Der Kampf um Nawalny, die Ener­gie­un­ab­hän­gigkeit der EU und die CIA: Wessen Job macht Nawalny?

Die Wahr­nehmung des Herrn Alexej Nawalny könnte kaum unter­schied­licher sein als „im Westen“ und Russland. Hier im Westen wird der Oppo­si­ti­ons­po­li­tiker als unter­drückter Frei­heitsheld und der eigent­liche „Prä­sident der Herzen“ gefeiert, der von den fins­teren Mächten des Kreml unter­drückt wird und einen Mord­versuch nach dem anderen aus dem „Reich des bösen Zaren Putin“ überlebt. In Russland dümpelt seine Beliebt­heitsrate im ein­stel­ligen Pro­zent­be­reich. Im März ist Wahl in Russland und niemand bezweifelt, dass die Russen Ihren Prä­si­denten Putin wieder wählen. Und doch wird ein Rie­sen­rummel um die Figur Nawalny gemacht, bis hin zu diplo­ma­ti­schen Eklats. Warum? 

Im „Abwechselnd-vor‘s‑Schienbein-Treten-Spiel“, ins­be­sondere zwi­schen Deutschland und Russland, ist ein deut­scher Diplomat aus Russland aus­ge­wiesen worden. Und Ätsch! Folgte die Aus­weisung eines rus­si­schen Diplo­maten aus Deutschland. Bravo. Und Deutschland erklärt auch noch, dies sei die Reaktion darauf, dass Moskau letzten Freitag den Leiter der poli­ti­schen Abteilung der Deut­schen Bot­schaft in Moskau und zwei Diplo­maten aus Polen und Schweden aus­ge­wiesen habe. Natürlich unter Hin­zu­fügung, die Ent­scheidung Russ­lands sei „in keiner Weise gerecht­fertigt“ gewesen. Und selbst­ver­ständlich ver­wiesen auch Schweden und Polen dann im Gegenzug rus­sische Diplo­maten des Landes. Damit ist dem Frieden auf der Welt sicherlich gedient.

Die EU ver­grätzt den großen Nachbarn Russland so gut es geht

Jetzt kommt auch noch der EU-Außen­be­auf­tragte Joseph Borell und ist „tief besorgt“. Aber nicht darüber, dass die EU in klein­kind­hafter Ätschi­bätschi-Weise beim Diplo­ma­ten­kegeln mit­halten will, sondern darüber, dass „Russland sich fort­schreitend von Europa abkoppelt und demo­kra­tische Werte als exis­ten­zielle Bedrohung betrachtet“, sagt Herr Borell. Und er fügte hinzu: Der Fall des Oppo­si­ti­ons­po­li­tikers Andrej Nawalny habe „während seines Aus­tau­sches mit Lawrow zu einem hohen Maß an Spannung geführt“.

Die FAZ schreibt dazu:

„Die Russland-Politik der EU steht unter diesen Umständen vor einem Scher­ben­haufen. Die Union hatte sich immerhin eine selektive Zusam­men­arbeit mit Moskau vor­ge­nommen. Borrell war nach Russland gefahren, um das Potential dafür zu erkunden, und hatte dies auch in seiner Pres­se­kon­ferenz mit Lawrow her­aus­ge­stellt. Nun brachte der Außen­be­auf­tragte unter Verweis auf das Treffen der EU-Außen­mi­nister am 22. Februar in seinem Beitrag auch weitere Sank­tionen wegen der Ver­ur­teilung Nawalnyjs ins Gespräch.“

Der Westen und damit die EU kommt immer wieder mit neuen Sank­tionen. Egal, wieviel Geduld Russland zeigt, egal, wie höflich Russland immer noch von seinen „west­lichen Partnern“ sprach: Es gab immer nur Dresche für Russland und Prä­sident Putin. Putin, der Autokrat, der Demo­kra­tie­feind, der Flug­zeug­ab­schießer, der Nawalny-Unter­drücker, der Böse.

Einer der größten, klügsten und geschick­testen Staats­männer, die Deutschland je hatte, war Bis­marck, genauer: Otto Eduard Leopold von Bis­marck-Schön­hausen, ab 1865 Graf von Bis­marck-Schön­hausen, ab 1871 Fürst von Bis­marck, ab 1890 auch Herzog zu Lau­enburg. Unver­gessen seine Leit­linie in der Außen­po­litik: „Friede mit den Nachbarn, namentlich mit Russland!“

