Sogar bei Umfra­ge­er­geb­nissen wird geschummelt

„Eine Mehrheit gibt Kret­sch­manns Corona-Politik gute Noten“(?) — Die Ant­worten auf die ein­zelnen Fragen zeigen das Gegenteil

(von Albrecht Künstle) 

Recht­zeitig zur Land­tagswahl in Baden-Würt­temberg am nächsten Sonntag betä­tigen sich die Zei­tungen im Land erneut als Steig­bü­gel­halter der Herr­schenden. Zumindest die Badische Zeitung in Freiburg titelte am 6. März „Eine Mehrheit gibt der Corona-Politik gute Noten – In Umfragen der Tages­zei­tungen stellt der Minis­ter­prä­sident seine CDU-Her­aus­for­derin in den Schatten“. Und weiter: 54 Prozent der Men­schen in Baden-Würt­temberg beschei­nigen der Lan­des­re­gierung bei der Pan­de­mie­be­kämpfung eine gute oder sehr gute Arbeit. Wirklich? Da lohnt es sich doch, mal genauer hin­zu­schauen. Das Ergebnis …

55 Prozent der Erwach­senen im Ländle fühlen sich gegenüber der Corona-Politik ohn­mächtig. Mit dem Kri­sen­ma­nagement der Regierung sind sogar 73 Prozent unzu­frieden! 45 Prozent sind es mit der Erreich­barkeit von Behörden und 65 Prozent bei der Vergabe von Impf­ter­minen. 68 Prozent haben Pro­bleme bei der Aus­zahlung von Wirt­schafts­hilfen und 69 Prozent mit dem Digi­tal­un­ter­richt an Schulen. Bestätigt wird dieses negative Ergebnis in den Ant­worten auf die Gegen­fragen, „Was sind in Ihren Augen die wich­tigsten Auf­gaben …“ 64 Prozent ver­missen eine finan­zielle Unter­stützung. 58 Prozent wollen die Schulen digital besser aus­ge­stattet sehen und 54 Prozent ein schnel­leres Internet. Das soll Zufrie­denheit sein?

Wie ist der Wider­spruch zwi­schen diesen Ant­worten und der Zei­tungs­these zu erklären, dass die Corona-Politik gut sei? Ganz einfach in einer geschickten Rei­hen­folge der Fragen. Zuerst fragt man im Sinne der Auf­trag­geber ganz all­gemein nach der Corona-Situation. Die erste Reaktion ist doch, hurra ich lebe noch, also gut. Dann erst werden Fragen auf­ge­listet, ob doch Problem gesehen werden und welche. Und dann fällt den Befragten eine Menge ein, siehe oben. Und die Hof­be­richt­erstatter in den Zei­tungs­re­dak­tionen haben nichts Bes­seres zu tun und die unver­bind­liche positive All­ge­mein­antwort als Schlag­zeile zu nehmen, „Gute Noten für Corona-Politik“. Die gegen­tei­ligen Ant­worten finden sich dann im Klein­ge­druckten, weil dieses oft nicht gelesen wird.

Und wer stellt wen in den Schatten? Die Badische Zeitung schreibt, Kret­schmann stellt seine Her­aus­for­derin Susanne Eisenmann in den Schatten. Dabei ist es die Presse selbst, welche die amtie­rende Kul­tus­mi­nis­terin Susanne Eisenmann fünf Jahre lang in den medialen Schatten stellte. Mit fatalen Folgen. Nur 63 Prozent der befragten Zei­tungs­leser kennen die Kul­tus­mi­nis­terin namentlich. Kein Wunder also, dass nur 32 Prozent der Befragten von der CDU-Minis­terin „eine gute Meinung“ haben sollen. Wer eine schlechte Presse hat ist bei den Wählern auto­ma­tisch unten durch. Es stimmt, was kol­por­tiert wird: Die Herr­schenden brauchen keine Wahlen fäl­schen; sie haben die Macht, die Hirne der Wähler zu fälschen.

Und dann der Leit(d)artikel: „Ohn­macht als Alarm­signal“! Der gleiche Chef­re­dakteur Thomas Fricker, der nun für die Kon­kur­rentin eine Träne im Knopfloch vor­täuscht, „Das Amt der Kul­tus­mi­nis­terin hängt Eisenmann wie ein Mühl­stein um den Hals“, hätte die Mög­lichkeit gehabt, in seinem Leit­ar­tikel zu wür­digen, dass diese Poli­ti­kerin im Fern­seh­duell dem Minis­ter­prä­si­denten in nichts nach­stand. Aber nein, Kret­schmann bleibt auch von diesem Hof­be­richt­erstatter unge­schoren. Und es gibt im Breisgau leider keine andere Zeitung. Und da jammert er über das Urteil der Befragten, dass sie sich der (Medien)Politik ohn­mächtig aus­ge­liefert sehen. Ja so ist es, wer bei dieser Zeitung in Ungnade gefallen ist, ist auf Lebenszeit geächtet. Als ehe­ma­liger freier Mit­ar­beiter dieser Zeitung weiß ich ein Lied davon zu singen.

Die Baden-Würt­tem­ber­ger/innen wollen vor allem eines: „Wege aus der Corona-Krise, räso­niert der Leit­ar­tikler und Chef vom Dienst. Dabei braucht er nur in seine Zeitung vom gleichen Tag zu schauen. In Freiburg gab es am Vortag nur 15 Neu­in­fek­tionen, in seinem Land­kreis 22; und diese bei einer 7‑Tage-Inzidenz von 43/71 pro 100 000 Ein­wohner. Oder anders: Nur 0,1 Pro­mille seiner Leser werden pro Tag positiv getestet, von denen wie­derum nur ein Fünftel Sym­ptome haben, also erkranken. Wären die Zei­tungs­macher ihr Geld wert, würden sie nicht von der Politik ver­langen, „Wege aus der Corona-Krise“ zu finden. Die Zei­tungen könnten diese „Krise“ genauso gut für beendet erklären, wie sie die Krise her­bei­ge­schrieben haben.