Die Internetseite des „LeParisien“ berichtet von einem Gerichtsverfahren gegen die Schülerin, die damals den Stein ins Rollen brachte, der ihren Lehrer das Leben kosten sollte. Jetzt stellt sich im Gerichtsverfahren heraus, dass das Mädchen schlicht gelogen hatte. Sie hatte das „islamophobe“ Verhalten ihres Lehrers schlicht erfunden. So entsetzlich und tragisch das ist, so stellt sich doch die Frage, wie so eine dumme Denunziation zu der (erwartbaren) Tragödie führte und warum erst jetzt, nach fast einem halben Jahr die Geschichte vor Gericht aufgeklärt werden musste.
Es war einfach eine faule Ausrede der 13jährigen Schülerin „Z. Chnina“, die sie ihrem Vater daheim auftischte. Wohl wissend, dass die Geschichte bei ihm verfangen würde. Wahrscheinlich war sie sich nicht darüber im Klaren, was sie damit lostreten würde. Vor dem Untersuchungsrichter gestand das Mädchen, dass sie eigentlich nur eine Geschichte brauchte, um ihrem Vater eine Disziplinarstrafe der Schule, einen zweitägigen Unterrichtsausschluss, als Heldentat verkaufen zu können. Sie wollte in den Augen ihres streng muslimischen Vaters Pluspunkte machen.
Die Geschichte, die sie ihrem Vater Brahim Chnina auftischte, war, dass ihr Lehrer, Samuel Paty, an der Schule in Conflans, im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit zwei der berühmt-berüchtigten Mohammed-Karikaturen vorzeigte, wie sie im Charlie-Hebdo-Magazin veröffentlicht worden waren. Der Geschichts- und Geographielehrer Paty habe die muslimischen Schüler angewiesen, die Klasse derweil zu verlassen. Dagegen habe sie energisch rebelliert und sei deswegen zwei Tage vom Unterricht ausgeschlossen worden. Sie beteuerte ihrem Vater, dass es wirklich so gewesen sei, dass sie sich gegen die Diskriminierung der Muslime mit aller Kraft aufgebäumt habe, offenbar wohl wissend, dass sie bei ihrem Vater damit einen neuralgischen Punkt getroffen hatte. Denn der ging sofort mit seiner Tochter zur Polizei und zeigte den Lehrer wegen „pornografischer Darstellung des Propheten“ an.
Die französische Seite LCI und der Figaro berichten:
„Schon nach wenigen Tagen wurde die Familie von einem islamistischen Aktivisten, Abdelhakim Sefroui, unterstützt, der die Informationen weitergab. So erreichten die Informationen auch Abdoullakh Anzorov, den jungen Terroristen tschetschenischer Herkunft, 18 Jahre alt, der Samuel Paty vor seinem College in Conflans-Sainte-Honorine ermorden würde.“
Dies ist eine wichtige Information, die wir in den deutschen Medien nicht bekommen. Hier wird klar, dass die Familie von „Z. Chnina“ in irgendeiner Weise mit Islamisten in Verbindung stand – wenn vielleicht auch über Mittelsleute – aber in jedem Fall für einen Kontakt offen war.
Das war aber noch nicht alles. Anschließend machte Vater Chnina ein höchst hasserfülltes Video, das er auch sofort online stellte. Es ging viral. Darin wurde der Lehrer mit vollem Namen genannt, so wie auch die Schule im Nordwesten von Paris, in Conflans-Sainte-Honorine, einem „Brennpunktviertel“. Zehn Tage danach, am 16. Oktober, machte sich ein 2002 in Moskau geborener Tschetschene namens Abdoullakh Anzorov auf den Weg zu seiner „Rachemission“. Er schnitt dem Lehrer Samuel Paty den Kopf ab. Die Tat ereignete sich in Eragny (Val-d’Oise), nicht weit von der Schule entfernt. Die hinzugerufene Polizei erschien schnell. Der junge Mann wurde erschossen.
Der 18-Jährige Tschetschene war mit seiner Familie nach Frankreich geflohen. Sie erhielten dort politisches Asyl. Niemand wusste davon, dass der junge Abdoullakh ein radikaler Islamist sein soll. Er war diesbezüglich noch nie aufgefallen. Er war wegen kleinerer Delikte im Stadtteil Evreux wohl polizeibekannt. Er war aber offenbar kein freundlicher, aufgeweckter Teenager sondern wirkte auf manche sogar unheimlich. Seine Umgebung beschrieb ihn als „zurückhaltend“ und „religiös“. Ein Nachbar sagte Journal du Dimanche, dass der Junge „ihm Angst mache“. „Ich habe ihn selten gesehen, und er war oft ganz allein“, berichtet ein Anwohner. „Wir können Nachbarn sein, wir können trotzdem das Leben der Menschen nicht kennen, hier heißt es nur ‘Hallo und Tschüss’“, sagt ein anderer Nachbar. „Aber es ist eine friedliche Ecke, dies ist nicht die berüchtigtste Ecke der Madeleine.“
Allerdings hatte Abdoullakh Anzorov seine Radikalisierung in den sozialen Netzwerken keineswegs verborgen. Der Twitter-Account @ Tchetchene_270, war laut Staatsanwalt Jean-François Ricard sein persönlicher Account. Anzorov hatte aber nicht nur die Behauptungen der Schülerin und das Foto des Lehrers Samuel Paty veröffentlicht. Er stellte auch eine Fotomontage mit der Enthauptung des Lehrers online.
Das Mädchen hatte wahrscheinlich nicht bedacht, welche entsetzlichen Folgen ihre Ausrede haben würde. Nun stehen sie und ihr Vater vor Gericht.