Und immer wieder dreht es sich um diesen Alexej Nawalny

Alexej Nawalny — wer ist das über­haupt? Warum ist der so wichtig? Immerhin wies der  Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow darauf hin, dass die von Russland vor­ge­nom­menen Aus­wei­sungen eine Antwort darauf waren, was „einige aus­län­dische Ver­tre­tungen in Moskau vor dem Hin­ter­grund der wider­recht­lichen Unruhen unter­nommen haben. Die rus­sische Seite hat gezeigt, dass sie nicht vorhat, derlei zu dulden.“ Russland sei gegen die Ein­mi­schung in die gegen­sei­tigen Inter­essen und die Anwendung dop­pelter Stan­dards. „Auf diesem Feld werden wir sehr ent­schieden handeln.“

Die Deutsche Welle meldet hierzu:

„Nawalny-Pro­teste: ‚Russland ohne Putin!‘ In ganz Russland haben Men­schen gegen die erwartete Wie­derwahl von Prä­sident Wla­dimir Putin demons­triert. Den bekannten Kreml­kri­tiker Alexej Nawalny nahm die Polizei vor­über­gehend wieder fest.“

In dem Artikel wird so getan, als würde der böse Putin mit allen Mitteln ver­hindern wollen, dass der über alles vom Volk geliebte Alexej Nawalny von einer Rie­sen­masse Bürger gewählt werden würde, wenn sie nur dürften:

„Ein starker Prä­sident würde freie Wahlen nicht fürchten, sagt eine 14-Jährige, die mit ihrer Freundin zu der Demons­tration gekommen ist: ‚Ich will, dass es in unserem Land ehrlich und recht­mäßig zugeht.‘ Der Kreml ver­biete den Men­schen, für den Kan­di­daten zu stimmen, für den viele Men­schen stimmen wollten. Damit meint sie Alexej Nawalny, der eigentlich die Demons­tration anführen wollte. Doch kurz nachdem er sein Haus in Moskau ver­lassen hat, nahm ihn die Polizei in einer Blitz­aktion auf der Straße fest. Als die Demons­tranten auf dem Puschkin-Platz dies erfahren, werden sie noch wütender, beschimpfen Prä­sident Putin. Einer der vielen ist ein Mann, der Putin einen Kri­mi­nellen nennt, der Russland mit seinen Freunden vom Geheim­dienst regiere. Die Men­schen um ihn herum nicken aner­kennend. Bis jemand lauft ruft: ‚Zabas­tovka‘, was so viel bedeutet wie ‚Streik‘, ‚Protest‘, ‚Wahl­boykott‘.

Nawalny wurde nach wenigen Stunden wieder frei­ge­lassen. Anklage sei nicht erhoben worden, sagte seine Anwältin.“

Alexej Nawalny hat in mehr als 25 Städten Wahl­kampf­zen­tralen ein­ge­richtet. Die werden jetzt, da er wegen seiner Vor­strafen nicht Prä­sident werden kann – was rechtlich schon immer so war — dazu benutzt, um einen „Wäh­ler­streik“ aus­zu­rufen. Nawalny ruft in einem Video auf, dass, weil er den Wäh­ler­streik ausruft, auch dem­zu­folge die gesamte Prä­si­dent­schaftswahl „ille­gitim“ sein würde und damit auch der Prä­sident, der in der ille­gi­timen Wahl gewählt werden würde. So mancher Russe dürfte erstaunt sein, dass sich Herr Nawalny kraft eigener Macht­voll­kom­menheit zum obersten Ver­fas­sungs­organ empor­ge­schwungen hat. Wie zum Teufel kommt jemand wie Herr Nawalny auf das schmale Brett, dass er eine Wahl für ille­gitim erklären kann?

Und die west­lichen Medien finden es groß­artig. Man stelle sich vor, Michael Ballhaus von „Querdenken711“ würde eine solche Kam­pagne gegen die Bun­des­tagswahl im November machen, überall Wahl­boy­kott­büros in den großen Städten ein­richten und die kom­mende Wahl für ille­gitim erklären?

Dabei konnte „Querdenken711“ einige Hun­dert­tausend — Insider sprechen von einer Million — Leute in Berlin mobi­li­sieren. Alexej Nawalny bringt nur ein paar Tausend Leute auf Demos zusammen. Das wird in der West­presse als legi­timer Volks­auf­stand gefeiert. Eine fried­liche Demo Hun­dert­tau­sender für die Grund­rechte der Bürger wird in diesem, unseren ach-so-demo­kra­ti­schen Lande, als „Covidioten“, „Rechte“, „Reichs­bürger“ und „Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker“ nie­der­ge­schrieben von der­selben Presse, die Nawalnys Klein­demos ver­herr­lichen. Auch auf den Quer­denken-Demos wurde durch die deutsche Polizei fröhlich ver­haftet, weg­ge­zerrt und zusam­men­ge­prügelt. Ein Gericht musste das unge­setz­liche Demo­verbot der Regierung im letzten Moment kippen. Wo ist das Grund­gesetz und Demo­kratie? Aber eine Ver­haftung Nawalnys ist eine Schikane des abgrundtief bösen Putin.

