wikimedia commons, Stefan Kühn, Bildlizenz: CC BY-SA 3.0

KFZ-Kenn­zei­chen­er­fassung wird kommen – der nächste Schritt in den Überwachungsstaat

Wer das Buch „Covid-19 – Der große Umbruch“ von Klaus Schwab und Thierry Mal­leret liest, der wundert sich anschließend über nichts mehr. Die fast schon schwär­me­rische Beschreibung   wun­der­baren Mög­lich­keiten der digi­ta­li­sierten Welt­ge­sell­schaft zeigt hinter der Schön­sprech-Fassade, welche end­losen Mög­lich­keiten diese Welt den Mäch­tigen zur lücken­losen Über­wa­chung schenkt. Die nächsten Schritte werden gerade vom Kabinett abge­nickt und werden sicher auch Bun­desrat und Bun­destag passieren.

Natürlich findet das Ganze unter treu­her­zigen Beteue­rungen statt, dass dies Mög­lich­keiten nur bei „Straf­taten von erheb­licher Bedeutung“ ein­ge­setzt werden dürfen. Nur ist das zum Ersten ein schwam­miger Begriff und damit Inter­pre­ta­ti­ons­sache, zum Zweiten gibt es keine Sicherheit und keine Über­prü­fungs­mög­lichkeit für den Bürger, dass diese neuen Befug­nisse nicht auch sehr weit aus­gelegt werden. Wenn da irgendwer viel­leicht doch irgendwie irgendwas mit dem Umfeld der „Straftat von erheb­licher Bedeutung“ zu tun haben könnte – reicht das dann auch als recht­liche Grundlage aus? Und alles hat mit allem irgendwie zu tun.

Der geplante § 163g STPO (Straf­pro­zess­ordnung) ermög­licht dem Zoll, der Polizei und anderen Fahn­dungs­be­hörden, „örtlich begrenzt im öffent­lichen Ver­kehrsraum“ Kenn­zeichen, Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrt­richtung „von Kraft­fahr­zeuge auto­ma­tisch“ durch den Einsatz tech­ni­scher Mittel zu erheben. Und zwar ohne das Wissen der betrof­fenen Per­sonen. Die gewon­nenen Daten werden mit den Kenn­zeichen der Beschul­digten – oder deren Kon­takten — ver­glichen. Vor­aus­setzung ist, dass „zurei­chende, tat­säch­liche Anhalts­punkte dafür vor­liegen, dass eine Straftat von erheb­licher Bedeutung begangen worden ist“. Das Erfassen der Num­mern­schilder und dessen Abgleich muss überdies „zur Ermittlung der Iden­tität oder des Auf­ent­haltsorts des Beschul­digten führen“ können.

Sollte diese KFZ-Kenn­zei­chen­er­fassung keinen „Treffer“ erbringen, müssen die erho­benen Infor­ma­tionen „sofort und spu­renlos“ gelöscht werden.

Die Hürden für eine solche Maß­nahme sind nicht hoch. Berechtigt für eine Anordnung sind der Staats­anwalt oder die Ermittler, sogar eine münd­liche Anweisung gilt. Es braucht keinen Rich­ter­be­schluss dazu. Die Polizei kann sich theo­re­tisch spontan selbst zu diesem schweren Ein­griff in die per­sön­liche Pri­vat­sphäre unzäh­liger Men­schen berech­tigen. „Das steht in keinem Ver­hältnis zur Schwere des Ein­griffs in die Grund­rechte durch Kenn­zei­chen­er­fassung”, sagt Frank Rosengart vom Chaos Com­puter Club. „Am Bei­spiel Bran­denburg sehen wir, dass trotz strenger gesetz­licher Vor­gaben die poli­zei­liche Praxis völlig aus dem Ruder gelaufen ist.“

Im Bun­desland Bran­denburg wurde über viele Jahre eine grund­rechts­widrige Vor­rats­da­ten­spei­cherung von anlasslos auf­ge­zeich­neten Daten betrieben.

Aber wer garan­tiert, dass der „Beifang“ nicht doch aus­ge­wertet wird? Das ist nicht über­in­ter­pre­tiert. Bekann­ter­maßen hat die baye­rische Polizei seit 2018 einige Male Num­mern­schilder auf Auto­bahnen gescannt und auf Vorrat gespei­chert. Dabei ist noch nicht einmal ein kon­kretes Kenn­zeichen gesucht worden. Stun­denlang wurden Tau­sende von Fahr­zeugen erfasst und bis heute auf Vorrat gespei­chert. Ob sie ver­wertet wurden und wenn ja, nach welchen Such­kri­terien ist nicht bekannt.

Es gibt zwar den §100 h StPO, der besagt, dass „auch ohne Wissen der betrof­fenen Per­sonen außerhalb von Woh­nungen Bild­auf­nahmen her­ge­stellt werden dürfen“, um den Auf­ent­haltsort eines Ver­däch­tigen oder Beschul­digten zu ermitteln. Eine Erlaubnis, Kenn­zeichen zu erfassen und mit Daten­banken abzu­gleichen ist das nicht.

Dass die poli­zeilich erho­benen Daten selbst da nicht sicher sind, zeigen erfolg­reiche Hacks in den USA. Dort wurden solche Scan­ner­ka­meras ein­ge­setzt, die Über­tragung aus den Kameras ins Internet zu den Behörden gehackt. Kri­mi­nelle könnten so her­aus­finden, wer ent­fernt von seinem Haus unterwegs ist, um ein­zu­brechen. In den USA wurden Pro­mi­nente belästigt, deren Kenn­zeichen den Hackern bekannt wurden.

Der­selbe Para­graph 100 StPO bietet unter Buch­stabe b auch die Rechts­grundlage für den soge­nannten „großen Lausch­an­griff“ des Staates. Der jetzige Gesetz­entwurf soll auch für diesen Absatz „gering­fügig aus­ge­dehnt“ werden, um den „Bedürf­nissen der Praxis“ gerecht zu werden. Er soll jetzt auch für Ermitt­lungen im Umfeld des Men­schen­handels und gewerbs­mä­ßigen Com­pu­ter­betrug und bei Inter­net­handel mit psy­cho­ak­tiven Stoffen oder Steu­er­hin­ter­ziehung ange­wendet werden.

Besonders inter­essant dabei ist, dass dabei die „Elek­tro­ni­schen Beweis­mittel“, also E‑Mail-Vor­rats­speicher, Cloud-Daten und Chat­ver­läufe oder Nut­zer­konten sozialer Netz­werke der Pro­vider aus­ge­lesen und beschlag­nahmt werden dürfen. Dabei dürfen die Ermittler das Ganze im Geheimen durch­ziehen, ohne dass die Ziel­person das weiß, § 95a StPO macht‘s möglich, die Daten zu durch­suchen und zu beschlag­nahmen, auch wenn sich der betref­fende Rechner oder Daten­träger im „Gewahrsam einer unver­däch­tigen Person befindet“. Eine offene Beschlag­nahmung, so die Begründung, berge die Gefahr, dass die Ver­däch­tigen gewarnt würden und dadurch der Ermitt­lungs­erfolg ver­eitelt wird.

Das bedeutet ja nichts anderes, als dass auch und gerade die unver­däch­tigen Per­sonen nicht darüber infor­miert werden, dass ihre Daten aus­ge­späht werden oder wurden.