Baumhäuser im Hambacher Forst, Bild: Wikimedia Commons, MaricaVitt, Bildlizenz: CC BY-SA 4.0

Hof­be­richt­erstattung für die NRW-Lan­des­re­gierung? WDR löscht Laschets bri­sante Äußerung (+Video)

Die Besetzung des Ham­bacher Forstes hat ein ziemlich ent­hül­lendes Nach­spiel geboren. „Umwelt­ak­ti­visten“, meist eine Mischung aus echten Natur­schützern und Berufs­ran­da­lierern plus Antifa hatten den Wald besetzt, um zu ver­hindern, dass die Bag­ger­schaufeln des RWE dort Braun­kohle fördern und der Wald weichen muss. Nach langem Gerangel mit der Polizei wurde der Wald geräumt. Minis­ter­prä­sident Armin Laschet war eben­falls vor Ort. Dabei wurde eine bri­sante Äußerung von ihm auf Handy auf­ge­nommen. Der WDR sendete diese, löschte sie aber nach wenigen Stunden. Will­fährige Dienst­eif­rigkeit oder Rück­nahme eines jour­na­lis­ti­schen Fehlers? 

Ein Radio­beitrag des WDR aus dem Sep­tember 2019 berichtete über den Zank­apfel Ham­bacher Forst bei Düren und davon, dass Nord­rhein-West­falens Minis­ter­prä­sident eben­falls vor Ort war, um sich ein Bild über die Lage zu machen. Der Wald sollte aus Brand­schutz­gründen geräumt werden und die Besetzer mit Poli­zei­gewalt ver­trieben. Vor Ort gab es Dis­kus­sionen, Umwelt­schützer hatten den Minis­ter­prä­si­denten abge­fangen und ihn zur Rede gestellt. Jemand nahm die Aus­ein­an­der­setzung auf Handy auf. Auf dem Video sieht man Hosen­beine und Schuhe und hört ein­deutig die Stimme des NRW-Minis­ter­prä­si­denten Laschet. Das Video wurde dem WDR-Jour­na­listen Jürgen Dös­chner zuge­spielt. Der machte dazu einen Beitrag im Hörfunk mit dem Titel: „Ham­bacher Forst: Räumung brauchte Vorwand“. Der Beitrag wurde im „Mor­genecho“ auf WDR 5 gesendet. Zwei­einhalb Stunden später löschte der WDR die Sendung wieder aus dem Angebot.

Hier ist das besagte Video:

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Die Aussage Minis­ter­prä­sident Laschets gegen Ende des Videos heißt also: „Ich brauche einen Vorwand, sonst kann man da nicht tätig werden, ich wollte den Wald räumen.

Der Spruch zir­ku­lierte damals im Internet und war vielen ein Beweis dafür, dass die Behauptung, man müsse leider wegen Brand­schutz­be­stim­mungen die Akti­visten mittels Poli­zei­ein­sätzen auch gewaltsam ent­fernen, nur ein Vorwand war, um der RWE eben doch die Rodung und Braun­koh­le­ge­winnung zu ermög­lichen. Der Ver­dacht ist so abwegig nicht: Gerade aktuell müssen auch Dörfer den Bag­ger­schaufeln weichen, obwohl der Aus­stieg aus der Braun­kohle doch eigentlich beschlossene Sache sein soll. Tau­sende Men­schen müssen weichen, sie werden umge­siedelt, und nicht alle gehen freiwillig.

Schon damals musste sich der WDR fragen lassen, warum der bri­sante Aus­spruch Herrn Laschets so geräuschlos wie auch kommod für den Minis­ter­prä­si­denten wieder ent­fernt wurde. Das Ein­ge­ständnis, er habe einen „Vorwand“ für die Räumung gebraucht, war ein Poli­tikum. Der „Spiegel“ griff die Sache auf und unter­stellte dem WDR „man­gelnde Distanz“ zur Lan­des­re­gierung. Es sei doch ziemlich auf­fällig, wie gemütlich und ein­ver­nehmlich sich die Lan­des­re­gierung mit dem Sender ein­ge­richtet habe.

Der WDR wehrt sich gegen den Vorwurf, die Sendung aus Gefäl­ligkeit für den Minis­ter­prä­si­denten schnellstens aus der Mediathek ent­fernt zu haben und bezichtigt den Spiegel der fal­schen Bericht­erstattung:

„Warum hat der WDR das Video nicht gezeigt?
Das Video zir­ku­lierte im Netz und war an meh­reren Stellen bekannt. Die angeb­liche Kern­aussage – ‚Ich brauche einen Vorwand‘ – hatte damals schon keinen Newswert mehr. Der WDR und andere hatten längst berichtet, dass die Lan­des­re­gierung einen Vorwand für die Räumung des Forstes gesucht hatte. Auch NRW-Innen­mi­nister Reul hatte bereits zuvor in einem Westpol-Interview (30.08.2019) gesagt, dass es darum ging, im Brand­schutz eine Rechts­grundlage zu haben.