Das sind die Dop­pel­stan­dards, die der rus­sische Außen­mi­nister Lawrow meint. Das Abfeiern von Alexej Nawalny in der West­presse ist auf dem Hin­ter­grund, dass er in Russland fast über­haupt keine Zustimmung und Rückhalt erfährt, kaum nach­voll­ziehbar. Dort kann er bekann­ter­maßen nicht mehr als zwei Prozent der Wäh­ler­stimmen gewinnen.
Das hat seinen Grund.

Wer ist Alexej Nawalny?

Die Seite World Socialist Web Site schreibt über Herrn Alexej Nawalny:

Nawalny wurde 1976 geboren. Sein Vater war Offizier in der Roten Armee, seine Mutter Par­tei­mit­glied und Öko­nomin. (…) Für die große Mehrheit der rus­si­schen Bevöl­kerung war dieses Jahr­zehnt ein trau­ma­ti­sches; für eine kleine Min­derheit jedoch war es ein Jahr­zehnt scham­loser Berei­cherung. (…) Nawalnys Familie betei­ligte sich nach Kräften an diesem ver­bre­che­ri­schen Kampf der ehemals sta­li­nis­ti­schen Elite um Reichtum und Ein­fluss. (…) Nawalny wech­selte nach kurzer Zeit von der Justiz- in die Finanz­branche und begann eine Kar­riere als Banker.

Die gleiche Hyper­in­flation, die einigen wenigen Kri­mi­nellen ihre Profite garan­tierte, stürzte gleich­zeitig am unteren Ende der Gesell­schaft Mil­lionen Men­schen in extreme Armut. Arbeiter erhielten oft mona­telang keinen Lohn. Vor dem Hin­ter­grund dieser kata­stro­phalen Umge­staltung der Gesell­schaft ent­wi­ckelte der junge Nawalny einen faschis­ti­schen, sozi­al­dar­wi­nis­ti­schen Hass auf die Arbei­ter­klasse. Später erklärte er in einem Interview: „Ich wollte eine Markt­wirt­schaft der übelsten Art: nur die Stärksten über­leben, der Rest ist ganz einfach über­flüssig (Ne Nuschni).“

Er begann an der Börse und in einem Immo­bi­li­en­un­ter­nehmen zu arbeiten, doch der Durch­bruch blieb ihm ver­wehrt. Später erin­nerte er sich: „Markt­fun­da­men­ta­listen wie ich glaubten, sie würden allesamt Mil­lionäre werden. Jeder dachte, wenn wir schlau sind, werden wir bald reich werden … Aber dann wurde es offen­sichtlich, dass die Reichen die­je­nigen sind, die irgendwie Kon­takte zur Regierung haben.“

Diese Erkenntnis war für ihn ver­mutlich der Anlass, in die Politik zu gehen. Während er noch immer an der Börse arbeitete, näherte er sich der markt­li­be­ralen Partei Jabloko (Apfel) an. Mehrere Vor­sit­zende dieser Partei waren berüchtigt für ihre lang­jäh­rigen Bezie­hungen zum US-Außen­mi­nis­terium und der CIA. Die bekann­testen davon waren Boris Nemzow und Garri Kasparow.“

In den Augen der rus­si­schen Bürger ist weder ein Demokrat noch ein Linker noch ein Libe­raler, sondern ein Knall­rechter, der durchaus mit den Natio­na­listen und Faschisten Russ­lands lieb­äugelt und vor einigen Jahren auch eng mit ihnen zusam­men­ge­ar­beitet hat. Bei der jedes Jahr statt­fin­denden Demons­tration des 4. November, dem „Rus­si­schen Marsch“ lief Herr Navalny zum ersten Mal mit. Hier mar­schieren sie alle mit, die mon­ar­chis­ti­schen, faschis­ti­schen anti­se­mi­ti­schen und frem­den­feind­lichen Ver­bin­dungen und Par­teien. Später gehörte Nawalny dem Orga­ni­sa­ti­onsrat der „Rus­si­schen Märsche“ an.

