz der Grundrechte und sollte gefördert und entwickelt werden. …“)
Aber nur, um gleich in der nächsten Zeile festzustellen, dass man aber gleichzeitig zur Kenntnis nehmen müsse, dass die Nutzung und der Missbrauch der digitalen Umgebung durch Kriminelle erfordere, dass die vielseitigen Werkzeuge, die zur Sicherung der Privatheit der Kommunikation und der Daten der Bürger geschaffen wurden, immer mehr für kriminelle Zwecke eingesetzt werden. Und dass es die gemeinsame Verantwortung sei, eine Balance zwischen diesen wichtigen, öffentlichen Interessen zu finden. Und diese Balance wird, so sieht es jetzt aus, darin bestehen, dass der globale Spionageclub der „five Eyes“ bei schlichtweg allem mitlesen und mithören kann.
Am 2. Dezember wurden noch die EU-Justizminister mit einbezogen, am heutigen 14. Dezember sollen die EU-Innenminister die umstrittene Resolution formell beschließen. Und wieder wird eimerweise Sand in die Augen gestreut: Diese Resolution sei ja nicht bindend, wiegelt der Anti-Terror-Beauftragte der EU, Gilles de Kerchove ab. Und setzt hinzu, das sei aber doch ein „wichtiger, erster Schritt“. Ach ja? Es ist nicht bindend, aber ein erster Schritt? Wohin denn? Das heißt doch im Klartext, das ist noch gar nichts, da kommt noch viel mehr.
Und das wird auch so sein. Das hier ist der erste Akt hin zu einer Verpflichtung für alle Plattformen innerhalb der EU, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit einem „Generalschlüssel“ für die Geheimdienste zur Farce zu machen. Und zwar nach dem Muster, dass der britische Geheimdienst auch vorgeschlagen hat. Das geleakte EU-Rats-Dokument stellt auf Seite 2 unter Punkt 6) des Dokumentes mit der Überschrift „Recommendations for a way forward on the topic of encryption“ (Empfehlungen für die nächsten Schritte zum Thema Verschlüsselung) fest:
„We are determined to maintain a close exchange with the initiators of the “International Statement: End-to-End Encryption and Public Safety” (UK, USA, Australia, New Zealand, Canada, India, Japan) and other relevant international actors in order to balance the different interests carefully. We need to establish and keep an ongoing dialogue especially with the UK in that matter.“
Übersetzung:
(„Wir sind fest entschlossen, im engen Austausch mit den Initiatoren des Papiers ‚Internationale Resolution: Ende-zu-Ende Verschlüsselung und öffentliche Sicherheit‘ (Großbritannien, USA, Australien, Neuseeland, Kanada, Indien, Japan) und anderen relevanten internationalen Akteuren zu bleiben, um die verschiedenen Interessen sorgfältig in Einklang zu bringen. Wir müssen einen ständigen Dialog insbesondere mit dem Vereinigten Königreich in dieser Angelegenheit aufnehmen und führen.“)
Und da sind sie eben, die Five Eyes und deren neueste Clubmitglieder, vor denen uns Edward Snowden schon lange warnte. Das Vereinigte Königreich, also Großbritannien, ist deshalb so wichtig, weil das Generalschlüssel-Konzept eben dort konzipiert wurde. Schönfärberisch heißt es dort „Exceptional Access“ (ausnahmsweiser Zugang), wobei jetzt schon klar ist, dass das die Regel und keine Ausnahme sein wird. Und nicht nur die Geheimdienste, sondern auch die Strafverfolgungsbehörden der EU werden regen Gebrauch davon machen. Das Konzept sieht überdies verschiedene Stufen der Zugriffsmöglichkeiten für die Dienste und Strafverfolger vor. Unter dem Generalschlüssel (wahrscheinlich für die Geheimdienste des elitären Fünf-Augen-Clubs) soll es noch diverse „Derivate“ mit verminderten Kompetenzen und Spionagemöglichkeiten für die weniger Privilegierten im Club geben.
Man staunt immer wieder über die raffinierte Schönsprech-Wortgewandtheit, die es irgendwie schafft, die Attacken auf die Rechte der Bürger positiv auszudrücken. Unter dem nächsten Punkt, Nummer drei auf Seite zwei ist wieder ein Bravourstück Orwellscher Formulierungskunst zu bewundern, eine Perle der gepflegten Bürgerverarsche:
„Wir sind uns des Dilemmas bewusst und entschlossen, Wege zu finden, dass wir keinen von beiden beeinträchtigen (gemeint ist hier zum Einen das öffentliche Interesse der Privatheit der Kommunikation und der Daten der Bürger und zum Anderen das Interesse der Behörden und Geheimdienste, Straftaten aufzudecken), indem wir das Prinzip der Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung hochhalten.“
Diese kommenden Aushorch-Orgien und das Wegfegen jeden Schutzes privater Kommunikation als „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“ zu beschreiben ist hohe Dichtkunst plus Desinformation.
Es gibt nur einen Haken: Die E2E-Verschlüsselung geschieht beim Provider des Messengers oder der Kommunikationsplattform. Es muss also der anbietende Plattformbetreiber selbst den Generalschlüssel herausrücken, damit die Fives Eyes auch gucken können. Das bedeutet, dass alle in der EU (und den zu den Five Eyes & Co. gehörigen Ländern) ansässigen Anbieter diesen Schlüssel auch herausgeben werden. Für Anbieter außerhalb der EU, die nicht eng mit der EU kooperieren, gilt das nicht. Russland beispielsweise wird es nicht tun. Wir können also davon ausgehen, dass in der nächsten Zeit, eine große Abwanderung der User zu dem russischen Messenger „Telegram“ erfolgen wird, der ein Ableger von „vkontakte“ des russischen Equivalents zu Facebook ist. Alternativ und zum Surfen im Internet sollte man sich nach einem gute VPN-Dienst umsehen, dessen Server nicht in Europa oder einem Land der „five Eyes“ und deren Partnern angesiedelt ist.
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