Mit anderen Worten: Man musste keine Aus­schnitte eines offenbar ver­deckt mit­ge­schnitten Videos ver­öf­fent­lichen, um das noch zu beweisen. Wenn man sich ent­scheidet, solches Material zu ver­wenden, braucht man einen trif­tigen Grund und den hatten wir nicht. Also hat die Fach­re­daktion den ange­bo­tenen Beitrag mit Verweis auf die jour­na­lis­tische Sorg­falts­pflicht abgelehnt.“

Der WDR setzt dann einen Aus­schnitt aus einem Westpol-Interview vom 30. August 2019 dazu, der den Hin­ter­grund dieses „Vor­wandes“ erklären soll. NRW-Innen­mi­nister Herbert Reul erklärte in diesem Interview:
„Es ging am Anfang über­haupt nicht um den Brand­schutz, als wir das haben prüfen lassen. Das war das Ergebnis der Prüfung, das ist zwei­erlei. Der Anfang war, dass der Minister für Inneres, nämlich ich, immer öfter gefragt wurde: ‘Du bist für Null-Toleranz-Stra­tegie. Du greifst ein, wenn Clans die Regeln nicht beachten. Du greifst ein, wenn rechte Demons­tranten Sprüche kloppen, die nicht erlaubt sind. Warum lässt Du eigentlich zu, dass im Ham­bacher Forst ungleiches Recht gilt. Dass die machen können, was sie wollen. Dass sie Recht brechen, dass sie Häuser auf fremdem Gelände bauen, dass sie Poli­zisten gefährden. Sach­be­ar­beiter, die da unterwegs sind, lebens­ge­fährlich angreifen. Warum lässt Du das zu? Das ist nicht glaub­würdig.’ Und da habe ich gesagt: Ich halte das für nicht möglich, wir müssen uns darum kümmern, und habe gebeten: Ich brauche da aber natürlich eine Rechts­grundlage, denn ich kann ja nicht machen was ich will, so ist der Rechtsstaat.”

Das ist aus dem Blick­winkel der Poli­tiker zwar nach­voll­ziehbar, ändert aber nichts daran, dass der WDR den „Vorwand“-Bericht des Kol­legen Jürgen Dös­chner stikum aus der Mediathek löschte. Was der WDR in seinem Recht­fer­ti­gungs­beitrag nämlich nicht erwähnt, ist, dass auch innerhalb des WDR dieser Schritt sehr umstritten war. Der WDR-haus­in­terne Schlich­tungs­aus­schuss hatte den gelöschten Radio­beitrag klar als „jour­na­lis­tisch ein­wandfrei“ bezeichnet. Bei der Löschung habe, so berichtet der Spiegel, auch der WDR-Pro­gramm­di­rektor Jörg Schö­nenborn „eine Rolle gespielt“, wie eine E‑Mail nahelegt.

Die Begründung, es habe den Beitrag ja auch gar nicht gebraucht, weil das Video ja sowieso im Netz kur­sierte, ist… zumindest sehr ori­ginell. Ins­be­sondere in einer Medi­en­land­schaft, in der alle Haupt­medien mehr oder weniger unisono über Ereig­nisse berichten, in der Regel auch die­selben Stand­punkte ver­treten oder auch beque­mer­weise gleich die Reuters, dpa- oder afp-Mel­dungen rei­hen­weise abpinseln. Wäre die Ein­zig­ar­tigkeit der Ver­öf­fent­li­chung ein Kri­terium, könnte man 99% der Haupt­medien gleich abschaffen. Besonders goldig ist dieser Einwand auf dem Hin­ter­grund, dass das besagte „Vorwand“-Video bis zu der Radio­sendung ja nur auf Social-Media-Platt­formen und in alter­na­tiven, freien Medien kur­sierte. Genau deshalb wurde es ja Jürgen Dös­chner zuge­spielt. Der WDR war mit dieser Sendung das erste Haupt­medium, das diese Laschet-Äuße­rungen im Ori­ginal brachte.

Man erinnere sich nur daran, wie aus­führlich die berühmte Ibiza-Affäre mit dem bös­willig zusam­men­ge­schnitten Video der öster­rei­chi­schen FPÖ-Poli­tiker durch alle Haupt­medien gehe­chelt wurde, bis man dann am Schluss in nur wenigen Medien erfuhr, dass die Betrachtung des gesamten Films die beiden Poli­tiker Strache und Gudenus doch entlastete.

Das herz­liche Ein­ver­nehmen zwi­schen Lan­des­po­li­tikern und der WDR-Führung ist anscheinend bekannt. Die eigenen WDR-Redak­teure kri­ti­sieren das laut Spiegel schon lange. Der Ham­burger Jour­na­lis­tik­pro­fessor Volker Lili­enthal sagte dem „Spiegel“: “Landes­rundfunkanstalt und Lan­des­re­gierung haben sich gut ein­ge­richtet und arrangiert.“