Er gründete mit dem National-Bol­sche­wiken Sachar Prilepin die „Nationale Rus­sische Befrei­ungs­be­wegung“. Damit gedachte er, seine Pläne für eine „Ein­heits­front“ aus Rechts­extremen und „Libe­ralen“ umzu­setzen. In einem seiner Videos insze­nierte sich Nawalny als Zahnarzt und ver­glich das Ziehen ver­faulter Zähne mit der Abschiebung „ille­galer Immi­granten“ und sagte: „Man muss nie­manden ver­prügeln. Wer uns stört, muss sorg­fältig abge­schoben werden.“ Am Ende des Videos fordert er die Zuschauer auf: „Denken Sie an die Zukunft, und werden Sie Nationalist.“

Auf Twitter findet man heute noch ein ras­sis­ti­sches Video von ihm, wo er Men­schen aus dem Süd­kau­kasus und andere Migranten mit Unge­ziefer und Kaker­laken ver­gleicht: Mus­li­mische Migranten seien Kaker­laken, sagt er da, während eklige Unge­ziefer-Horror-Puppen ein­ge­blendet werden. Am Ende erschießt er einen solche Migranten:

https://twitter.com/ValLisitsa/status/1353317434002989056

 Alexej Nawalnys Ver­bin­dungen zur USA und CIA

Man stelle sich vor, jemand würde im Westen so etwas von sich geben. Aber ein Herr Nawalny wird von den USA gepampert, mit viel Geld ver­sorgt und als Berufs­re­vo­lu­tionär zum Umsturz in Russland aus­ge­bildet und unter­stützt. Deutschland und alle anderen westlich-demo­kra­ti­schen Staaten ziehen mit und die Presse jubelt diesen Mann zur leuch­tenden Hel­den­ge­stalt hoch.

Jaja, wenn man jemanden gegen einen ver­hassten Regie­rungschef oder ein Land, was sich nicht dem Westen unter­werfen will, für die eigenen Inter­essen rekru­tieren kann, ist der Westen sehr tolerant. Wie in der Ukraine, wo faschis­tisch-ras­sis­tische Kräfte die Macht über­nommen haben und auch gern zu fei­er­lichen Gedenk­mär­schen in ori­gi­nalen Nazi-Uni­formen para­dieren. Da hatte man keine Berüh­rungs­ängste in Washington, Paris, London und Berlin. Das Asow-Batallion trägt ganz unver­blümt ent­spre­chende Runen an seinen Uniformen.

Die Seite WSWS diagnostiziert:

„Nawalny wurde nicht trotz, sondern wegen seiner Bezie­hungen zu Libe­ralen und Rechts­extremen für Teile des Kremls, die sich auf die Zeit nach Putin vor­be­reiten und für den US-Impe­ria­lismus eine attraktive poli­tische Per­sön­lichkeit. Er gilt als der per­fekte Kan­didat, um ein rechts­extremes Bündnis zwi­schen Faschisten, Olig­archen und Teilen des oberen Klein­bür­gertums zu schaffen, dessen Ziel die Ein­setzung eines pro-ame­ri­ka­ni­schen Mario­net­ten­re­gimes wäre.“

Und dem­entspre­chend wurde der junge Mann von den USA und ihren Struk­turen auf­gebaut und gefördert, um in Russland als „Oppo­si­ti­ons­po­li­tiker“, Spaltpilz und Ein­fluss­agent der USA ein­ge­setzt zu werden. Im Jahr 2010 kam er im Rahmen eines Sti­pen­diums in das Yale World Fellows-Pro­gramm. Nicht wenige Absol­venten dieses Pro­gramms sind im Fol­genden direkt in der Maidan-Revo­lution in der Ukraine aktiv geworden und auf Funk­tio­närs­posten auf­ge­stiegen. Der Kern dieses Yale „World Fellows“-Programms ist eine 15-wöchige Aus­bildung in „glo­balen Ange­le­gen­heiten“, wo die Eleven fit gemacht werden, als zukünftige „aus­län­dische Füh­rungs­kräfte“ in ihrem Hei­matland Politik und Ein­fluss­nahme für die US-Inter­essen zu ver­folgen und aus­zuüben. Es sind die Agi­ta­toren der berühmten „Farb­re­vo­lu­tionen“ und Nawalny ist einer davon.

In Russland wissen die meisten sehr gut, wen sie mit Alexej Nawalny vor sich haben. Nur uns ver­sucht man, mit einer mani­pu­la­tiven Bericht­erstattung Leute wie ihn als Helden der Demo­kratie zu ver­kaufen. Nur glauben die Medien und Poli­tiker, dass wir alle immer noch ahnungslos sind und ihnen glauben – und dass sie auf diese Weise Stimmung machen können. Ich kann Ihnen ver­si­chern, liebe Leser, ich rede viel mit den Leuten, meistens mit Zufalls­kon­takten. Man muss nur ein bisschen dumm fragen, dann staunt man, wie viele unter der braven Ober­fläche längst gut infor­miert sind. Weder Medien noch Politik haben eine Ahnung.