Tatsächlich war die Schülerin „Z“, wie sie in den Medien genannt wird, wegen schlechten Benehmens und ständigen Schwänzens vom Unterricht ausgeschlossen worden, gab die Schule bekannt.
Zu ihrer Entschuldigung erzählte „Z. Chnina“, sie habe diese erste Aussage auch deshalb gemacht, weil ihre Klassenkameraden sich an sie gewandt hätten, die Sache publik zu machen, obwohl sie an diesem Tag ja gar nicht anwesend war. Ihre muslimischen Mitschüler hätten sich unwohl und beschämt gefühlt, als der Lehrer Paty sie angewiesen habe, aus dem Raum zu gehen, um die Karikaturen nicht sehen zu müssen.
Die Untersuchung an der Schule ergab aber, dass der Lehrer Samuel Paty nie die muslimischen Schüler zum Verlassen des Raumes aufgefordert hatte. Er hatte lediglich vorgeschlagen, dass diejenigen, die das nicht sehen und nicht dabei sein wollen, das Klassenzimmer verlassen oder einfach wegschauen dürfen.
Weiter erfahren wir aus den französischen Medien, dass „Z. Chnina“ eine Zwillingsschwester hat, die mehr in der Gunst des Vaters steht, weil sie „eifriger“, fleißiger und besser in der Schule ist. Der Polizei, so berichtet „le Figaro“, fiel auf, dass „Z“ oft mit ihrer Zwillingsschwester verglichen und für unwerter befunden wurde. Sie wagte es einfach nicht, ihre Lüge zuzugeben. Sie habe nicht gewagt, einen Rückzieher zu machen, um ihre Familie nicht zu enttäuschen. Doch hielt sie dem Druck nicht mehr stand und gab zu, gelogen zu haben.
Der Anwalt des Mädchens, Madame Mbeko Tabula, führt diesen Umstand zugunsten ihrer minderjährigen Mandantin ins Feld. Sie argumentiert, es sei „nicht die Lüge, die den Tod von Samuel Paty verursacht habe, sondern der Angreifer, der mit mittelalterlichem Verhalten zum Schlachten gekommen sei und Paty hingerichtet habe. Sie („Z“) hat keine direkte Verbindung zu diesem Gentleman. Sie kennt ihn nicht.“ Ihre Mandantin sei nicht gerade in Sympathie mit dem Lehrer Paty verbunden gewesen, aber seinen Tod habe sie niemals gewollt.
Den Anwalt der Familie Samuel Patys, Madame Virginie Le Roy, überraschte dieser Rückzieher von „Z“ keineswegs. Deren Behauptung sei angesichts der Zeugenaussagen ihrer Mitschüler und der Tatsache, dass sie gar nicht anwesend war an dem besagten Tag, völlig unhaltbar gewesen. Die Erklärungen der Schülerin seien jedoch nicht zufriedenstellend: „Sie erklärt, dass sie ihren Vater nicht enttäuschen wollte und dass sie trotz ihrer Abwesenheit die Sprecherin ihrer Klasse war. Der Sprecher für was? Für eine Lüge? Für etwas, das nie passiert ist?“
Anwältin Le Roy beschreibt ihre Klienten, Samuel Patys Angehörige, als eine Familie „von bemerkenswerter Menschlichkeit, Anstand, Würde“ und betonte, dass die Verwandten des ermordeten Professors „keine Hass- oder Rachegefühle“ haben, sondern „Antworten“, „Transparenz“ und „Wahrheit“ fordern. „Ihre Erwartung ist die aller Opfer: Gerechtigkeit, ganz einfach.“
„Dieses Drama hat alle berührt, und es ist nötig, dass es weitergeht (aufgearbeitet wird). Samuel Patys Tod wurde in erster Linie durch eine Lüge verursacht, die von Institutionen weitergegeben wurde. […] Das darf nicht mehr passieren. Wir müssen die Aufklärung und Prävention von Radikalisierungsmechanismen stärken, die umso heimtückischer sind, wenn sie über soziale Netzwerke gehen. Wenn wir aus all dem etwas lernen können, dann ist es, dass Samuel nicht umsonst gestorben ist“, beschloss Anwältin Virginie Le Roy ihre Ausführungen.
Leider gehört das, was wir hier sehen, zu der dunklen Seite des Menschen. Wir kennen es aus der Geschichte. In Zeiten aufgeheizter Stimmung, moralischer oder religiöser Intoleranz, repressiver Durchsetzung von Verhaltensnormen und Gesinnungsterror, blüht die Denunziation, das Petzen, das Anschwärzen.
Ob das zurzeit der Inquisition, der Hexenverfolgung, in Diktaturen wie zurzeit des Nationalsozialismus oder des Stalinismus, in Nordkorea, in Kambodscha, in China zu Zeiten Mao Tsedongs oder während der Religionskriege zwischen Katholisch und Lutherisch oder heute unter der Political Correctness geschieht, ob es in streng muslimischen Kreisen, aus denen offenbar „Z. Chnina“ und ihre Familie stammen, geschieht – die Verhaltensmuster sind immer dieselben: Um sich „Lieb Kind“ zu machen, eigene Fehler oder Taten zu verdecken, Vorteile zu erlangen oder einen unliebsamen Mitmenschen zu bestrafen, Rache zu üben oder Konkurrenten auszuschalten … Denunziation ist eine tolle Sache, die aber immer nur in einer repressiven, fundamentalistischen Atmosphäre den erwünschten Erfolg zeigt.
Es ist und bleibt Hexenjagd, ganz egal unter welcher Fahne.
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